20 DSD 3 | 2024 SICHERHEITSTECHNIK Was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen Von Sascha Puppel und Sebastian Brose Die Sicherungskette reicht technisch betrachtet vom einzelnen Bewegungsmelder oder Magnetkontakt über verschiedene Busmodule, Zentralen, Übertragungseinrichtungen, Alarmempfänger, Gefahrenmanagementsysteme, Leitstellen oder Interventionsstellen bis hin zur Interventionskraft. Der Weg ist lang und es gibt nicht nur viel Technik, sondern auch viele Verantwortlichkeiten in der Sicherungskette. Sowohl auf technischer als auch auf menschlicher/organisatorischer Ebene sind vielfältige Kettenglieder zu koordinieren und detaillierte Abstimmungen erforderlich. Das beginnt bei der Planung und endet bei der Intervention. Und wir alle wissen: Eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Murphy’s Law oder Kölsches Grundgesetz? „Wenn es mehrere Möglichkeiten gibt, eine Aufgabe zu erledigen, und eine davon in einer Katastrophe endet oder sonst wie unerwünschte Konsequenzen nach sich zieht, dann wird es jemand genauso machen“, formulierte einst Edward A. Murphy, Ingenieur bei der U.S. Air Force. In seiner verkürzten Form – „Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen“ – wurde die Aussage als „Murphy’s Law“ oder Murphys Gesetz weltberühmt. Dieses Gesetz bedeutet also, dass jedes unerwünschte, mit Schäden für Menschen und Sachen verbundene Ereignis, dessen Eintrittswahrscheinlichkeit auch noch so klein sein mag, irgendwann eintreten wird. Wir wissen nur nicht, wann. Und tatsächlich beweist sich die Wahrheit dieser Gesetzmäßigkeit im Alltag immer und immer wieder … Im Rheinland kennt man dagegen landläufig eine andere Risikomanagementstrategie, den Artikel 3 des sogenannten „Kölschen Grundgesetzes“: „Et hätt noch emmer joot jejange!“ (Hochdeutsch: „Es ist noch immer gut gegangen!“) Daraus wird in der Praxis nicht selten abgeleitet: „Was gestern gut gegangen ist, wird auch morgen noch funktionieren.“ Und leider neigt der Mensch dazu, aus den vielen Fällen, in denen sich ein Risiko nicht realisiert hat, den Trugschluss zu ziehen, das Risiko sei nicht (mehr) existent. Und bleiben wirklich einmal Restzweifel bzw. Restrisiken, werden diese mit dem„Prinzip Hoffnung“ aufgewogen. Oftmals bleibt uns auch nichts anderes übrig als zu hoffen, wenn die Kosten für die Sicherheit in einem ausgewogenen Verhältnis zum erwarteten Schadenausmaß stehen sollen. Oder, wie es die Versicherungslehre definiert:„Risiko ist die Möglichkeit des Schadeneintritts durch Verwirklichung einer versicherten Gefahr, also Risiko = Schadenhöhe x Eintrittswahrscheinlichkeit.“ Diese Berechnung birgt allerdings die Gefahr, dass wir davon ausgehen, dass das errechnete Risiko de facto zu vernachlässigen ist! Murphy lehrt uns jedoch, dass alles, was eine Eintrittswahrscheinlichkeit größer null hat, auch irgendwann eintreten wird. Wenn der hierbei zu erwartende Schaden erheblich bzw. nicht tolerierbar wäre, sind wir im Rahmen des Risikomanagements verpflichtet, uns damit zu beschäftigen. Im Schadenfall und bei Gerichtsverfahren wird diesbezüglich gerne ein altes Gerichtsurteil des Oberverwaltungsgerichts Münster aus dem Jahr 1987 zitiert: „Es entspricht der Lebenserfahrung, dass mit der Entstehung eines Brandes praktisch jederzeit gerechnet werden muss. Der Umstand, dass in vielen Gebäuden jahrzehntelang kein Brand ausbricht, beweist nicht, dass keine Gefahr besteht, sondern stellt für die Betroffenen einen Glücksfall dar, mit dessen Ende jederzeit gerechnet werden muss.“ (AZ: 10 A363/86 vom 11. Dezember 1987) Aus der Luftfahrt kennt man daher das Prinzip der Redundanz: Ein einzelner Fehler darf nicht zum Absturz führen. Deswegen sind viele Systeme zwei- oder sogar dreifach vorhanden und es gibt viele Rückfallebenen. Ebenso verhält es sich in der Sicherheitstechnik. Die Autoren von VdSRichtlinien und Normen versuchen stets, eventuelle Ausfälle, Störungen oder Angriffe gedanklich zu antizipieren und einen „Plan B“ in den Standards zu verankern. So gibt es Anforderungen an eine Notstromversorgung, zwei Übertraöffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger der Handwerkskammer Aachen für Sicherheitstechnik im Elektrotechniker-Handwerk inkl. Sicherheitskonzepte sp@sicherheit-puppel.de Die Erstveröffentlichung des Beitrags erfolgte in der Ausgabe 1/2023 der Zeitschrift s+s report. www.vds.de/sus-report Wir bedanken uns für die Abdruckgenehmigung. Sascha Puppel
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