DER SICHERHEITSDIENST

78 DSD 3 | 2024 Stellvertretender Generaldirektor der CoESS – Confederation of European Security Services www.coess.eu Alexander Frank Europäisches Vergaberecht: Zeit für eine Reform! Von Alexander Frank Öffentliche Beschaffungspraktiken, die Bieter zu abnorm niedrigen Preisen ermutigen und Qualitätskriterien wie angemessene Löhne und Arbeitsbedingungen außer Acht lassen, stellen eine große Herausforderung für die Sicherheitsbranche dar. Die EU-­ Sozialpartner in der Sicherheitswirtschaft – CoESS und UNI Europa – setzen sich seit über einem Jahrzehnt mit einem EU-geförderten Leitfaden für Beschaffungspraktiken ein, die sich nach Qualitätskriterien richten. Dennoch reichen einfache Leitfäden nicht mehr aus; eine Reform der Europäischen Vergaberichtlinie ist notwendig. Seit 2022 setzt sich die CoESS für diese Reform ein. Konkrete Schritte werden nun in der neuen Legislaturperiode des EU-Parlaments erwartet. Wenige wissen, dass Vorschriften zum öffentlichen Vergaberecht auf der EURichtlinie 2014/24 basieren. Als die EU-Vergaberichtlinie 2014 verabschiedet wurde, stieß sie auf große Zustimmung, da sie erstmals das „MEAT“-Prinzip – Most Economically Advantageous Tender – einführte. Dieses Prinzip vereinfachte es in der Theorie, öffentliche Aufträge nicht nur auf Grundlage des Preises, sondern auch unter Berücksichtigung relevanter Qualitätskriterien zu vergeben. Um öffentlichen Auftraggebern bei der Anwendung dieser Qualitätskriterien zu helfen, erhielten die EU-Sozialpartner der Sicherheitswirtschaft, CoESS und UNI Europa, EU-Fördermittel zur Entwicklung eines Leitfadens, der Behörden Anleitungen zur Nutzung der Richtlinie und zur Identifizierung von Qualitätskriterien in der Branche gab. Die anfängliche Begeisterung ist jedoch abgeklungen. Eine aktuelle Studie des Europäischen Parlaments ergab, dass 2021 zehn Mitgliedstaaten zwischen 82 Prozent und 95 Prozent ihrer Ausschreibungen oberhalb der EU-Schwellenwerte weiterhin ausschließlich nach dem niedrigsten Preis oder Kosten vergaben. Sechs Mitgliedstaaten vergaben zwischen 60 Prozent und 80 Prozent solcher Ausschreibungen auf derselben Basis. Der Grund für diese Diskrepanz liegt in den Mängeln der Richtlinie. Trotz ihres Ziels, einen bestmöglichen Gegenwert für öffentliche Gelder zu fördern, erlaubt sie weiterhin abnorm niedrige Angebote sowie das Ignorieren von Tarifverträgen. Zudem schafft sie keine rechtliche Sicherheit für öffentliche Auftraggeber bezüglich der Verwendung von Qualitätskriterien. Statt qualitative Arbeitsbedingungen und soziale Kohäsion zu fördern, untergraben Lücken im Gesetzestext den Mehrwert wichtiger Dienstleistungen, fairen Wettbewerb und Arbeitnehmerrechte. Folgen der Niedrigpreis-Beschaffungspraktiken Die aktuellen Beschaffungspraktiken gefährden die nachhaltige Entwicklung der Sicherheitswirtschaft in Europa – einer wesentlichen Dienstleistung, die Teil des öffentlichen Sicherheitsrahmens ist, sowie die Funktion und den Schutz von Lieferketten, kritischer Infrastruktur und öffentlichen Räumen unterstützt. Wenn keine rechtlichen Maßnahmen ergriffen werden, werden die derzeitigen Beschaffungspraktiken, die auf der EU-Richtlinie 2014/24 basieren, weiterhin in vielen Fällen unfaire Wettbewerbsbedingungen auf Basis der Arbeitskosten und Sozialdumping ermöglichen. Dies verschafft EUROPA CoESS’ 2. Vizepräsident Eduardo Cobas bei einer CoESS-Veranstaltung zur EU-Vergaberichtlinie

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