53 DSD 2 | 2024 WIRTSCHAFTSSCHUTZ Freier Journalist. Er beschäftigt sich seit Jahren mit Fragen der privaten Sicherheit Peter Niggl Hochspannungsmasten warten auf geeigneten Schutz Von Peter Niggl Rund zwei Stunden vor Sonnenaufgang zerriss am 5. März dieses Jahres ein lauter Knall die ländliche Idylle einer sonst beschaulichen Wiesenlandschaft bei Steinfurt, wenige Kilometer vor der südöstlichen Berliner Stadtgrenze. Innerhalb kürzester Zeit loderten Flammen an einem 30 Meter hohen Strommast empor, befeuert durch Autoreifen. Für die Rettungskräfte war sehr schnell erkennbar, hier handelt es sich nicht um einen Unfall. Das war ein Anschlag und dieser galt vor allem der Stromversorgung der drei Kilometer entfernt liegenden Tesla-Gigafactory. Der Schaden der kriminellen Aktion beläuft sich laut Christian Hochgrebe, Innenstaatssekretär beim Berliner Senat, auf eine Milliarde Euro. 1 Zit. n.:„umweltzeitung“, Braunschweig, Mai/Juni 2015, Seite 22. Aber der Angriff hatte nicht nur weitreichende Folgen für den Autobauer, auch ein Versorgungslager von Edeka war lahmgelegt, hinzu kommen sechs Gemeinden bis an die Berliner Stadtgrenze, die ohne Strom dastanden – lebenswichtige Einrichtungen, wie Kliniken und Altenheime, Arztpraxen oder Apotheken eingeschlossen. Dennoch richteten sich sehr schnell die Blicke auf das Werk des US-amerikanischen E-Fahrzeugherstellers Elon Musk. Dass seine Produktionsstätte im Fokus der Brandstifter lag, verdeutlichte auch ein Insiderwissen verratendes Schreiben, das bereits kurz nach dem Anschlag im Internet auftauchte.„Wir wollten die Freileitung eines Hochspannungsmasts in der Verbindung zu den Erdkabeln an den wasserdichten Kabelmuffen treffen und die sechs 110-kV-Kabel darin kurzschließen.“ Dieses Bekenntnis stammte von einer „Vulkangruppe Tesla abschalten!“ und erschien auf der Plattform„Kontrapolis“. Tesla-Chef Musk meldete sich unmittelbar nach dem Anschlag zu Wort und spottete über die Täter, sie seien die„dümmsten Ökoterroristen der Welt“. Dabei war der Begriff des „Ökoterroristen“ gewiss nicht nur einer Laune Musks entsprungen. Die US-Bundespolizei FBI den Ökoterrorismus bereits vor Jahrzehnten definiert: „Gewaltanwendung krimineller Art gegen unschuldige Opfer oder deren Eigentum durch eine umweltorientierte Gruppe aus umweltpolitischen Gründen, auch über das eigentliche Ziel hinaus und oft von symbolischer Natur.“1 Zum Hintergrund des Anschlags auf Tesla schreibt die „Berliner Morgenpost“: „Die linksextremistische Vulkangruppe bekennt sich dazu. Ein Phantom: seit 13 Jahren aktiv, genauso lang ein Rätsel.“ Präzisierend wird ergänzt:„Im Jahresbericht des Kölner Bundesamts für Verfassungsschutz taucht der Begriff ‚Terrorismus‘ 164 und ‚Linksextremismus‘ 96-mal auf. Die Vulkangruppe hingegen wird kein einziges Mal erwähnt. Dabei ist sie nicht unbekannt und seit Langem aktiv. … Mehr denn je vermuten die Behörden, dass auf das Konto der Gruppe auch schon ein Brandanschlag 2021 auf Tesla geht, damals noch eine Baustelle.“ Deshalb scheint es interessant, den Blick auf die mittlerweile lange Geschichte der Anschläge gegen Strommasten zu richten. Diese Achillesferse der Energieversorgung ist seit Jahrzehnten bekannt, Fahndungserfolge und ein wirklicher Schutz aber sind offensichtlich immer noch in weiter Ferne. Blättern wir rund 40 Jahre zurück. Am 27. Juli 1986 hatte der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesinnenminister Carl-Dietrich Spranger (CSU) resümiert: „Die seit Jahresbeginn verübten 178 Brand- und 27 Sprengstoffanschläge in der BRD haben einen volkswirtschaftlichen Schaden von mehr als zehn Millionen Mark angerichtet.“ Es waren die Jahre der neu entstandenen Anti-Atomkraftbewegung. Damals schrieb das Nachrichtenmagazin„Der Spiegel“:„Militante Kernkraftgegner, die fast täglich Hochspannungsmasten umlegen, richten Millionenschäden an. Die Polizei ist hilflos.“ Und im Bundestag plädierte der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele für Verständnis: „Und da wundern Sie sich, dass Menschen auf diese mörderische Atompolitik mit Strommast-Ansägen oder mit Bauwagen-Anzünden reagieren.“ Über die Vorgehensweise gibt es eher Spekulationen, denn Erkenntnisse – damals wie heute.
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