DER SICHERHEITSDIENST

54 DSD 2 | 2025 ausdrücklich darauf hinwies, dass 2026 definitiv ein Mindestlohn von 15 Euro erreicht werde, stellte der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz am 13. April 2025 eine solche Verabredung infrage. Es sei lediglich vereinbart worden, dass man davon ausgehe, dass die Mindestlohnkommission in diese Richtung denke. Einen gesetzlichen Automatismus werde es nicht geben. Der Mindestlohn könne je nach Entwicklung zum 1. Januar 2026 oder 2027 in dieser Höhe liegen. Es bleibe Aufgabe der Mindestlohnkommission, dies in eigener Autonomie festzulegen. Der BDSW kritisiert diese gravierenden Interpretationsunterschiede, da sie für die Sozialpartner Unsicherheit bei zukünftigen Tarifverhandlungen schaffen. Bundestariftreuegesetz – BDSW-Forderung aufgegriffen Die Koalition strebt eine höhere Tarifbindung an. Zu diesem Zweck soll ein Tariftreuegesetz geschaffen werden. Es soll für Vergaben auf Bundesebene ab einem Auftragswert von 50.000 Euro gelten, für Start-ups mit innovativen Leistungen jedoch erst ab 100.000 Euro innerhalb der ersten vier Jahre nach Gründung. Dieses Vorhaben wird vom BDSW ausdrücklich begrüßt. Nur durch ein Bundestariftreuegesetz wird eine Erhöhung des Sicherheitsniveaus am Markt auch durchsetzbar und Lohndumping wird verhindert. Zu bedauern ist allerdings, dass die Koalition keine Reform der Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) von Tarifverträgen plant. Nach Ansicht des BDSW sollte es hierbei mindestens zu einer Neuregelung des Abstimmungsmodus im Tarifausschuss kommen. Ein von Arbeitgeberverband und Gewerkschaft gemeinsam eingebrachter Antrag auf AVE sollte im paritätisch besetzten Tarifausschuss nur mit Mehrheit abgelehnt werden können. Derzeit ist eine mehrheitliche Zustimmung erforderlich. Ein branchenfremder Arbeitgeberverband muss dem Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit explizit zustimmen – auch dann, wenn sich der zuständige Arbeitgeberverband und die entsprechende Gewerkschaft über die Notwendigkeit der AVE einig sind. Die aktuelle Rechtslage verhindert somit eine höhere Tarifbindung. Bürokratieabbau – Signale in die richtige Richtung Die Koalition will ihre Ziele unter anderem durch eine Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, ein Sofortprogramm zum Bürokratierückbau, ein Bürokratieabbaugesetz sowie durch mehr Digitalisierung erreichen. Diese Vorhaben werden ausdrücklich begrüßt. Allerdings ist dem Koalitionsvertrag nicht entnehmbar, dass diese Maßnahmen zu einer spürbaren Entbürokratisierung im Sicherheitsgewerbe führen werden. Dabei ist eine Reduzierung von Sicherheits- und Zuverlässigkeitsüberprüfungen dringend notwendig, um Personal schneller für Sicherungsaufgaben in KRITIS-Sektoren einsetzen zu können. Ob der angestrebte Bürokratieabbau tatsächlich zügig umgesetzt wird, bleibt abzuwarten – zumal bereits frühere Koalitionen vergleichbare Ziele verfolgt haben, ohne dass es zu durchgreifenden Ergebnissen kam. Stärkung allein der Sicherheitsbehörden – nicht der Sicherheitswirtschaft Wie so oft in den vergangenen Jahrzehnten setzen die Koalitionspartner im Bereich der Inneren Sicherheit ausschließlich auf eine rechtliche, technische und personelle Stärkung der Sicherheitsbehörden. Dies zeigt sich etwa bei der Bundespolizei durch ein neues Bundespolizeigesetz. Auch das BKA und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) sollen gezielt bei der Bekämpfung von Cyberkriminalität, Spionage und Sabotage gestärkt werden. So unterstützenswert diese Maßnahmen auf den ersten Blick erscheinen mögen, wird auf den zweiten Blick deutlich, dass die Koalitionäre den demografischen Wandel in unserer Gesellschaft weitgehend ausblenden. Die zunehmende Zahl an Stellenausschreibungen bei Nachrichtendiensten, Zoll und Polizei verdeutlicht, wie schwierig es heute ist, geeignetes Personal zu finden. Bereits jetzt werden bei Polizeieignungstests Anforderungen gesenkt, um überhaupt genügend Bewerber zu gewinnen. Auch Aussagen der Polizeigewerkschaften legen nahe, dass die Umsetzung der im Koalitionsvertrag verankerten Migrationswende – insbesondere verstärkte Zurückweisung an den Grenzen und Abschiebungen – mit dem derzeitig verfügbaren Personal kaum zu realisieren ist. Umso bedauerlicher ist es, dass sich die Koalition nicht einmal ansatzweise mit einer systematischen Einbindung des privaten Sicherheitsgewerbes zur Problemlösung beschäftigt hat. Es fehlen jegliche Ansätze zur Weiterentwicklung von Public-Privat-Partnership-Modellen über die bestehenden Kooperationen – etwa in der Luftsicherheit – hinaus. Auch ein Bekenntnis zur vertieften Zusammenarbeit von Staat und Wirtschaft im Bereich Wirtschaftsschutz fehlt, obwohl gerade Unternehmen zunehmend ins Visier von Spionage und Sabotage geraten. Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht überraschend, aber dennoch zu kritisieren, dass die Koalition – entgegen der Forderung des BDSW – lediglich eine Verschärfung des strafrechtlichen Schutzes für Einsatz- und Sicherheitskräfte, Polizisten sowie Angehörige der Gesundheitsberufe vorsieht, nicht jedoch für Beschäftigte im privaten Sicherheitsgewerbe. Diese sind bei Hilfeleistungen ebenso gefährdet und setzen sich ebenfalls für die öffentliche Sicherheit erheblichen Risiken aus. Cybersicherheit bleibt Dauerbrenner Wie bereits in den Koalitionsverträgen der vergangenen zwölf Jahre nimmt das Thema Cybersicherheit – vor dem Hintergrund zunehmender Digitalisierung, europäischer Normungsvorhaben und insbesondere täglicher massiver Angriffe auf die IT-Infrastruktur – einen hohen Stellenwert ein. Die Nationale Cybersicherheitsstrategie soll weiterentwickelt werden. Ziel ist es, durch gezielte Maßnahmen den Schutz Kritischer Infrastrukturen (KRITIS) zu verbessern und die IT-Sicherheit durch Notfallmanagement sowie präventive Beratungsangebote für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu stärken. Gerade in diesem Handlungsfeld sollte aus Sicht des BDSW auch die Sicherheitswirtschaft mit Hilfs- und Unterstützungsangeboten stärker einbezogen werden. Das Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik (BSI) soll zur Zentralstelle für Informations- und Cybersicherheit ausgebaut werden. Auch das Nationale Cyber-Abwehrzentrum soll fortentwickelt werden. Im Zuge der Umsetzung der NIS2-Richtlinie ist zudem eine Novellierung des BSI-Gesetzes vorgesehen. BERICHT AUS BERLIN

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==