DER SICHERHEITSDIENST

55 DSD 2 | 2025 Kampf gegen hybride Bedrohungen wird neuer Schwerpunkt Zur Steigerung der Resilienz Deutschlands und seiner Bevölkerung gegenüber hybriden und klassischen Bedrohungen soll ein Pakt für Bevölkerungsschutz geschaffen werden. Dieser soll mit einer Stärkung des Zivil- und Katastrophenschutzes sowie der zivilen Verteidigung einhergehen. So sollen das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) als zentrale Steuerungsstelle sowie das Technische Hilfswerk (THW) als operative Einsatzorganisation gezielt gestärkt werden. Gleichzeitig soll das Bewusstsein für den individuellen Selbstschutz in der Bevölkerung erhöht werden. Für eine effektive Drohnenabwehr und -detektion sollen rechtliche, technische und finanzielle Voraussetzungen geschaffen werden. Im Bereich der zivilen Verteidigung ist zudem die Schaffung einer neuen Rechtsgrundlage bereits vor dem Eintritt eines Spannungs- und Verteidigungsfalls vorgesehen. Auch die Zusammenarbeit zwischen Sicherheitsbehörden, Zivilschutzstrukturen und Bundeswehr soll ausgebaut werden. Allerdings fehlt im Koalitionsvertrag erneut ein Bezug zur privaten Sicherheitswirtschaft, obwohl diese insbesondere im Bereich der zivilen Verteidigung bereits heute eine wichtige Rolle spielt – und künftig noch stärker eingebunden werden könnte. Die Koalition kündigt außerdem an, zeitnah ein gutes KRITIS-Dachgesetz zu verabschieden. Was damit inhaltlich konkret gemeint ist, bleibt jedoch unklar – bislang wirkt die Ankündigung wie eine bloße Worthülse. Nationaler Sicherheitsrat kommt endlich Die Koalition will den bestehenden Bundessicherheitsrat im Rahmen des Ressortprinzips zu einem Nationalen Sicherheitsrat im Bundeskanzleramt weiterentwickeln. Dieser soll die zentralen Fragen einer integrierten Sicherheitspolitik koordinieren, strategische Entwicklungen begleiten, vorausschauende Analysen leisten, eine gemeinsame Lagebewertung vornehmen und damit zum zentralen Gremium der politischen Willensbildung werden. Für eine ganzheitliche Krisenbewältigung ist zudem die Einrichtung eines Nationalen Krisenstabs der Bundesregierung sowie eines Nationalen Lagezentrums im Bundeskanzleramt vorgesehen. Dort soll ressortübergreifend ein umfassendes Sicherheitsgesamtlagebild erstellt werden. Dieses Vorhaben ist ausdrücklich zu begrüßen, da Deutschland bislang weder über ein Nationales Lagezentrum noch über ein ressortübergreifendes Sicherheitsgesamtlagebild verfügt. Um sicherheitspolitische Entscheidungen in Friedens-, Krisen-, Katastrophen- und Verteidigungszeiten fundiert und abgewogen treffen zu können, sind solche Strukturen unerlässlich. Der Weg dorthin dürfte jedoch angesichts bestehender Ressortinteressen weder einfach noch kurzfristig realisierbar sein. Bedauerlich ist auch hier, dass im Koalitionsvertrag keine Einbeziehung der Wirtschaft oder ein strukturierter Informationsaustausch mit ihr vorgesehen ist – obwohl dies etwa im Bereich Cybersicherheit und des Wirtschaftsschutzes bereits erfolgreich praktiziert wird. Die Koalition verkennt damit die Bedeutung global vernetzter Industrien wie auch der privaten Sicherheitswirtschaft, die einen substanziellen Beitrag zu nationalen und internationalen Lageeinschätzungen leisten können. Fazit Aufgrund des selbst gesetzten Zeitdrucks der Koalitionäre und der aktuellen wirtschaftlichen, finanzpolitischen, geopolitischen und sicherheitspolitischen Herausforderungen mussten, wie in Koalitionsverträgen üblich, an vielen Stellen Formelkompromisse gefunden werden. Trotzdem ist der Koalitionsvertrag insgesamt als eine akzeptable Grundlage für ein Regierungshandeln zu bewerten. Allerdings überrascht, dass die Koalitionspartner die sicherheitspolitische Bedeutung des privaten Sicherheitsgewerbes mit rund 290.000 Beschäftigten für die öffentliche Sicherheit und den Schutz der Wirtschaft nicht betonen. Dies erstaunt umso mehr, als sich die Koalitionäre bei früheren Vereinbarungen, regelmäßig für verbindliche Standards und eine eigenständige gesetzliche Regelung des Sicherheitsgewerbes ausgesprochen haben. Dies lässt die Spekulation zu, dass die Koalitionspartner aufgrund der stetig wachsenden Leistungsfähigkeit des Sicherheitsgewerbes keinen Regulierungsbedarf mehr sehen. Ausblick Der Umstand allein, dass ein Sicherheitsgewerbegesetz im aktuellen Koalitionsvertrag diesmal keine Erwähnung findet, bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass es nicht von der neuen Regierung weiterverfolgt wird. In den relativ kurzen Koalitionsvertrag wurden auch in anderen Themenbereichen nicht alle bereits in der letzten Legislatur geplanten und bereits kabinettsreif entworfenen Gesetzesvorhaben aufgenommen. Im Bereich der Sicherheitsgesetze finden einerseits die Gesetze Erwähnung im Koalitionsvertrag, wie z. B. das KRITIS-Dachgesetz oder das Umsetzungsgesetz zur NIS-2-Richtlinie, die aufgrund europarechtlicher Vorgaben beschlossen werden müssen, sowie diejenigen, die dem Grundsatz der Diskontinuität zum Opfer gefallen waren. Diskontinuität bedeutet, dass Gesetzentwürfe, die bereits im alten Bundestag waren, aber von diesem nicht mehr beschlossen wurden, wieder durch das neue Kabinett eingebracht werden müssen. Dies trifft auf ein Sicherheitsgewerbegesetz nicht zu, da es in der vergangenen Legislatur nicht mehr vom Kabinett behandelt wurde. Insofern kann aus dem Koalitionsvertrag allein geschlossen werden, dass ein Sicherheitsgewerbegesetz keine besondere Priorität erhalten hat. Im Übrigen sind zukünftige rechtliche Rahmenbedingungen für das Sicherheitsgewerbe – entgegen dem uns bisher bekannten Referentenentwurf – für uns nur dann zielführend und akzeptabel, wenn sie insbesondere praxistaugliche Bestandsschutzregelungen und realitätskonforme Übergangsregelungen enthalten. Die neue Bundesregierung sollte sich daher zu Beginn der Legislatur umgehend erst einmal primär auf die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes durch Strukturreformen und Bürokratieabbau fokussieren. Nur so werden wir wieder Wachstum generieren, den Sozialstaat stabilisieren und die Verteidigungsfähigkeit signifikant erhöhen können. Die Sicherheitswirtschaft ist bereit und willens, ihren Beitrag zur Resilienzsteigerung Deutschlands zu leisten. BERICHT AUS BERLIN

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