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66 DSD 2 | 2024 VERGABERECHT Eignung und/oder Präqualifizierung? VK Südbayern, Beschluss vom 27. Februar 2024 – 3194.Z3-3_01-23-61 Von Rechtsanwalt Alexander Nette 1. Sachverhalt Der öffentliche Auftraggeber (AG) schreibt Bauleistungen in einem EU-weiten offenen Verfahren aus. In der EU-Bekanntmachung setzt der AG zur Beschreibung der Eignungskriterien einen Hyperlink, der auf das Formblatt 124 des VHB Bayern verweist. Dieses Formblatt trägt – wie das identische Formblatt aus dem VHB Bund – den Titel „Eigenerklärung zur Eignung für nicht präqualifizierte Unternehmen“. Im Verfahren gehen zwei Angebote ein. Ein Bieter weist bereits vor Abschluss der Angebotsprüfung darauf hin, dass der Mitbewerber seines Erachtens die Anforderungen an die Eignung nicht erfüllen kann. Nachdem der AG ihm mitteilt, dass der Mitbewerber für den Zuschlag vorgesehen ist und einer dagegen gerichteten Rüge nicht abhilft, leitet der Bieter ein Nachprüfungsverfahren ein. Nachdem in der mündlichen Verhandlung die Sach- und Rechtslage durch die Vergabekammer (VK) erörtert wird, versetzt der AG das Verfahren in den Stand vor Bekanntmachung zurück. Das Nachprüfungsverfahren vor der VK wird daraufhin mit den Anträgen auf Aufhebung der Rückversetzung und Feststellung einer Rechtsverletzung fortgeführt. 2. Entscheidungsgründe Die VK entscheidet, dass durch Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor Auftragsbekanntmachung das Nachprüfungsverfahren in der Hauptsache erledigt ist. Den Antrag auf Aufhebung der Zurückversetzung weist die VK zurück. Die Zurückversetzung sei wirksam, zur Klarstellung der Eignungsanforderungen notwendig und damit sachlich gerechtfertigt. Zur Begründung führt die VK aus, dass im Vergabeverfahren unklar war, ob und welche Nachweise präqualifizierte Bieter zum Beleg ihrer technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit einzureichen hatten. Die Möglichkeit der Präqualifizierung zum Nachweis der Eignung ist in § 122 Abs. 3 GWB geregelt. Diese Regelung geht zurück auf Art. 64 der Vergaberichtlinie 2014/24/EU. Ihr liegt die Erwägung zugrunde, den Verwaltungsaufwand für Unternehmen zu verringern, der durch die Führung des Eignungsnachweises im Vergabeverfahren entsteht. Die Teilnahme am Präqualifikationssystem soll eine Entlastung der Bieter bei der Beibringung der Eignungsnachweise bezwecken. Sie ersetzt jedoch nicht die Notwendigkeit, vom Auftraggeber konkret aufgestellte Eignungsanforderungen zu erfüllen. Die inhaltlichen Anforderungen an die Eignung stellt der Auftraggeber. Im Hinblick auf diese Anforderungen sind präqualifizierte und nicht präqualifizierte Bieter grundsätzlich gleich zu behandeln. Für alle Bieter sind dieselben Anforderungen zugrunde zu legen. Für präqualifizierte Bieter ergibt sich die Erleichterung, dass sie mit dem Verweis auf die Präqualifikation nicht mehr alle Nachweise einzeln einreichen müssen, wenn diese Nachweise im Präqualifizierungsverfahren bereits beigebracht worden sind. Zudem wird die inhaltliche Richtigkeit der im Präqualifizierungsverfahren hinterlegten Nachweise zugunsten der Bieter vermutet. Dies bedeutet, dass die Präqualifizierung keine Erleichterung im Hinblick auf das Erfüllen von Eignungsanforderungen mit sich bringt, sondern lediglich eine Erleichterung im Hinblick auf die Vorlage von Eignungsnachweisen. Im konkreten Fall hatte der AG auf ein Formblatt verwiesen, das ausdrücklich nur für nicht präqualifizierte Bieter gelten sollte. Deswegen geht die VK in ihrer Entscheidung davon aus, dass für die präqualifizierten Bieter nicht eindeutig erkennbar war, dass die im Formblatt 124 enthaltenen Anforderungen an die Eignung auch von ihnen zu erfüllen waren. Der Erklärungswert der Vergabeunterlagen beurteilt sich grundsätzlich nach den für die Auslegung von Willenserklärungen maßgeblichen Grundsätzen. Kommen nach einer Auslegung von Vergabeunterlagen mehrere Verständnismöglichkeiten in Betracht oder können Unklarheiten oder Widersprüche nicht aufgelöst werden, geht dies zulasten des AG. Den AG trifft insoweit die Verpflichtung, die Vergabeunterlagen klar und eindeutig zu formulieren und Widersprüche zu vermeiden. Nach diesen Grundsätzen durften präqualifizierte Bieter davon NETTE Rechtsanwälte, Recklinghausen, ist Fachanwalt für Vergaberecht, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie Lehrbeauftragter für Vergaberecht und Vertragsmanagement an der Westfälischen Hochschule. Er ist spezialisiert auf die Beratung von Bietern und öffentlichen Auftraggebern in Vergabe- und Nachprüfungsverfahren. RA Alexander Nette, LL.M

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