DER SICHERHEITSDIENST

DSDDER SICHERHEITSDIENST 2 | 2025 Fachmagazin für die Sicherheitswirtschaft 77. Jahrgang Postvertriebsstück – DPAG – Entgelt bezahlt | DSA GmbH · Postfach 1201 · 61282 Bad Homburg Bild: # 1159670000 / istockphoto.com Bild: Erstellt durch KI LUFTSICHERHEIT

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1 DSD 2 | 2025 EDITORIAL Präsident des Bundesverbandes der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) Alexander Borgschulze Luftsicherheit im Wandel: Herausforderungen und Chancen im internationalen Gefüge – gemeinsam für eine starke Branche Sehr geehrte Leserinnen, sehr geehrter Leser, die diesjährigen Luftsicherheitstage in Berlin standen unter dem Leitthema „Luftsicherheit im internationalen Gefüge“ – ein bewusst weit gefasster Rahmen, der verdeutlicht, wie stark die Luftsicherheitsbranche mit globalen Entwicklungen, politischen Rahmenbedingungen und wirtschaftlichen Realitäten verflochten ist. Der intensive Austausch zeigte eindrucksvoll: Luftsicherheit ist längst keine rein nationale Angelegenheit mehr. Globale Ereignisse, technologische Trends und geopolitische Verschiebungen wirken direkt auf die Sicherheitsanforderungen und operativen Abläufe an Flughäfen. Rund 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Deutschland – Vertreterinnen und Vertreter von Behörden, Flughäfen, Dienstleistern und weiteren relevanten Akteuren – machten deutlich, wie groß das gemeinsame Interesse an der Weiterentwicklung der Luftsicherheit ist. Die starke Beteiligung unterstreicht nicht nur das Engagement der Branche, sondern auch ihren Willen zur aktiven Mitgestaltung einer modernen Sicherheitsarchitektur im Luftverkehr. Nach mehreren herausfordernden Jahren ist 2024 für die Branche ein Jahr der Konsolidierung und Stabilisierung geworden. Die pandemiebedingten Belastungen sowie strukturelle Engpässe konnten zunehmend überwunden werden. Die Dienstleister im Bereich der Luftsicherheitskontrollen haben ihre Leistungsfähigkeit spürbar gesteigert. An zahlreichen deutschen Flughäfen ist es gelungen, ein konstant hohes Niveau in der Durchführung von Kontrollen zu erreichen – selbst in stark frequentierten Spitzenzeiten wie Ferien oder Großveranstaltungen. Insbesondere in den sensiblen Bereichen wie der Personal- und Warenkontrolle zeigt sich eine erfreuliche Qualitätsentwicklung. Diese positive Entwicklung ist vor allem dem hohen Engagement der Sicherheitsdienstleister zu verdanken, die trotz schwieriger Rahmenbedingungen konsequent an ihrer Professionalisierung gearbeitet haben und ein starkes Qualitätsverständnis leben. Auch strukturell verändert sich die Branche: Mit der schrittweisen Übernahme der Organisation von Luftsicherheitskontrollen durch die Flughafenbetreiber – wie bereits in Frankfurt, Berlin oder Köln/Bonn realisiert – wird ein zukunftsweisendes Modell erprobt. Dieses Modell bietet die Chance, Abläufe direkt vor Ort effizienter zu gestalten, operative Entscheidungswege zu verkürzen und die Prozesse näher an den tatsächlichen Bedarfen auszurichten – unter Wahrung der hoheitlichen Aufsicht durch die Bundespolizei. Innovationskraft zeigt sich auch in der Weiterentwicklung der Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mit der geplanten „IHK-geprüften Fachkraft Luftsicherheit“ würden wir einen Meilenstein setzen: Ein zertifizierter Lehrgang soll Fachwissen, Praxistraining und soziale Kompetenzen vereinen – und damit nicht nur die Qualität der Arbeit weiter erhöhen, sondern auch das Berufsbild attraktiver und sichtbarer machen. Natürlich bleibt die wirtschaftliche Lage im Luftverkehr eine Herausforderung – egal ob Airlines, Flughäfen oder Dienstleister - die Unternehmen stehen vor großen Aufgaben. Doch die Branche ist im Dialog mit den zuständigen Stellen und zeigt sich entschlossen, gemeinsam nachhaltige Lösungen zu finden. Die Luftsicherheitswirtschaft ist bereit, Verantwortung zu übernehmen: für die Beschäftigten, für den reibungslosen Betrieb der Flughäfen und für die Sicherheit der Reisenden. Mit engagierten Partnern, innovativen Konzepten und einem klaren Blick auf Qualität und Zusammenarbeit stellt sie die Weichen für eine stabile und starke Zukunft – national wie international. Ihr Alexander Borgschulze Bild: # 1314724689 / istockphoto.com

2 DSD 2 | 2025 Editorial 1 • Alexander Borgschulze: Luftsicherheit im Wandel: Herausforderungen und Chancen im internationalen Gefüge – gemeinsam für eine starke Branche 1 Luftsicherheit 3 • Silke Zöller: Luftsicherheitstage 2025 – Luftsicherheit im internationalen Gefüge 3 • Dr. Joachim Lang: Zivile Luftfahrt unter Druck: Sicherheitsrisiken im globalen Luftraum 7 • Alexander Laukenmann: Die Neue Welt am Flughafen Frankfurt – Partnerschaft als Basis für den Erfolg 9 • Holger F. Alisch: Bedrohungen für die Sicherheit des Luftverkehrs 11 • Prof. Dr. Stefan Sell: Die Luftsicherheit und der Arbeitsmarkt 13 • Wolfang Stöckel: Hoheitliche Aufgabe Flugsicherheitsbegleitung 15 • Nina Herold und Tobias Soppart: Erfolgreiche Zwischenbilanz am Flughafen Hannover-Langenhagen 17 • Marc Jobelius: Luftfracht – Compliance versus Security 19 • Frequentis: technologische Innovationen im Luftverkehrsmanagement 21 Who is Who der Luftsicherheit 22 Wirtschaft und Politik 29 • Reinhard Rupprecht: Sicherheitsstrategie der Bundesregierung 29 • RA Dr. Berthold Stoppelkamp: Leitlinien der Zusammen- arbeit der Initiative Wirtschaftsschutz modifiziert 32 Kritische Infrastruktur (KRITIS) 34 • Dr. Daniela Lesmeister: Das Rückgrat unseres Alltags 34 • Im Gespräch mit Peter Lauwe: Die Lebensadern der Gesellschaft 36 Inhalt Einsatz von Drohnen in der Sicherheitswirtschaft 39 • Andreas Albrecht: Drohnen im Spannungsfeld zwischen Innovation und Bedrohung 39 Gesundheitsschutz 41 • Sandra Sommer: Psychische Belastungen im Dienst: Wenn der Einsatz haften bleibt 41 Wirtschaftsschutz 44 • Holger Köster: Unsichtbar – und doch hochgefährlich 44 • Andreas Albrecht: Hybride Angriffe im Fadenkreuz: Wenn Wahrheit zur Waffe wird 45 • RA Dr. Berthold Stoppelkamp: Analysen und Hilfestellungen zum Wirtschaftsschutz 47 BDSW Jahresmitgliederversammlung 48 • „Quo vadis Deutschland als Wirtschaftsstandort“ 48 • Private Sicherheitswirtschaft: Präsidiumswahl – Werner Landstorfer ist neuer BDSW-Präsident 49 • BDSW zeichnet herausragende Leistungen mit dem Mitarbeiterpreis 2024 aus 51 Bericht aus Berlin 53 • RA Dr. Berthold Stoppelkamp: Koalitionsvertrag: viele Formelkompromisse – aber jetzt endlich loslegen 53 Europa 57 • Alexander Frank: EU-Vergaberecht: CoESS engagiert sich im Überarbeitungsprozess 57 Recht 59 • RAin Cornelia Okpara: Arbeitsrecht in Kürze 59 Vergaberecht 61 • RA Alexander Nette: Referenzen über „vergleichbare“ Leistungen? 61 Intern 63 Impressum 66 Sicherheit von A bis Z 67 Das Letzte Wort 72 • RAin Cornelia Okpara: Abschied und Neuanfang 72 Anmerkung der Redaktion: Zur leichteren Lesbarkeit wurde auf zusätzliche Bezeichnungen in weiblicher Form verzichtet und nur die männliche Form verwendet. Angesprochen sind natürlich alle Geschlechter. 34 49 3 Bild: # 1652511983 / istockphoto.com

3 DSD 2 | 2025 Luftsicherheitstage 2025 Luftsicherheit im internationalen Gefüge Von Silke Zöller LUFTSICHERHEIT Die diesjährigen Luftsicherheitstage fanden am 19. und 20. März 2025 in Schönefeld in unmittelbarer Nähe zum Hauptstadtflughafen BER statt. Die gemeinsam vom Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) und dem Bundespolizeipräsidium Potsdam organisierte Veranstaltung bot zum nunmehr 14. Mal über 300 Fachleuten aus der Luftverkehrswirtschaft, der Sicherheitsbranche, der Wissenschaft sowie der Politik und aus Behörden eine hochkarätige Plattform zum Austausch über die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen der Luftsicherheit. Peter Beiderwieden, Vizepräsident beim Bundespolizeipräsidium, und BDLS-Präsident Alexander Borgschulze eröffneten die Konferenz mit eindringlichen Appellen zur nationalen, aber auch internationalen Zusammenarbeit für den Luftverkehr. Peter Beiderwieden appellierte zu Beginn des ersten Veranstaltungstags daran, nicht zu vergessen, dass Deutschland ohne Zweifel einen hohen Sicherheitsstandard habe, der internationale Luftverkehr aber weiterhin einer erhöhten Gefährdung unterliege. Aus diesem Grund müsse Deutschland innerhalb des internationalen Gefüges, aber insbesondere auch im eigenen Land, fortwährend gemeinsam mit den anderen Ländern sowie den beteiligten Akteuren am Erhalt des hohen Standards arbeiten. Die werde gemacht und man sei sich der Bedeutung sehr bewusst. BDLS-Präsident Alexander Borgschulze verwies zunächst darauf, dass die Akteure der deutschen Luftsicherheit, nach einigen aufreibenden Jahren, wieder etwas gelassener sein können, da es die Dienstleister vor allem im vergangenen Jahr geschafft haben, die Leistungserfüllung an allen Flughäfen zu stabilisieren, und die Qualität der Dienstleistungserbringung somit wieder überzeugen könne. Dem Tagungsmotto folgend machte er aber deutlich, dass man die Branche nicht einzeln betrachten könne. Jeder einzelne Aspekt – von der allgemeinen Sicherheitslage über zunehmende Risiken in den Bereichen Cyberkriminalität und terroristischer Bedrohungen, aber auch die immer weiter steigenden Kosten für den Luftverkehr – müsse als Teil eines großen Ganzen gesehen und als solcher verstanden werden. Das nationale und auch internationale Gefüge ist für die deutsche Luftsicherheit deshalb maßgeblich. Diese umfassen neben den nationalen politischen Herausforderungen, die nicht kleiner zu werden scheinen, die weiterhin sehr angespannte geopolitische Situation, die sich – beispielsweise durch die steten Entscheidungswechsel des US-Präsidenten – tagtäglich verändert. Leiterin Verbandskommunikation/Pressesprecherin des Bundes- verbandes der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) Silke Zöller Thorsten Bartel, Bundespolizeipräsidium Peter Beiderwieden, Bundespolizeipräsidium

4 DSD 2 | 2025 LUFTSICHERHEIT Auf diese geopolitischen Aspekte und deren Auswirkungen auf den deutschen Luftverkehr gingen die Referenten in eindrucksvollen Vorträgen ein. Das Konferenzprogramm bot auch 2025 eine breite Palette an Vorträgen und Diskussionen mit namhaften Experten aus verschiedenen Branchensegmenten. Sicherheitslage und geopolitische Herausforderungen Generalmajor Dag Baehr, Vizepräsident des Bundesnachrichtendienstes, sprach über hybride Bedrohungen für den Luftverkehr aus Sicht des Bundesnachrichtendienstes. Er erläuterte die zunehmende Relevanz hybrider Bedrohungen für den Luftverkehr und dass dieser als Teil der Kritischen Infrastrukturen (KRITIS) besonders anfällig für verdeckte Einflussnahmen sei. Generalmajor Baehr unterstrich die Notwendigkeit eines umfassenden Ansatzes, der sowohl präventive Maßnahmen als auch die Sensibilisierung umfasst. Nur durch ein gemeinsames Vorgehen könne die Sicherheit des Luftverkehrs und anderer Kritischer Infrastrukturen gewährleistet werden. Dr. Benedikt Franke, CEO der Münchner Sicherheitskonferenz, stellte den Konferenzteilnehmern eindrücklich die aktuellen vielfältigen geopolitischen Herausforderungen und deren Auswirkungen auf die Luftsicherheit vor. Zur Gefahr durch terroristische Bedrohungen für die Sicherheit des Luftverkehrs referierte Holger Alisch, Dozent für Sicherheitspolitik an der Hochschule des Bundes, Fachbereich Bundespolizei. Er stellte an Beispielen dar, wie diese Bedrohung sich im Laufe der Zeit entwickelt und an die Entwicklungen im Luftverkehr angepasst hat. Polizeidirektor Wolfgang Stöckel, Leiter Besondere Schutzaufgaben Luftverkehr der Bundespolizei, stellte im Nachgang dann die u. a. daraus folgende hoheitliche Aufgabe der Flugsicherheitsbegleitung – allgemein als Air Marshal bekannt – vor. Generalmajor Dag Baehr, Bundesnachrichtendienst Prof. Dr. Sabina Jeschke, KI PARK e. V. Marc Jobelius, Bouché Air & Sea GmbH Alexander Laukenmann, Fraport AG Leitender Polizeidirektor Thomas Mania, Bundespolizeipräsidium Alexander Borgschulze, Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen

5 DSD 2 | 2025 LUFTSICHERHEIT Technologie und Innovation Abschluss des ersten Veranstaltungstages war der beeindruckende Vortrag von Prof. Dr. Sabina Jeschke, Vorsitzende des Vorstands des KI PARK e. V., die Künstliche Intelligenz als Gamechanger präsentierte. Sie nahm die Teilnehmer mit in eine Welt von Algorithmen und Netzwerktechnologien, Quantum Computing bis in vollständig virtuelle Welten und wie sich all dies auch auf die Luftsicherheit auswirken wird. Den zweiten Veranstaltungstag eröffnete der Vortrag„Luftsicherheit und die Chancen internationaler Zusammenarbeit aus der Sicht des Bundesministeriums des Innern und für Heimat“ von Isabel Schmitt-Falckenberg, Abteilungsleiterin B des Bundesministeriums des Innern und für Heimat. Praxisorientierte Einblicke Der weitere Tag stand dann ganz im Zeichen praxisorientierter Themen: Compliance versus Security: Dieser Herausforderung widmete sich, am Beispiel der Luftfracht, Marc Jobelius, Geschäftsführer der Bouché Air & Sea GmbH sowie Vorstandsmitglied der FASAG Federal Aviation Security Association of Germany – Bundesverband für Luftsicherheit e. V. Der Arbeitsmarkt und die Personalentwicklung sowie die aktuellen Herausforderungen der Personalgewinnung und -qualifikation wurden durch Prof. Dr. Stefan Sell von der Hochschule Koblenz vorgestellt. Dem großenThemenblock„Die NeueWelt“ widmete sich dann Alexander Laukenmann von der Fraport AG, der den wichtigen Faktor „Partnerschaft“ als Basis des Erfolgs der„Neuen Welt am Flughafen Frankfurt“ herausstellte. Und auch die Kontrollstelle der Zukunft Dr. Benedikt Franke, Munich Security Conference Isabel Schmitt-Falckenberg, Bundesministerium des Innern und für Heimat Anzeige

6 DSD 2 | 2025 LUFTSICHERHEIT Ein besonderer Dank geht in diesem Jahr an die Sponsoren GATE Aviation, SECURITAS AVIATION, Fraport AG und FraSec Aviation Security für die Unterstützung der Veranstaltung. Weitere Impressionen der Luftsicherheitstage finden Sie unter bekam einen Platz im Rahmen der Veranstaltung. Thorsten Bartelt von der Forschungs- und Erprobungsstelle des Bundespolizeipräsidiums zeigte neue Technologien und Konzepte für effizientere Sicherheitskontrollen an Flughäfen. Der mit dem technischen Aspekt und deren Weiterentwicklung eng verbundenen Weiterentwicklung der Qualifizierung von Beschäftigten nahmen sich Tobias Soppart (Securitas Aviation Service GmbH & Co. KG) und Nina Herold (Bundespolizeipräsidium) an, die ein Pilotprojekt zur Qualifikation von Luftsicherheitskontrollpersonal vorstellten. Hierbei handelt es sich um ein innovatives Stufenmodell, das die bisherige Qualifikation von Luftsicherheitskontrollkräften optimieren soll. Luftsicherheit als Gemeinschaftsaufgabe Die 14. Luftsicherheitstage verdeutlichten einmal mehr, dass Luftsicherheit eine Gemeinschaftsaufgabe ist, die eine enge Zusammenarbeit zwischen Behörden, Sicherheitsunternehmen, Forschungseinrichtungen und der Luftverkehrswirtschaft erfordert. BDLS-Präsident Borgschulze zog eine positive Bilanz, in der sich herausstellte, dass die Luftsicherheitstage erneut bewiesen haben, dass der persönliche Austausch und die enge Kooperation zwischen allen Akteuren der Branche unerlässlich sind, um auf die dynamischen Bedrohungslagen adäquat reagieren zu können. Deutschland kann und muss im internationalen Vergleich ein maßgeblicher Player sein – diese Position müsse durch Innovation, Know-how und enge Partnerschaften weiter gestärkt werden. Mit einer Vielzahl an Impulsen und neuen Ideen für die Weiterentwicklung der Luftsicherheit gingen die Luftsicherheitstage 2025 erfolgreich zu Ende. Prof. Dr. Stefan Sell, Hochschule Koblenz Polizeirätin Nina Herold, Bundespolizeipräsidium (links) und Tobias Soppart, Securitas Aviation Service GmbH & Co. KG Polizeidirektor Wolfgang Stöckel, Bundespolizei

7 DSD 2 | 2025 LUFTSICHERHEIT Zivile Luftfahrt unter Druck: Sicherheitsrisiken im globalen Luftraum Geopolitische Spannungen, Luftraumsperrungen und elektronische Störungen als sicherheitsrelevante Herausforderungen für die Luftfahrtbranche Von Dr. Joachim Lang Die internationale Luftfahrt steht angesichts wachsender geopolitischer Konflikte und sicherheitspolitischer Instabilitäten unter zunehmendem Druck. Während das globale Passagieraufkommen nach der COVID-19-Pandemie wieder ansteigt, verschärfen sich gleichzeitig die Risiken im zivilen Luftverkehr. Insbesondere die Entwicklungen in Osteuropa und dem Nahen Osten führen zu einer signifikanten Einschränkung der nutzbaren Flugkorridore, erhöhen die Betriebskosten, verlängern die Flugzeiten und stellen neue Herausforderungen im Bereich der Luftsicherheit dar. Ein exemplarisches Ereignis war der Absturz einer Maschine der aserbaidschanischen Fluggesellschaft „Azerbaijan Airlines“ über dem Kaspischen Meer. In westlichen Sicherheitskreisen besteht der Verdacht, dass ein russischer Flugabwehrraketen-Fehlschuss zum Unglück führte. Unfälle dieser Art verdeutlichen die wachsende Relevanz von Risiko- und Bedrohungsanalysen für den zivilen Luftverkehr – insbesondere in geopolitisch angespannten Regionen. Luftverkehr in Krisenregionen Osteuropa: Umwege über geopolitisches Terrain Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat direkte Auswirkungen auf den internationalen Luftverkehr. Seit Februar 2022 sind der ukrainische Luftraum vollständig und der russische Luftraum für europäische Airlines größtenteils gesperrt. Die daraus resultierenden Routenverlagerungen betreffen insbesondere Flüge zwischen Europa und Asien. Strecken, die zuvor auf direktem Weg über Russland führten, müssen heute aufwendige Umwege über das Kaspische Meer, die Türkei und Georgien nehmen. Dies verlängert die Flugzeiten teils um mehrere Stunden und verursacht zusätzliche Kosten – insbesondere im Bereich Treibstoff und Crewplanung. Während westliche Fluggesellschaften zur Einhaltung der Sanktionen gezwungen sind, nutzen chinesische und andere nicht westliche Airlines weiterhin russischen Luftraum. Dies führt zu einem Ungleichgewicht im internationalen Wettbewerb, insbesondere auf den lukrativen Langstreckenmärkten. Naher Osten: Sicherheitslage bleibt volatil Die Region des Nahen Ostens bleibt geopolitisch volatil. Der Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 führte zu einem temporären Aussetzen zahlreicher Flugverbindungen in die Region. Zwar wurden mit dem unter Vermittlung der USA vereinbarten Waffenstillstand erste Flüge deutscher Airlines nach Tel Aviv wieder aufgenommen, jedoch bleibt die Sicherheitslage fragil. Der Luftverkehr über und in Länder wie den Libanon, Syrien oder Iran ist weiterhin mit erheblichen Risiken verbunden. Hinzu kommt eine zunehmende Bedrohung durch militärische Angriffe auf kritische Infrastrukturen – kürzlich schlug eine ballistische Rakete der Houthi Miliz auf dem Gelände des Flughafens Ben Gurion in Israel ein. Zudem haben die Aktivitäten der Houthi im Jemen auch Auswirkungen auf Flugrouten im südlichen Roten Meer. Elektronische Angriffe: Jamming und Spoofing im Fokus Ein wachsendes sicherheitsrelevantes Problem stellen gezielte elektronische Störungen dar. Dabei sind insbesondere Jamming (Störung von GNSS-Signalen) und Spoofing (Manipulation der Positionsdaten durch gefälschte Satellitensignale) in den Fokus gerückt. In unmittelbarer Nähe zu militärisch aktiven Regionen wie Kaliningrad, der Ostukraine oder Regionen des Nahen Ostens wurden zuletzt vermehrt solche Angriffe festgestellt. Zahlreiche Airlines berichten von GPS-Ausfällen oder unplausiblen Navigationsdaten, teilweise in Höhen über FL300. Dies betrifft sowohl zivile Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft e. V. (BDL) www.bdl.aero Dr. Joachim Lang

8 DSD 2 | 2025 als auch militärische Luftfahrzeuge. Die Zunahme solcher Vorfälle zwingt Fluggesellschaften und Flugsicherungsorganisationen dazu, alternative Navigationsverfahren (z. B. Trägheitsnavigation) zu priorisieren und zusätzliche Schulungsmaßnahmen für Crews bereitzustellen. Auch die Implemen- tierung technischer Redundanzen gewinnt an Bedeutung. Die zunehmende Relevanz dieser Thematik wurde auch auf dem diesjährigen Safer Skies Forum der ICAO (Internationale Zivilluftfahrtorganisation) in Marrakesch deutlich. Internationale Sicherheitsexperten und Behördenvertreter diskutierten dort verstärkt über koordinierte Maßnahmen zur Erkennung, Meldung und Abwehr von GNSS-Störungen im zivilen Luftverkehr. Betroffen sind nicht nur Verkehrsflugzeuge, sondern auch Frachtflüge. Ziel ist es, standardisierte Prozesse zur Lageerfassung und Risikobewertung in Echtzeit zu etablieren – insbesondere in grenzüberschreitenden Krisengebieten. Flugzeuge, die ungewollt von dem vorgesehenen Kurs abweichen, riskieren das Eindringen in militärisch sensible Sperrgebiete – mit potenziell schwerwiegenden sicherheitsrelevanten Konsequenzen. Internationale Organisationen wie die ICAO oder die EASA stehen hier vor neuen Anforderungen hinsichtlich Frühwarnsystemen und globaler Bedrohungserfassung. Wirtschaftlicher Druck und sicherheitspolitische Zielkonflikte Neben den sicherheitsrelevanten Herausforderungen sehen sich Fluggesellschaften zunehmend auch wirtschaftlichen Belastungen ausgesetzt. Die Notwendigkeit, längere Strecken zu fliegen und sicherheitsbedingte Mehraufwendungen in Technik und Personal zu leisten, trifft auf ein Umfeld hoher regulatorischer Anforderungen. Die Einführung nachhaltiger Flugkraftstoffe, CO₂- Bepreisung und eine steigende Luft- verkehrssteuer verschärfen den Kostendruck zusätzlich – insbesondere für deutsche und europäische Airlines. Standortnachteile, etwa durch überdurchschnittlich hohe staatliche Standortkosten oder bürokratische Hürden, führen dazu, dass sich einige Airlines strategisch neu orientieren. In mehreren Fällen wurden Standorte nach Osteuropa oder in die Golfregion verlagert. Gleichzeitig bleibt der sicherheitsrelevante Investitionsbedarf (z. B. in Navigationsresilienz, Cyberabwehr und Routenplanung) hoch. In Kombination mit den oben genannten sicherheitspolitischen Risiken ergibt sich für die deutsche Luftverkehrswirtschaft ein zunehmend herausforderndes Wettbewerbsumfeld. Fazit Die aktuelle Lage verdeutlicht, dass die zivile Luftfahrt in einer geopolitisch fragmentierten Welt vor weitreichenden Herausforderungen steht. Sicherheitsrisiken durch militärische Konflikte, elektronische Störangriffe sowie die Einschränkungen durch politische Maßnahmen erfordern ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit. Für Sicherheitsverantwortliche und Entscheidungsträger in der Luftfahrtbranche bedeutet dies, verstärkt in Risikoanalysen, Navigationsresilienz und internationale Zusammenarbeit zu investieren. Zugleich ist die Politik gefordert, regulatorische Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Luftsicherheit, wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit in Einklang gebracht werden können. In diesem Zusammenhang fordern Fachverbände und Betreiber eine stärkere finanzielle Beteiligung des Bundes an den Kosten der Luftsicherheit. Während in anderen europäischen Staaten staatliche Stellen zum Beispiel teilweise oder vollständig für Sicherheitskontrollen, Infrastrukturüberwachung und Personal aufkommen, tragen deutsche Airlines und Flughäfen den Großteil dieser Ausgaben eigenständig. Eine strukturelle Entlastung durch eine Beteiligung der öffentlichen Hand wäre nicht nur ein Beitrag zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts, sondern auch zur Aufrechterhaltung hoher Sicherheitsstandards in einem zunehmend angespannten globalen Umfeld. LUFTSICHERHEIT Vielen Dank an die Aussteller Auch 2025 zeigten im Rahmen der Luftsicherheitstage Aussteller interessante Produkte und Dienstleistungen. Anzeige

9 DSD 2 | 2025 LUFTSICHERHEIT Die Neue Welt am Flughafen Frankfurt – Partnerschaft als Basis für den Erfolg Von Alexander Laukenmann Der Flughafen Frankfurt zählt nicht nur zu den wichtigsten Luftverkehrsdrehkreuzen Europas – er steht heute auch exemplarisch für Wandel, Innovationskraft und partnerschaftliche Steuerung auf höchstem Niveau. Die vergangenen Jahre waren für uns bei Fraport geprägt von einem tiefgreifenden Veränderungsprozess, der nur durch enge Zusammenarbeit mit allen relevanten Akteuren möglich wurde. Im Zentrum steht dabei ein gemeinsames Ziel: die Schaffung eines effizienten, sicheren und passagierfreundlichen Flughafens – heute und in Zukunft. Die Grundlage unseres Erfolgs ist eine neue, gelebte Form der Partnerschaft – mit der Bundespolizei, den Sicherheitsdienstleistern, aber auch im Austausch mit anderen Flughäfen. Gemeinsam haben wir eine neue Kultur der Kommunikation und des Vertrauens etabliert, in der Synergien nicht nur erkannt, sondern gezielt gefördert werden. Besonders hervorzuheben ist die intensive Zusammenarbeit mit drei Luftsicherheitsdienstleistern, die in den vergangenen zwei Jahren systematisch aufgebaut wurde. Diese Partnerschaft lebt von klaren Verantwortlichkeiten, regelmäßiger Abstimmung und einem gemeinsamen Verständnis für Qualität und Effizienz. Wir sehen in diesen Kooperationen mehr als nur vertragliche Beziehungen – sie sind ein Ausdruck gegenseitiger Verlässlichkeit und gemeinsamer Zielverfolgung. Dadurch entsteht ein Umfeld, in dem auch herausfordernde Situationen gemeinsam gemeistert werden können. Im Rahmen unserer Neuausrichtung haben wir die operative Steuerung der Luftsicherheit grundlegend modernisiert. Eine integrative Leitstelle fungiert als zentrale 24/7-Steuerungsinstanz und ist eng verzahnt mit den Disponenten der Sicherheitsdienstleister. Durch kontinuierliches KPI-Monitoring und losübergreifende Steuerung sorgen wir für Stabilität und Transparenz in den Abläufen. Die Einführung der Funktion des Terminal Duty Officers – zuständig für die ganzheitliche Koordination terminalbezogener und sicherheitsrelevanter Themen – war dabei ein zentraler Meilenstein. So stellen wir sicher, dass der Flughafenbetrieb auch in Spitzenzeiten zuverlässig funktioniert. Besonders an verkehrsstarken Tagen wie Ferienbeginn oder Großveranstaltungen zeigt sich die Stärke dieses Systems – und die Flexibilität, die es uns erlaubt, schnell und effizient zu reagieren. Ein weiteres zentrales Element der Transformation ist die umfassende Modernisierung unserer KonGeschäftsbereichsleiter des Bereiches Aviation der Fraport AG Alexander Laukenmann Bild: Fraport AG

10 DSD 2 | 2025 trolltechnik. Die Ausstattung aller Hauptprozessstellen mit hochmodernen CT-Geräten im Terminal 1 hat nicht nur das Sicherheitsniveau auf ein neues Level gehoben, sondern auch die Effizienz maßgeblich gesteigert. Die Technologie ermöglicht dank 3D-Rotationsbildern eine präzise und schnellere Kontrolle, wodurch sich Rückstaus reduzieren und der Reisekomfort steigt. Ein besonderes Highlight ist der QPS Walk – ein weltweit erstmals eingesetzter 360°-Durchgangsscanner, der berührungslose Kontrollen im Gehen erlaubt. Dieses System revolutioniert den Kontrollprozess: Es sorgt für unterbrechungsfreie Abläufe, schnellere Durchläufe und eine deutliche Steigerung der Kundenzufriedenheit. Auch Technologien wie Schuhkontrollen ohne Ausziehen unterstreichen unsere Rolle als Innovationsstandort. Solche Ansätze setzen neue Maßstäbe für das Reiseerlebnis. Sie machen den Flughafen nicht nur sicherer, sondern auch intuitiver – ein Ort, an dem Reisende sich willkommen fühlen. Partnerschaft bedeutet für uns nicht nur Zusammenarbeit, sondern auch gezielte Unterstützung. So übernehmen wir beispielsweise Schulungskosten für neue Technologien wie CT, gewähren Bonuszahlungen für hohe Ausbildungsquoten oder schaffen Transparenz durch Formate wie„Mittendrin – Flughafen Frankfurt“. Abschlagszahlungen im Abrechnungsprozess und weitere Anreizsysteme stärken zusätzlich das Vertrauen und die Motivation unserer Partner. Diese Maßnahmen zahlen sich aus – nicht nur in Zahlen, sondern auch im täglichen Miteinander. Die Resultate sprechen eine klare Sprache: 2024 konnten über 90 Prozent der Passagiere innerhalb von zehn Minuten die Sicherheitskontrollen passieren. Wartezeiten von über 30 Minuten wurden im Vergleich zum Vorjahr um über 90 Prozent reduziert. Auch an Spitzentagen und während der Ferienzeiten blieb die Performance auf konstant hohem Niveau. Möglich wurde dies durch die optimale Verzahnung von Technik, Prozessen und engagierten Mitarbeitenden. Jede dieser Zahlen steht für eine positive Erfahrung unserer Passagiere – für einen Moment der Entlastung, der Reisevorfreude, der Verlässlichkeit. Bei aller technologischen Exzellenz bleibt der Mensch im Zentrum unseres Handelns. Denn der maximale Nutzen aus innovativer Technik entsteht nur im Zusammenspiel mit motivierten und gut geschulten Teams. Deshalb investieren wir massiv in Personalentwicklung: Von der gezielten Schulung neuer Abläufe bis hin zur Förderung von Führungsstrukturen – unser Ziel ist es, stabile und resiliente Prozesse zu sichern, die sich flexibel an veränderte Bedingungen anpassen können. Mit der geplanten Inbetriebnahme von Terminal 3 im Jahr 2026 steht die nächste große Etappe bevor. Auch hier setzen wir konsequent auf modernste Sicherheitskontrolltechnik – unter anderem in Zusammenarbeit mit Smiths Detection und Scarabee. Insgesamt entstehen 21 hochmoderne Kontrollspuren der neuesten Generation inklusive ETD- und LEDS-Systemen. Bereits heute erfolgt der kontinuierliche Roll-out neuer Technik nicht nur in Neubauten, sondern auch im Bestand – so stellen wir sicher, dass unser Flughafen Schritt für Schritt noch leistungsfähiger wird. Trotz aller Erfolge sehen wir uns in der Verantwortung, unser hohes Qualitätsniveau nicht nur zu halten, sondern kontinuierlich zu steigern. Interne Audits, enge Zusammenarbeit mit der Bundespolizei und Rückmeldungen aus dem operativen Betrieb helfen uns, Optimierungsmaßnahmen abzuleiten und schnell umzusetzen. Unser Anspruch ist klar: Wir wollen auch künftig Maßstäbe setzen – nicht nur in Deutschland, sondern europaweit. Die „Neue Welt“ am Flughafen Frankfurt steht sinnbildlich für das, was möglich ist, wenn Technologie, Mensch und Partnerschaft in Einklang gebracht werden. Wir bei Fraport sind überzeugt: Nachhaltiger Erfolg entsteht nicht durch Einzelmaßnahmen, sondern durch gemeinsames Handeln, klare Verantwortung und den Mut zur Weiterentwicklung. In diesem Sinne gestalten wir die Zukunft – verlässlich, innovativ und partnerschaftlich. LUFTSICHERHEIT Bild: Fraport AG

11 DSD 2 | 2025 Bedrohungen für die Sicherheit des Luftverkehrs Von Holger F. Alisch LUFTSICHERHEIT Der 11. September 2001 war eine sicherheitspolitische Zäsur von erheblicher Tragweite. Aus der Sicht eines Terroristen ist„9/11“ aber nach wie vor der„Goldstandard“ für einen erfolgreichen Anschlag; noch folgenreicher als das Selbstmordattentat von Beirut vom Oktober 19831 oder der Angriff auf das Musik- und Konzertzentrum Bataclan in Paris im Jahr 2015. Nicht nur die große Zahl von Opfern in New York und Washington, sondern auch die symbolische Zielauswahl und die Strategien der multimedialen „Vermarktung“ machten aus dem bis dahin nur Eingeweihten bekannten Terrorfürsten Osama bin Laden und seiner Basisorganisation („Al-Qaida“) einen weltweit von Dschihadisten gefeierten Mann und eine gefürchtete Terrorgruppe. 1 Vgl. https://www.defense.gov/News/News-Stories/Article/article/3566652/us-remembers-service-members-killed-in-beirutbombings-40-years-ago/ (Aufruf vom 24.04.2025). 2 Was nicht bedeutet, dass der „Märtyrergedanke“ der jüdisch-christlichen Gedankenwelt vollkommen unbekannt wäre. Vgl. Frank D. Stolt, Selbstmordattentäter – Lebende Bomben. Erkennung und Prävention unter Einbeziehung der Rationalität der Akteure, SIAK Journal – Zeitschrift für Polizeiwissenschaft, Nr. 3/2013, S. 82. 3 Vgl. The New York Times, Why Airline Hijackings became relatively rare: https://www. nytimes.com/2016/03/30/world/middle east/airline-hijacking-history.html (Aufruf vom 24.04.2025). Neben dem Anknüpfen an 9/11 bieten sowohl Passagierflugzeuge als auch Flughäfen zahlreiche Gründe, um als Angriffsziele in Betracht zu kommen. Schon die gewollt gute Verkehrsanbindung von Flugplätzen und die erhebliche Zahl von Pendlern, Touristen und Angestellten sind ein starker Ansporn für Terrorgruppen, der durch die Option der Demütigung von Sicherheitskräften, die das Anschlagsziel im Erfolgsfall nicht schützen konnten, noch gesteigert wird. Die Anschläge auf den Flughafen Moskau aus dem Jahr 2011 sowie die Angriffe auf die Flughäfen von Brüssel und Istanbul aus 2016 haben besonders die Gemeinsamkeit, dass Selbstmordattentäter zum Einsatz kamen, deren Wesen der westlichen Perspektive, die das Leben des Einzelnen als schützenswert, ja als Mittelpunkt des ganzen politischen Denkens betrachtet, diametral entgegengesetzt ist.2 Rein zahlenmäßig liegt die Hochzeit von Attacken besonders auf den fliegenden Luftverkehr schon länger zurück. Die 70er- bis 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts waren, bei bedeutend niedrigeren Sicherheitsvorkehrungen, von häufigen Entführungen geprägt.3 Die Bedrohungslage durch den transnationalen Terrorismus ist jedoch weiter hoch. Aus den Gefährdereinschätzungen und vor der Generalbundesanwaltschaft laufenden Ermittlungsverfahren geht vor allem die Dominanz des islamistischen Spektrums im Hinblick auf die mögliche Begehung von Gewalttaten hervor. Auch rechts- und linksextreme Vereinigungen haben sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten als herausfordernd erwiesen. Mit großem Abstand ist aber der islamistische Terrorismus unter den politisch motivierten Bewegungen derjenige, von dem die größte Gefahr für Terrorakte im Allgemeinen und Angriffe auf den Luftverkehr im Besonderen ausgeht. Alle extremistischen Spektren sind in den letzten zehn Jahren angewachsen, was ein untrügliches Zeichen für die zunehmende Polarisierung unserer Gesellschaft darstellt. In allen Bereichen ist eine zunehmende Gewaltbereitschaft bis hin zur zumindest billigenden Inkaufnahme von Todesfällen zu beobachten. Für den festgestellten Rückgang an Angriffen auf den Luftverkehr gibt es einige Gründe: nicht nur Sicherheitsvorkehrungen an den Flughäfen in der ganzen Welt oder technische Veränderungen. Besonders die bekannten Terrornetzwerke, Al-Qaida und der sog.„Islamische Staat“ sind durch die westlichen Verbündeten massiv unter Druck geraten. Ihre dezentralisierte Funktionsweise, Organisation in einzelne unabhängige Zellen und die Vorteile aus dem Zurückweichen in den Untergrund machen aber diesen „Global War on Terror“ zu einem zweischneidigen Schwert. So hat die Zerschlagung des „Kalifates“ im Irak und Syrien auch Sympathisanten des Islamismus in alle Welt verstreut und mit der Erbitterung beabsichtigter Revanche erfüllt. Die Sicherheitsbehörden sind hier auf gleich zwei Arten herausgefordert: Zum einen besteht die Problematik, dass bei Personen die selbst keinerlei aktive Kontakte zur radikalen Szene pflegen, auch nichts im Vorfeld ausermittelt werden kann. BevorDozent für Sicherheitspolitik an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Fachbereich Bundespolizei Holger F. Alisch

12 DSD 2 | 2025 stehende Angriffe lassen sich also schwerer ausmachen, wenn es um rein passive Konsumenten von Agitationspropaganda geht. Zum anderen werden auch Gegenstände des alltäglichen Gebrauches als Waffen und Wirkmittel missbraucht. Vom Küchenmesser bis zum Pkw lassen sich solche Instrumente auch tödlich einsetzen. Sie sind nicht effektiv zu regulieren.4 Da sich die fatalistische Schlussfolgerung eines lapidaren „völlige Sicherheit kann es nie geben“ für die Sicherheitsbehörden eines Schutzpflichten erfüllenden Rechtsstaates verbietet, bleibt daher nur die strenge Anwendung der im Luftsicherheitsgesetz vorgeschriebenen Sicherheitsüberprüfungen, die weitere Wachsamkeit der eingesetzten Beamten im Verfassungsschutz oder der Bundespolizei und das richtige Austarieren einer Balance zwischen den notwendigen Überwachungsmaßnahmen zur Prävention, die mit dem liberal-individualistischen und den Staat beschränkenden Anspruch einer freiheitlichen Gesellschaft in Einklang gebracht werden müssen. Mehrere Entwicklungen seit dem Ende des letzten Kalten Krieges haben die Gefahren des Terrors weiter gesteigert. Zunächst ist der Staatszerfall zu einem flächendeckenden Phänomen geworden. Schwache Staaten, in denen nur noch Inseln von Stabilität existieren, sind anfällig für Terror und Organisierte Kriminalität. Im Nahen Osten wurden zudem seit 2011 im Rahmen des sog. „Arabischen Frühlings“ eine Reihe von Nationalstaaten weiter destabilisiert. Das Machtvakuum durch diese kombinierten Faktoren in der Region geht mit techni4 Dementsprechend kann der Erwerb eines Küchenmessers oder das Anmieten eines Kraftfahrzeuges auch nicht als strafbare Vorbereitungshandlung gewertet werden. Vgl. https://www.lto.de/recht/ nachrichten/n/aschaffenburg-magdeburg-gentesstgb-strafbarkeit-terrorismus (Aufruf vom 24.04.2025). 5 Dieser Nexus (von OK, Terrorismus und feindlichen Staaten) wurde auch von der Bundesregierung erkannt und in der Nationalen Sicherheitsstrategie thematisiert. Vgl. https://www.bmvg.de/ de/themen/sicherheitspolitik/hybride-bedrohungen (Aufruf vom 24.04.2025). schen Neuerungen einher, die den traditionellen Vorteil des Staates und seiner Sicherheitskräfte gegenüber substaatlichen Akteuren weitestgehend nivelliert haben. Kleine Vereinigungen von politisch motivierten Kriminellen können, etwas Geld und Sachverstand vorausgesetzt, die Mittel der technologischen Moderne nutzen, um dem Staat und seinen Organen nicht nur ebenbürtig, sondern in Bezug auf Anpassungsfähigkeit sogar voraus zu sein. Ein Novum in der Geschichte der westfälischen Staatenwelt seit dem 17. Jahrhundert. Die großen Herausforderungen für die Sicherheit der westlichen Welt sind transnational. Dies gilt für mächtige kriminelle Organisationen wie für den globalen Terrorismus. Grenzen stellen für gut organisierte Akteure kaum ein Hindernis dar. Trotz aller Versuche der Verbesserung der grenzüberschreitenden Strafverfolgung sind Grenzen im 21. Jahrhundert, wenn überhaupt, eine Herausforderung für unsere Polizeien, da bei aller Zusammenarbeit Sprachbarrieren, unterschiedliche Prioritäten und bürokratische Hemmnisse der Bekämpfung dieser Entwicklungen entgegenstehen. Viele der Probleme sind auch hybrider Natur. Kategorien wie Krimineller, Terrorist oder Staat verlieren an Bedeutung. Auf der einen Seite macht das die Akteure weniger berechenbar. Zum anderen können die Gegner ganz andere Ressourcen mobilisieren als die Terroristen der 1970er-Jahre. Grund dafür ist die staatsähnliche Akteursqualität von Gruppen wie HAMAS oder Hisbollah, wie auch die teils durch Schwäche und Unterwanderung verursachte Verwicklung von autoritären oder dysfunktionalen Staaten, man denke etwa an die„Narcostaaten“ Lateinamerikas.5 Demzufolge muss festgehalten werden, dass sowohl transnationale Organisierte Kriminalität als auch der globale Terrorismus von den technologischen und informationellen Veränderungen der letzten Jahrzehnte massiv profitiert haben. Sie stellen somit quasi die Schattenseite der sonst von Wohlstandssteigerungen geprägten Globalisierung dar. LUFTSICHERHEIT Bild: # 501847182 / istockphoto.com

13 DSD 2 | 2025 LUFTSICHERHEIT Die Luftsicherheit und der Arbeitsmarkt Von Prof. Dr. Stefan Sell Am Anfang muss ein Blick von oben auf aktuelle und grundsätzliche Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt stehen. In den vergangenen Jahren sind wir mit einer kurzen pandemiebedingten Unterbrechung von einem Rekord zum anderen geeilt. Tatsächlich waren noch nie so viele Menschen wie im Jahr 2024 in Erwerbsarbeit. Gleichzeitig ist die Arbeitslosigkeit deutlich zurückgegangen. Am aktuellen Rand scheint das aber zu kippen – die Zahl der Arbeitslosen beginnt wieder zu steigen und aus dem Bereich der Industrie werden Beschäftigungsverluste gemeldet. Im Jahr 2024 haben wir jeden Monat 12.000 – in der Regel gut bezahlte – Jobs in der Industrie verloren. Gleichzeitig hat die Zahl der offenen Stellen abgenommen. Dennoch klagen viele Unternehmen – auch in der Sicherheitsbranche - über einen Fachkräfte- und teilweise sogar Arbeitskräftemangel. Was auch nicht verwundern kann, denn seit vielen Jahren verlieren wir auf dem deutschen Arbeitsmarkt aufgrund der demografischen Entwicklung jedes Jahr mehrere Hunderttausend Menschen, die altersbedingt mehr die Erwerbsarbeit verlassen als unten Jüngere nachkommen. Nur durch eine steigende Erwerbsbeteiligung der Frauen und der Älteren sowie vor allem durch die Zuwanderung konnte dieser Aderlass bislang ausgeglichen und sogar ein Beschäftigungswachstum ermöglicht werden. Das hat Folgen. Der Arbeitsmarkt ist in vielen Bereichen zu einem Arbeitnehmermarkt geworden, in dem die Arbeitgeber immer mehr Probleme haben, Fachkräfte und überhaupt Arbeitskräfte zu bekommen. Und gerade in der Luftverkehrswirtschaft, insbesondere auch in der Luftsicherheit beim Kontrollpersonal, wird es nach dem Einbruch in der Coronapandemie besonders schwierig, denn diejenigen, die in der Pandemie abgewandert sind, werden nicht oder kaum in das Tätigkeitsfeld zurückkommen, und neue Kräfte zu gewinnen, gestaltet sich problematisch aufgrund der allgemeinen Mangellage – hinzu kommen noch strukturelle Herausforderungen im Bereich der Luftsicherheitstätigkeiten bei der Rekrutierung, Qualifizierung und dem Halten der Mitarbeiter. Wie hat sich die Situation im Tätigkeitsfeld der Luftsicherheitskontrolle verändert? In der Vergangenheit wurde die Tätigkeit in der Sicherheitskontrolle als ein wichtiger Teilbereich im heterogenen Gesamtgefüge der Luftsicherheit in der Regel als ein typisches Beispiel für Arbeit im Niedriglohnsektor wahrgenommen und diskutiert. Die Tariflöhne im Luftsicherheitsgewerbe steigen seit Jahren kontinuierlich und gemessen an der allgemeinen Lohnentwicklung zumeist auch überproportional. In der öffentlichen Wahrnehmung wird dennoch häufig (und immer noch) das Bild von unterbezahlten Beschäftigten in der Luftsicherheit gezeichnet. Ein bedeutender Tarifabschluss wurde 2019 erzielt, bei dem Lohnerhöhungen von jährlich 3,5 bis 9,77 Prozent über drei Jahre vereinbart wurden. Ein weiterer Abschluss im Jahr 2022 führte zu Lohnerhöhungen von bis zu 28,2 Prozent innerhalb von zwei Jahren, wobei die Stundenlöhne für Luftsicherheitsassistenten bis zum 1. April 2023 auf 20,60 Euro angestiegen sind. Arbeitnehmer, die in einem Job als Luftsicherheitsassistent arbeiten, verdienen ein durchschnittliches Jahresgehalt von rund 36.600 Euro und ein Monatsgehalt von 3.050 Euro. Das Einstiegsgehalt liegt etwa bei 38.400 Euro. Die Obergrenze im Beruf Luftsicherheitsassistent liegt bei 40.700 Euro pro Jahr und 3.392 Euro im Monat. Diese Werte für den Medianverdienst gelten für Vollzeitbeschäftigte. Auf der Vermittlungsplattform StepStone gibt es aktuell 843 Stellenanzeigen für den Beruf Luftsicherheitsassistent (Stand: 19. März 2025) Professor für Volkswirtschaftslehre, Sozialpolitik und Sozialwissenschaften an der Hochschule Koblenz Prof. Dr. Stefan Sell

14 DSD 2 | 2025 Bei der Betrachtung des Tätigkeitsfeldes Luftsicherheitskontrolle muss aber (weiterhin) darauf hingewiesen werden, dass es zwei Besonderheiten gibt, die aus einer vergleichenden Sicht mit anderen Arbeitsmarktbereichen durchaus negativ zu Buche schlagen (können): zum einen der hohe Anteil der Befristungen bei der Personalrekrutierung (während gleichzeitig insgesamt gesehen die Befristungen rückläufig sind) und der hohe Anteil der Teilzeitbeschäftigung, der sich auf der einen Seite betriebswirtschaftlich aus Sicht der Unternehmen erklären lässt aufgrund der Auftragsbesonderheiten an den Flughäfen, zum anderen aber bedeutet das natürlich für diejenigen, die auf ein Vollzeiteinkommen angewiesen sind, dass sie ggf. einen Zweitjob an anderer Stelle aufnehmen müssen. Wie könnte/sollte/wird es weitergehen? Diesseits und jenseits des„muddling through“ Hier können nur einige ausgewählte Hinweise zur Diskussion gestellt werden: Zum einen ist es (weiterhin) erforderlich, an der Entwicklung, Etablierung und Pflege von dauerhaften und beschleunigten Zuliefererbeziehungen zwischen der Arbeitsverwaltung und den privaten Sicherheitsunternehmen für den Rekrutierungsprozess zu arbeiten, auch wenn bekanntlich die Wirksamkeit nicht überschätzt werden sollte. Eine nachhaltige Rekrutierung ausländischer Kräfte ist unvermeidlich – zugleich aber nur sinnvoll, wenn das in ein längerfristig angelegtes Integrationskonzept eingebettet ist. Entsprechende Erfahrungen und lösungsorientierte Ansätze kennen wir aus anderen Arbeitsmarktbereichen, man denke hier nur an die Pflege. Ein weiterer Aspekt: Nicht nur Fokussierung auf die Personalgewinnung und das „Onboarding“ sollte im Fokus stehen, sondern man muss eine der größten Schwachstellen in der Branche adressieren, also die Fluktuation und die ausbaufähige Mitarbeiterbindung. Es geht also um eine „Halte-Arbeit“ mit Blick auf das Personal. Von außen betrachtet kann man sagen, dass es im Grunde gute Rahmenbedingungen gibt: Auf dem Markt sehen wir eine sinkende Zahl von Luftsicherheitsdienstleistern an deutschen Flughäfen. Es bildet sich immer mehr eine enge, angebotsoligopolistische Marktstruktur heraus. Damit verbunden ist eine (erwartbare bzw. mögliche) Transformation von einkaufbaren „Stundenlieferanten“ hin zu Systemzulieferern für die Sicherheitsarchitektur der Flughäfen insgesamt wie auch für die Bewältigung der beginnenden und zukünftigen Technisierungsschübe. Das eröffnet grundsätzlich auch Spielräume für notwendige Professionalisierungsschritte im Personalbereich der privaten Sicherheitsunternehmen, denn die setzen Skaleneffekte und auch ausreichend dimensionierte Verbundeffekte voraus (z. B. Weiterentwicklung der punktuellen Personaleinsatzkonzepte und für einen Teil der Beschäftigten die Ermöglichung von Aufwärtsmobilität). Beispiele für ein Jenseits des „muddling through“ Schauen wir auf die Notwendigkeit, das Personal für die Aufgabenbewältigung gemäß §§ 5, 8, 9 und 9a des Luftsicherheitsgesetzes nach einheitlichen Standards und Inhalten aus- bzw. weiterzubilden und zu prüfen/zertifizieren. Warum wird derzeit nach unterschiedlichen Systemen mit unterschiedlichem Aufwand und Methoden unterrichtet sowie abgeprüft und zertifiziert? Dahinter steht auch eine komplexitätssteigernde Fragmentierung der behördlichen Zuständigkeiten und Strukturen (die man an anderer Stelle durch neue Konzepte aufzuweichen versucht). Neben einer betriebswirtschaftlichen Flexibilisierung des Personaleinsatzes (wenigstens in Peak-Zeiten) wäre perspektivisch eine Aufwertung des Tätigkeitsprofils hin zu einem Berufsbild in Annäherung möglich. Oder die Zuverlässigkeitsüberprüfung: Hier sehen wir teilweise mehrere Monate umfassende Verfahrensdauern (vor allem aufgrund der Flaschenhals-Problematik in den vor- bzw. nachgelagerten Bereichen). Was könnte man machen? Beispielsweise einen Schulungsbeginn während des laufenden Verfahrens ermöglichen, um gerade „gute“ Bewerber nicht zu verlieren angesichts der Konkurrenz durch die Arbeitsnachfrage in anderen Bereichen. Das sind nur einige wenige Ansatzpunkte, die einer vertiefenden Diskussion bedürfen. LUFTSICHERHEIT Bild: # 269401332 / stock.adobe.com

15 DSD 2 | 2025 LUFTSICHERHEIT Hoheitliche Aufgabe Flugsicherheitsbegleitung Von Wolfgang Stöckel „Um der hohen Gefährdung des Luftverkehrs zu begegnen, werden an Bord deutscher Luftfahrzeuge speziell ausgebildete Kräfte der Dienststelle Besondere Schutzaufgaben Luftverkehr der Bundespolizei eingesetzt. Sie sollen die Sicherheit aufrechterhalten oder wiederherstellen sowie den Missbrauch eines Flugzeugs als Waffe verhindern.“ So weit, so gut. Ein Text aus dem Jahresbericht der Bundespolizei, welcher eine Aufgabenwahrnehmung eng am entsprechenden Gesetzestext der sachlichen Zuständigkeit erläutert und dabei einen entscheidenden Punkt nahezu beiläufig erwähnt: „(…) Missbrauch eines Flugzeugs als Waffe verhindern (…).“ Wie bitte? Bei der freudigen Vorbereitung des Familienurlaubs in die Karibik bzw. beim täglichen Geschäftsflug von Büro zu Büro macht man sich ja über so manches Gedanken, und sicherlich gehört auch immer eine gesunde Risikoanalyse das Reisemittel Luftfahrzeug betreffend dazu, aber „ein Flugzeug als Waffe“? Ein Gedanke, der bis zum 11. September 2001 um 8:46 Uhr unvorstellbar erschien und seit diesem Zeitpunkt, vor nunmehr 24 Jahren, schnellen Schrittes in Vergessenheit gerät. Im Rahmen der kognitiven Dissonanz vermutlich ein gesundender Verlauf im gesellschaftshistorischen Kollektivgedächtnis; doch mit voranschreitender Konsequenz der damaligen sicherheitspolitischen Naivität einer solchen Anschlagsqualität betreffend bis zum 11. September 2001 um 8:45 Uhr immer ähnlicher. Nach der ersten Analyse um die Geschehnisse des Anschlages 9/11 stellten sich die Sicherheitsbehörden konsequent die Frage, wie man einer solchen, bisher nie dagewesenen Brutalität im Vorgehen von Terroristen freiheitlich rechtsstaatlich entgegentritt. Bisher dagewesene Szenarien des sog.„Hijacking“ in der Geschichte boten bis dahin wenigstens eine zumindest geringe Chance, das Schlimmste durch Verhandlung und Zugriff zu verhindern. Doch stellten die Anschläge auf das World Trade Center, das Pentagon sowie auf ein weiteres Luftfahrzeug im Luftraum von Pennsylvania eine Zäsur bisheriger Annahmen der Luftsicherheit dar und erforderten einen Paradigmenwechsel im antizipierenden Agieren aller beteiligten Behörden und Unternehmen im Rahmen der zivilen Luftfahrt weltweit. Eingliederung Für die Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutschland stand unmittelbar fest, dass eine Sicherheitsbegleitung von deutschen Luftfahrzeugen ab nun unabdingbar sei, doch stellte sich nach Analyse der quantitativen Bedingungen um juristische Möglichkeiten und Grenzen eines solchen Einsatzes auch, oder vor allem, die Frage, welche Qualität, insbesondere im Rahmen der Einschreitkonsequenz, ein solcher Flugsicherheitsbegleiter mitbringen muss. Als Ad-hoc-Maßnahme wurden unmittelbar Polizeivollzugsbeamte der GSG 9 zur Begleitung deutscher Luftfahrzeuge mit einem Auftrag entsandt, welcher bis heute, im § 4a Bundespolizeigesetz (BPolG) manifestiert, Bestand hat: „Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Sicherheit oder Ordnung an Bord deutscher Luftfahrzeuge (…).“ Da eine unmittelbar zur originären sachlichen Zuständigkeit der Bundespolizei gewordene Aufgabe „Flugsicherheitsbegleitung“ für die Ressourcen der GSG 9 eine erhebliche Mehrbelastung darstellte, war die Institutionalisierung einer originären Organisationseinheit nach dem Grundsatz „die Organisation folgt dem Auftrag“ erforderlich und eine Verortung bei der damaligen größten Luftsicherheitsbehörde der Bundespolizei, dem Bundesgrenzschutzamt Frankfurt am Main/Flughafen, im Jahr 2002 folgerichtig. So sachrichtig diese Verortung auch war, so folgerichtig war dann, 15 Jahre später, die Eingliederung dieser Organisationseinheit in den neu gegründeten Organisationsverbund Bundespolizeidirektion 11, welcher aus unmittelbarer Reaktion auf multiple Terroranschläge, insbesondere derer vom 13. November 2015 in Paris, den folgerichtigen Zusammenschluss der Spezialverwendungen und der Spezialeinheit GSG 9 unter dem Dach einer Behörde bündelte, um multilateral auf komplexe Szenarien der terroristischen Schwerstkriminalität präventiv reLeiter der Dienststelle Besondere Schutzaufgaben Luftverkehr der Bundespolizei Wolfgang Stöckel

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