DER SICHERHEITSDIENST

66 DSD 2 | 2023 RECHT Arbeitsrecht in Kürze Von Rechtsanwältin Cornelia Okpara Fristlose Kündigung und Annahmeverzug Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29. März 2023, AZ: 5 AZR 255/22 Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos, weil er meint, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei ihm nicht zuzumuten, bietet aber gleichzeitig dem Arbeitnehmer „zur Vermeidung von Annahmeverzug“ die Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen während des Kündigungsschutzprozesses an, verhält er sich widersprüchlich. In einem solchen Fall spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass das Beschäftigungsangebot nicht ernst gemeint ist. Diese Vermutung kann durch die Begründung der Kündigung zur Gewissheit oder durch entsprechende Darlegungen des Arbeitgebers entkräftet werden. Der Kläger war seit dem 16. August 2018 bei der Beklagten als technischer Leiter beschäftigt und hat 5.250 Euro brutto monatlich verdient. Mit Schreiben vom 2. Dezember 2019 sprach die Beklagte eine fristlose Änderungskündigung aus, mit der sie dem Kläger einen neuen Arbeitsvertrag als Softwareentwickler gegen eine auf 3.750 Euro brutto monatlich verminderte Vergütung anbot. Weiter heißt es in dem Kündigungsschreiben, „im Falle der Ablehnung der außerordentlichen Kündigung durch Sie (also im Falle, dass Sie von einem unaufgelösten Arbeitsverhältnis ausgehen) oder im Falle der Annahme des folgenden Angebots erwartenwir Sie am5. Dezember 2019 spätestens um 12 Uhr MEZ zum Arbeitsantritt“. Der Kläger lehnte das Änderungsangebot ab und erschien auch nicht zur Arbeit. Daraufhin kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 14. Dezember 2019 das Arbeitsverhältnis erneut, und zwar „außerordentlich zum 17. Dezember 2019 um 12 Uhr MEZ“. Ferner wies sie darauf hin,„im Falle der Ablehnung dieser außerordentlichen Kündigung“ erwarte sie den Kläger„am 17. Dezember 2019 spätestens um12UhrMEZ zum Arbeitsantritt“. Dem leistete der Kläger nicht Folge. Indemvon ihmanhängiggemachtenKündigungsschutzprozess wurde rechtskräftig festgestellt, dass beide Kündigungen das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst haben. Nachdemdie Beklagte für denMonat Dezember 2019 nur noch eine Vergütung von 765,14 Euro brutto zahlte und der Kläger erst zum 1. April 2020 ein neues Arbeitsverhältnis begründen konnte, hat er Klage auf Vergütung wegen Annahmeverzugs erhoben, mit der er die Zahlung des arbeitsvertraglich vereinbarten Gehalts abzüglich des erhaltenen Arbeitslosengeldes bis zum Antritt der neuen Beschäftigung verlangt. Er hat gemeint, die Beklagte habe sich imStreitzeitraumaufgrund ihrer unwirksamen Kündigungen im Annahmeverzug befunden. Eine Weiterbeschäftigung bei der Beklagten zu geänderten oder auch den ursprünglichen Arbeitsbedingungen sei ihm, sofern die Beklagte dies überhaupt ernsthaft angeboten habe, nicht zuzumuten gewesen. Die Beklagte habe ihm zur Begründung ihrer fristlosen Kündigungen in umfangreichen Ausführungen zu Unrecht mannigfaches Fehlverhalten vorgeworfen und seine Person herabgewürdigt. Sie habe ihrerseits geltend gemacht, eine Weiterbeschäftigung des Klägers sei ihr unzumutbar. Dagegen hat die Beklagte gemeint, sie habe sich nicht imAnnahmeverzug befunden, weil der Kläger während des Kündigungsschutzprozesses nicht bei ihr weitergearbeitet habe. Der Kläger sei selbst von der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung ausgegangen, weil er im Kündigungsschutzprozess einen Antrag auf vorläufigeWeiterbeschäftigung gestellt habe. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat angenommen, der Kläger habe trotz der unwirksamen Kündigungen der Beklagten keinen Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung, weil er das Angebot der Beklagten, während des Kündigungsschutzprozesses bei ihr weiterzuarbeiten, nicht angenommen habe. Der Kläger sei deshalb nicht leistungswillig iSd. § 297 BGB gewesen. Die vom Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts nachträglich zugelassene Revision des Klägers war erfolgreich. Die Beklagte befand sich aufgrund ihrer unwirksamen fristlosen Kündigungen im Annahmeverzug, ohne dass es eines Arbeitsangebots des Klägers bedurft hätte. Weil kommissarische Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft (BDSW) RAin Cornelia Okpara Bild: # 317224581/stock.adobe.com

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