DER SICHERHEITSDIENST

WIRTSCHAFT UND POLITIK 28 DSD 2 | 2022 Schutzhunde vor dem Aus? Von Thomas Baumann Anfang 2022 ist eine neue Tierschutz-Hundeverordnung in Kraft getreten – mit Auswirkungen auf die Ausbildung von Polizeischutzhunden Die Diskussionen um die Ausbildung von Polizeischutzhunden haben zu zwei Meinungen geführt: dafür oder dagegen! Doch so einfach ist das alles nicht. Wenn in diesem Zusammenhang der Deutsche Tierschutzbund die pauschale Behauptung aufstellt, eine tierschutzkonforme Ausbildung solcher Hunde nach neuen Richtlinien sei möglich, dann bleibt als Entgegnung nur ein „Jein“. Und damit ist diese pauschale Behauptung nicht richtig. Irgendwie verständlich, denn der Deutsche Tierschutzbund hat offensichtlich keinen real bezogenen Einblick in das Anforderungsprofil eines Polizeischutzhundes. Nur wer sich tatsächlich „vertieft“ mit der Schutzhundeausbildung von Polizeibehörden befasst, kann sich hier ein Urteil erlauben. Unterschiedliche„Leistungsklassen“ Im Rahmen unserer gängigen, gesellschaftlichen Normvorstellungen sind Ausbildungsmethoden, die mit Schmerzen verbunden sind beziehungsweise den Einsatz von Stachelhalsbändern beinhalten, im Grundsatz sicher nicht mehr zeitgemäß. Doch müssen wir uns beim Einsatz von Polizeischutzhunden klar darüber werden, dass wir hier mit vorschnellen Entscheidungen für oder gegen mögliche „ A u s n a h m e ­ regelungen“ sehr, sehr vorsichtig sein und auch mal über den Tellerrand hinausschauen müssen. Die Frage lautet zunächst nämlich nicht, was wir genau in der Ausbildung von Polizeischutzhunden methodisch zu tun haben, sondern vielmehr: Was wollen wir in der Zielstellung erreichen? Wer behauptet, man könne einen Hund in einer derartigen Ausbildung stets beziehungsweise generell frei von Schmerzen oder Zwängen erfolgreich ausbilden, hat keinen wirklichen Einblick in die ausbilderischen Möglichkeiten und auch Grenzen dieser häufig extrem selbstbewussten, besonders „harten“ und außergewöhnlich temperamentvollen Vierbeiner. Ich kenne als ehemaliger Polizeihundeführer das Gefühl, in einem Polizeieinsatz, bei dem eine oder mehrere gewaltbereite Personen gegenüberstehen, auf die Zuverlässigkeit eines Schutzhundes vertrauen zu dürfen. Die eigene körperliche Unversehrtheit und im schlimmsten Fall das eigene Leben vertrauensvoll mit der hohen Leistungsfähigkeit des Vierbeiners zu verbinden, ist ein unverzichtbarer Aspekt in der Gefahrenabwehr. Welche Belastungen auf Polizeischutzhunde zukommen können, ist von niemandem zu beurteilen, der diese derartig extreme Gefahrensituation nie kennengelernt hat. Eine schlimme Vorstellung, wenn ein Polizeischutzhund vor solchen Gefahren, vor lautstarken Bedrohungen körperlicher und verbaler Art letztlich davonläuft. Ausbildung mit „Abstrichen“ in Großbritannien Wer allerdings gegenteilig behauptet, die Ausbildung gehe generell nicht ohne Schmerzreize, scheint ebenso begrenzt im Denken und Handeln aufzutreten und kaum über Kenntnisse zu modernen Konditionierungsmethoden zu verfügen. So hat beispielsweise die Polizei in England schon vor 20 Jahren die Ausbildung ihrer Schutzhunde „schmerzfrei“ reformiert, und ich konnte im Jahr 2002 die Ausbildung und den Leistungsstand dieser Hunde persönlich begutachten. Sie waren im Leistungsergebnis auch leistungsfähig, allerdings mit erkennbaren „Abstrichen“. Zum damaligen Zeitpunkt war für die Vertreter unserer Interpol-Arbeitsgruppe zu beobachten, dass die polizeilich geführten Schutzhunde aus England tatsächlich nicht mit der Beharrlichkeit, Motivation und dem Durchsetzungsvermögen ausgestattet waren, wie dies bei ausgebildeten Hunden in vielen anderen europäischen Ländern der Fall war. Hundezentrum Baumann GmbH (www.dogworld.de), ist ehemaliger, langjähriger Ausbildungsleiter einer Polizeihundeschule und deutscher Polizeivertreter in einer europäischen Interpol-Arbeitsgruppe. Die Erstveröffentlichung des Interviews erfolgte in der Ausgabe 4 I 2022 der Zeitschrift PROTECTOR (www.sicherheit.info). Wir bedanken uns für die Abdruckgenehmigung. Thomas Baumann „Zu welchem Zweck wird der Polizeischutzhund eigentlich ausgebildet?“

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