DER SICHERHEITSDIENST

67 DSD 2 | 2023 RECHT die Beklagte selbst davon ausging, eine Weiterbeschäftigung des Klägers sei ihr nicht zuzumuten, spricht wegen ihres widersprüchlichen Verhaltens eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie dem Kläger kein ernst gemeintes Angebot zu einer Prozessbeschäftigung unterbreitete. Die abweichende Beurteilung durch das Landesarbeitsgericht beruht auf einer nur selektiven Berücksichtigung des Parteivortrags und ist schon deshalb nicht vertretbar. Darüber hinaus lässt die Ablehnung eines solchen „Angebots“ nicht auf einen fehlenden Leistungswillen des Klägers iSd. § 297 BGB schließen. Es käme lediglich in Betracht, dass er sich nach § 11 Nr. 2 KSchG böswillig unterlassenen Verdienst anrechnen lassen müsste. Das schied im Streitfall jedoch aus, weil dem Kläger aufgrund der gegen ihn im Rahmen der Kündigungen erhobenen Vorwürfe und der Herabwürdigung seiner Person eine Prozessbeschäftigung bei der Beklagten nicht zuzumuten war. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger im Kündigungsschutzprozess vorläufige Weiterbeschäftigung beantragt hat. Dieser Antrag war auf die Prozessbeschäftigung nach festgestellter Unwirksamkeit der Kündigungen gerichtet. Nur wenn der Kläger in einem solchen Fall die Weiterbeschäftigung abgelehnt hätte, hätte er sich seinerseits widersprüchlich verhalten. Hier ging es indes um die Weiterbeschäftigung in der Zeit bis zur erstinstanzlichen Entscheidung. Es macht einen Unterschied, ob der Arbeitnehmer trotz der gegen ihn im Rahmen einer verhaltensbedingten Kündigung erhobenen (gravierenden) Vorwürfe weiterarbeiten soll oder er nach erstinstanzlichem Obsiegen im Kündigungsschutzprozess gleichsam„rehabilitiert“ in den Betrieb zurückkehren kann. Streit über den Inhalt eines (unstreitig zugegangenen) Schreibens Thüringer Landesarbeitsgericht, Urteil vom 7. Dezember 2022, AZ: 4 Sa 123/21 Weist eine Partei den Zugang einer Briefsendung bei der Gegenpartei nach und behauptet, Inhalt sei ein bestimmtes Schreiben (hier: Geltendmachung) gewesen, reicht einfaches Bestreiten des konkreten Inhaltes nicht aus; die Gegenpartei kann und muss erklären, welchen anderen Inhalt die Briefsendung gehabt haben soll. Eine Krankenschwester, deren Arbeitsverhältnis sich nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) richtete, hatte ihren Arbeitgeber auf eine tarifliche Jahressonderzahlung für 2019 verklagt. Gemäß einem auf den 23. April 2020 datierten Einlieferungsbeleg über die Aufgabe einer Briefsendung bei der Post mit einer bestimmten Sendungsnummer hatte die Krankenschwester ihrem Arbeitgeber ein Schreiben übersandt, und am folgenden 24. April 2020 hatte eine Angestellte des Arbeitgebers eine Briefsendung mit dieser Sendungsnummer angenommen. Die Krankenschwester behauptete, in der Briefsendung sei ein Schreiben gewesen, mit welchem sie den Arbeitgeber zur Auszahlung der Sonderzahlung für 2019 aufgefordert hatte. Das bestritt der Arbeitgeber und berief sich auf die sechsmonatige Ausschlussfrist gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD). Danach verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Dieses Argument überzeugte weder das Arbeitsgericht Nordhausen (Urteil vom 28. April 2021, AZ: 2 Ca 1153/20) noch das Thüringer Landesarbeitsgericht (LAG), die den Arbeitgeber zur Zahlung verurteilten.

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