DER SICHERHEITSDIENST

17 4 | 2021 DER SICHERHEITSDIENST GELD UND WERT Neu ist jedoch, dass diese nun auf europäischer Ebene verbindlich werden soll. Die Kommission rechtfertigt diese Pläne mit dem Kampf gegen Geldwäsche. Die Einführung einer Obergrenze ist Teil eines am 20. Juli 2021 in Brüssel vorgelegten „ehrgeizigen Bündels von Gesetzgebungsmaßnahmen, mit denen die Vorschriften der EU zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung gestärkt werden sollen.“ (siehe Pressemitteilung der EU-Kommission vom 20. Juli 2021: „Kampf gegen Finanzkriminalität: Kommission überarbeitet Vorschriften zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung“.2) Der Gesetzgebungsvorschlag sieht auch die Schaffung einer neuen EU-Behörde für die Geldwäschebekämpfung vor, die sicherstellen soll, dass „der private Sektor die EU-Vorschriften einheitlich anwendet“. Interessant ist auch die Absicht der Kommission, dass die in einigen Ländern bereits etablierten Obergrenzen – und die sind zum Teil deutlich unterhalb der Schwelle von 10.000 Euro – nicht etwa angehoben werden sollen, sondern beibehalten werden dürfen. Damit sind zukünftig auch Bargeldobergrenzen von z. B. 500 Euro wie in Griechenland durch europäisches Recht legitimiert. Bei dieser vorgeschlagenen einheitlichen Bargeldobergrenze von 10.000 Euro soll es aber nicht unbedingt bleiben. Der Verordnungsentwurf sieht in Artikel 13 vor, dass drei Jahre nach Geltungsbeginn bewertet werden soll, ob „Notwendigkeit“ und „Verhältnismäßigkeit“ gegeben sind, die Obergrenze von 10.000 Euro weiter abzusenken. Das Ziel der Kommission ist klar: Für die Politik geht es darum, zunächst eine Obergrenze bei Barzahlungen im europäischen Recht grundsätzlich zu etablieren. Einmal eingeführt, kann diese dann jederzeit abgesenkt werden. Nebenbei sei erwähnt, dass es weitere Bausteine gibt, mit denen die Kommission und die Europäische Zentralbank versuchen, die Bargeldnutzung zu beschränken. Erinnert sei nur an die De-facto-Abschaffung des 500-Euroscheins oder an die aktuelle Initiative der Kommission, einheitliche Rundungsregeln für Barzahlungen im Handel zu etablieren und somit letztendlich die 1- und 2-Centmünzen aus dem Verkehr zu ziehen. Ich denke, die Abschaffung des 200-Euroscheins ist auch nur noch eine Frage der Zeit. Darüber hinaus sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die Vorbereitungen der Europäischen Zentralbank, eine digitale Währung, den „Digital Euro“, einzuführen, auf Hochtouren laufen. Aber zurück zum Verordnungsentwurf zur Einführung einer einheitlichen Obergrenze bei Barzahlungen im Handel. Mit der Einführung einer Obergrenze solle die Geldwäsche bekämpft werden, so heißt es in den offiziellen Verlautbarungen. Wie fadenscheinig diese von der Kommission ins Feld geführte Begründung der Initiative ist, wurde mittlerweile von etlichen Bargeldexperten nachhaltig dargelegt. In einem an die Europäische Kommission gerichteten Schreiben der „Cash Organisations’ Coalition“, an der auch die European Security Transportation Association (ESTA) und die Bundesvereinigung deutscher Geld- und Wertedienste (BDGW) beteiligt sind, wurde bereits am 19. April dieses Jahres verdeutlicht, dass der Fokus auf Bargeld im Zusammenhang mit Kriminalität irreführend ist. Bei kriminellen Aktivitäten verliert das Bargeld zunehmend an Bedeutung. Die Finanzierung krimineller Handlungen hat sich längst in den digitalen Raum verlagert. Ein Beispiel ist der wachsende Markt an Kryptowährungen. Der Generalsekretär der ESTA, Thierry Lebeaux, unterstreicht in einem Medienbeitrag diese Entwicklung: „Die Kriminellen, die noch immer Bargeld zur Geldwäsche verwenden, haben das 21. Jahrhundert und die enormen Möglichkeiten, dieFintechs bieten, umGeld schnell, sicher und praktisch kostenlos um die Welt zu bewegen, noch nicht ganz verstanden“.3 Auch die BDGW sieht keine Belege dafür, dass Bargeldobergrenzen kriminelle Aktivitäten eindämmen oder gar verhindern würden: „Die aktuelle Diskussion über eine Bargeldobergrenze ist die falsche, denn sie trägt massiv zur flächendeckenden Kriminalisierung des Bargeldes bei. Jeder Mensch, der mit Bargeld bezahlt, steht dabei automatisch unter Generalverdacht. Kriminalität muss mit anderen, effektiveren Mitteln bekämpft werden, anstatt Bargeld als Zahlungsmittel dafür verantwortlich zu machen. Wie bei vielen anderen Alltagsobjekten, sind Scheine und Münzen keine kriminellen Gegenstände per se, sondern werden erst in den Händen des Täters zu solchen“, so der BDGW-Hauptgeschäftsführer Dr. Harald Olschok in einer Pressemitteilung vom 12. August 2021. In einem Beitrag für die WirtschaftsWoche von 12. Juni 2021 hat sich auch der Bundesbankvorstand Prof. Dr. Johannes Beermann kritisch gegenüber den Plänen der EU-Kommission zur Einführung einer Bargeldobergrenze geäußert. Es sei fraglich, so Beermann in diesem Beitrag, „dass diese Maßnahme das geeignete Mittel sei, Geldwäsche zu bekämpfen, oder ob man damit nicht vor allemehrliche Bürger trifft“. Für Beermann, so dieser Artikel weiter, „gibt es bisher keinen wissenschaftlich fundierten Beleg, dass mit Barzahlungsobergrenzen das Ziel erreicht wird, Geldwäsche zu bekämpfen“.4 Auch etliche wissenschaftliche Studien unterschiedlicher Hochschulen kommen zu dem Ergebnis, dass die Verbindung zwischen Bargeld und kriminellen Aktivitäten äußerst dünn ist und in keinem Fall größer als bei jedem anderen Zahlungsinstrument. Der emeritierte Professor Friedrich Schneider von der Universität Linz kommt zu dem Ergebnis: „Cash is neither the motivation nor the reason for shadow economies, crime or terrorist attacks“.5 2 https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_21_3690?utm_source=POLITICO.EU&utm_campaign=db238c0a29-EMAIL_CAMPAIGN_2021_07_ 20_02_30&utm_medium=email&utm_term=0_10959edeb5-db238c0a29-190598608 3 www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/eu-will-barzahlungen-ueber-10-000-euro-verbieten-und-erwaegt-bereits-eine-weitere-senkung-der-grenze/ 4 www.handelsblatt.com/finanzen/geldpolitik/zahlungsverkehr-bundesbank-vorstand-wirkung-von-obergrenze-fuer-barzahlungen-fraglich/27280354.html www.bdgw.de/presse/bdgw-pressemitteilungen/geld-und-wertdienste-sehen-diskussion-um-bargeldobergrenze-kritisch 5 www.cashmatters.org/blog/study-relationship-between-cash-and-shadow-economy-friedrich-schneider-published-april-2017 6 www.bundesbank.de/resource/blob/710118/e3564a46591af2c2dd3be4e2dabbe517/mL/war-on-cash-data.pdf

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