DER SICHERHEITSDIENST

WIRTSCHAFT UND POLITIK 35 DSD 2 | 2024 Straftatenanteile 2023 (in %) einfacher Diebstahl 19,7 schwerer Diebstahl 13,5 Betrug 12,7 Körperverletzung 10,3 Sachbeschädigung 9,4 Rauschgiftdelikte 5,8 Ausländerrechtliche Verstöße 5,0 Sexualdelikte 2,1 Straftaten gegen das Leben 0,1 sonstige Straftaten 21,4 Ursachen für Kriminalitätszunahme Die in der PKS registrierte Gesamtkriminalität ist 2023 gegenüber dem Vorjahr um 5,5 Prozent angewachsen, die Gewaltkriminalität sogar um 8,6 Prozent. Kriminalitätsforscher des BKA sehen Gründe für den Anstiegvon Fall- und Tatverdächtigen-(TV-) Zahlen vor allem in drei Ursachen: der Zunahme der Mobilität und der sozialen Kontakte nach der Coronapandemie mit mehr Tatgelegenheiten im öffentlichen Raum, eine steigende wirtschaftliche und soziale Belastung der Bevölkerung durch die Inflation und eine hohe Zuwanderungsrate, wobei viele Schutzsuchende mehrere Risikofaktoren für verschiedene Deliktsbereiche aufweisen. Die Zahl der nicht deutschen TVen ist gegenüber dem Vorjahr um 17,8 Prozent auf 41,1 Prozent gestiegen. 30 Prozent der nicht deutschen TVen waren im Jahr 2023 Zuwanderer. Auch bei den TVen in Bezug auf Gewaltdelikte waren 39 Prozent Nichtdeutsche, ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr um 14,5 Prozent. Die Gewaltkriminalität liegt auf dem höchsten Stand seit 2007. Besonders unerfreulich ist der Anstieg der Taten, die von Jugendlichen und Kindern 2023 begangen wurden: Die Anzahl jugendlicher TV nahm gegenüber 2019 – dem letzten Jahr vor der Coronapandemie – um 17 Prozent, die der tatverdächtigen Kinder um 43 Prozent zu. Belastungen der Unternehmenssicherheit Die Entwicklung der 2023 polizeilich ermittelten Kriminalität, die insbesondere Unternehmen besonders belastet, zeigt in den einzelnen Segmenten ein sehr unterschiedliches Bild. So ist die Zahl der registrierten Diebstähle aus Büros, Fabriken und Lagern in den letzten zwei Jahren stark angestiegen: von rund 64.650 im Jahr 2021 auf 77.193 im Jahr 2023 bei einer AQ von nur 22 %. Die Zahl der Diebstähle in und aus Gaststätten und Hotels hat sich in dieser Zeitspanne fast verdoppelt (auf 28.575 Fälle). Und die Anzahl der angezeigten Ladendiebstähle ist von 256.700 im Jahr 2021 auf 344.700 im Jahr 2022 und 2023 auf über 420.000 angewachsen. Zwar liegt hier die AQ bei 90 Prozent, aber das Dunkelfeld ist unermesslich groß, nach Schätzungen des EHI ca. 90 Prozent. 23.960 Diebstahlsfälle auf Baustellen wurden 2023 ermittelt. Erstaunlich ist der Rückgang der in der PKS 2023 registrierten Betrugsfälle gegenüber dem Vorjahr um 5,8 Prozent auf 754.500. Betrügerische Wirtschaftskriminalität ist sogar von 53.900 (2022) auf ca. 18.000 Fälle zurückgegangen. Eine Erklärung liegt in der Veränderung des Modus Operandi: Der Computerbetrug hat sich in den letzten zehn Jahren verfünffacht. Angestiegen ist gegenüber dem Vorjahr der Tankbetrug (von über 85.200 auf über 96.400 Fälle). Die enorme Zunahme von über 65 Prozent gegenüber 2021 ist sicher teilweise auf den Anstieg der Kraftstoffpreise zurückzuführen. Die niedrige Aufklärungsquote von 35,3 Prozent sollte Veranlassung geben, die Videoüberwachung, verknüpft mit einem Audiosystem, bei Tankstellen zu verstärken. Angestiegen ist gegenüber dem Vorjahr die Wirtschaftskriminalität im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen, und zwar von ca. 4.000 auf 5.177 Fälle. Und auch Insolvenzstraftaten haben zugenommen: von 6.400 im Vorjahr auf 7.180. Straftaten gegen das Markengesetz sind gegenüber dem Vorjahr um 19 Prozent, im Zehnjahresvergleich sogar um 47 Prozent angestiegen. Die EU-Agentur für geistiges Eigentum hat im Januar eine Studie veröffentlicht, nach der aufgrund der Datenerhebung zwischen 2018 und 2020 europäischen Herstellern von Bekleidung, Kosmetik und Spielwaren jährlich rund 16 Milliarden Euro und ca. 200.000 – in Deutschland etwa 40.000 – Arbeitsplätze durch Produktfälschungen verloren gehen. Allein Amazon hat nach einem aktuellen Markenschutzbericht 2023 mehr als sieben Millionen gefälschte Produkte auf seinen Onlinemarktplätzen identifiziert, beschlagnahmt und entsorgt. 117 Fälle der Softwarepiraterie wurden 2023 ermittelt. Deutlich angestiegen ist gegenüber dem Vorjahr die Zahl der ermittelten Korruptionsfälle im geschäftlichen Verkehr, und zwar um mehr als 100 Prozent auf 769. Prognosen für 2024 Trotz aller Anstrengungen der Polizei ebenso wie der Sicherheitswirtschaft wird auch in diesem Jahr die registrierte Kriminalität insgesamt auf hohem Niveau verbleiben, die Wirtschaft belasten und das Sicherheitsgefühl vieler Bürger beeinträchtigen. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass eine verstärkte Kontrolltätigkeit im öffentlichen wie im privaten Sicherheitsbereich einerseits Straftaten verhindert, andererseits begangene Straftaten detektiert und damit das Dunkelfeld zugunsten des Hellfeldes reduziert, also die Zahl der registrierten Verdachtsfälle erhöht. Die Entwicklung der verschiedenen Deliktsbereiche wird natürlich auch 2024 unterschiedlich verlaufen. So ist die Zahl der ermittelten Geldautomatensprengungen in den ersten zwei Monaten 2024 kräftig zurückgegangen: in Nordrhein-Westfalen gegenüber dem Vorjahreszeitraum von 36 auf 7. Grund für diesen Rückgang und eine günstige Prognose für ganz Deutschland ist die technische Aufrüstung der Banken. So haben in Nordrhein-Westfalen die Sparkassen mittlerweile 75 Prozent ihrer Automaten mit Tintenpatronen versehen. Immer mehr Banken haben Alarmanlagen und Überwachungskameras sowie einen Nachtverschluss mit Rollgittern installiert (Bericht in der FAZ am 9. März 2024). Weiter zunehmen werden voraussichtlich Cyberattacken. Das ergibt sich aus mehreren Berichten über immer professionellere Angriffsmethoden und leichte Bedienungsmöglichkeiten im Darknet (ausführlich vor allem aktuell die Darstellung der Lage der IT-Sicherheit in Deutschland 2023: BSI, Stand Oktober 2023, und die BSI-Magazine „Mit Sicherheit“ 01 und 02/2023). Der Ausbau der cyberkriminellen Schattenwirtschaft nimmt zu; und leider auch die Anzahl der festgestellten Schwachstellen in der IT-Infrastruktur, vor allem in Softwareprodukten (Reinhard Rupprecht in Technische Sicherheit, 03–04/2024, Seite 8–10). Immer neue Schadprogrammvarianten

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