24 DSD 1 | 2025 WIRTSCHAFT UND POLITIK nologischem, wissenschaftlichem Knowhow aus Deutschland. Daher spionieren ausländische Geheimdienste auch deutsche Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Hochschulen aus (Wissenschafts- und Technologiespionage).8 Wirtschaftsspionage in Deutschland: Analyse der Bedrohungen und Gegenmaßnahmen Die Hauptakteure der gegen Deutschland gerichteten Wirtschaftsspionage sind nach Angaben der deutschen Verfassungsschutzbehörden vor allem Russland und China. Die ausländischen Geheimdienstangehörigen versuchen unter Ausnutzung ihres diplomatischen Status – Legalresidenturen – mit konspirativen Methoden, aber auch mittels harmlos wirkender Kontaktpflege – sogenannter Gesprächsabschöpfung – Informationen zu politischen, militärischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Themen zu erlangen. Im Ausland nehmen die Geheimdienste gezielt deutsche Staatsangehörige ins Visier, die sich für längere Zeit beruflich oder privat dort aufhalten oder regelmäßig dorthin reisen. Dazu zählen vor allem Angehörige diplomatischer Vertretungen, Behörden sowie Firmen und Wissenschaftler. Nach aktuellen Angaben der deutschen Sicherheitsbehörden geht es den Geheimdiensten der Staaten Russland und China vor allem darum, die technologische Entwicklung der eigenen Volkswirtschaft zu unterstützen oder einen anderen Wettbewerbsvorteil zu erlangen. Bei der Wirtschaftsspionage in Deutschland fokussieren sich die Spionageaktivitäten auf alle Entwicklungsstufen, von der Forschung und Entwicklung bis hin zur Fertigung und Vermarktung neuer Produkte sowie von der Infrastruktur bis zum Management eines Unternehmens. Das Ziel von Wirtschaftsspionage ist vor allem, die Entwicklung der eigenen Volkswirtschaft zu unterstützen oder einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen. 9 Besonders wertvolle Spionageziele innerhalb der deutschen Wirtschaft sind 8 Vgl. ebd., S. 262–263. 9 Vgl. https://www.verfassungsschutz.de/DE/themen/spionage-und-proliferationsabwehr/begriff-und-hintergruende/begriffe-und-hintergruende_artikel.html (10.2.2025). aktuell Informations- und Kommunikationstechnik, Biotechnologie, Optoelektronik, Automobil- und Maschinenbau, Luft- und Raumfahrttechnik, Energie- und Umwelttechnologie sowie Kritische Infrastrukturen. Potenzielle Einfallstore für (vorsätzliche) Spionage durch Innentäter sind grundsätzlich alle Personen mit individuellen Zugangsmöglichkeiten auf Unternehmensdaten. Daher (potenziell) auch firmenfremde Dienstleister. Bei der Frage nach dem Warum sind verschiedene Faktoren zu identifizieren: Sogenannte Selbstanbieter, Personen die (potenzielle) Informationen einem Spionageakteur proaktiv anbieten, können beispielsweise von Unzufriedenheit und einer fehlenden Identifikation mit dem Unternehmen oder der wissenschaftlichen Einrichtung geprägt sein. Auch das Persönlichkeitsmerkmal thrill seeking bzw. excitement seeking kann hier ein auslösender oder verstärkender Faktor sein. Die Faktoren „Ego, eigene Bedeutsamkeit, als wichtig wahrgenommen werden, im Mittelpunkt stehen“ dürfen nicht unterschätzt werden. Der finanzielle Aspekt ist seit langer Zeit ein wichtiger Faktor. Der Einstieg kann vonseiten des anbahnenden Geheimdienstes mit teuren Reisen, Essenseinladungen, Luxusgeschenken gemacht werden. Aus dem Faktor Belohnung kann dann schnell der Faktor Kompromittierung und Erpressung werden, wenn der Geheimdienst den Innentäter damit bedroht, einen Geheimnisverrat dem geschädigten Unternehmen mitzuteilen. Spätestens seit dem Beginn des Russland-Ukraine-Krieges 2022 verweisen die deutschen Sicherheitsbehörden in Bezug auf Wirtschaftsspionage/Innentäter auf den Faktor „Ideologie, politisch-weltanschauliche Überzeugungen, Akteur im neuen Ost-West-Konflikt sein“ und darauf, dass Extremisten als Innentäter erheblichen Schaden verursachen können. Daher seien für die Unternehmen in Deutschland Sensibilisierungsmaßnahmen/-schulungen zur Extremismuserkennung ein wichtiger Baustein. Bei einer Kompromittierung stellen Informationen über sexuelle Vorlieben, die potenzielle Bedrohung von Familienangehörigen, die beispielsweise im Land oder in der Einflusszone des Geheimdienstes leben, weitere Möglichkeiten der Erpressung dar. Zu den nach Angaben der Sicherheitsbehörden allgemeinen Präventionsmaßnahmen gegen Wirtschaftsbehörden gehört eine realistische und umfassende Risikoanalyse (Identifizieren schützenswerter Daten und Informationen; mögliche Angreifer und Angriffswege; wer arbeitet an möglichen Einfallstoren für Wirtschaftsspionage?). Aus dieser Risikoanalyse müssen dann regelmäßig aktualisierte Schutzmaßnahmen abgeleitet und ein ganzheitliches Schutzkonzept entwickelt werden. Aktuell und zukünftig sollten die Kompetenzen im Bereich sicherheitsorientierte Personalauswahl („Pre-Employment-Screening“) gestärkt werden. Fazit In Zeiten großer Krisen, sicherheitspolitischer und wirtschaftlicher Konflikte und Kriege, einer dualistischen Situation „neuer Ost-West-Konflikt“ wächst der Faktor „politisch-weltanschauliche Überzeugungen“ als Motivation, um zum Innentäter zu werden und geheime Informationen aus dem Unternehmen, der wissenschaftlichen Einrichtung oder einer Behörde an einen fremden Geheimdienst zu übermitteln. Entsprechend müssen die Bedrohungslage, die Akteure sowie deren aktuelle Strategien und Taktiken realistisch analysiert werden. An eine solche realistische Analyse der aktuellen und zukünftigen (potenziellen) Bedrohungslage muss das Mindset der politisch Verantwortlichen sowie der Verantwortlichen in der Wirtschaft sowie in wissenschaftlichen Einrichtungen adaptiert werden. Dafür bedarf es angemessener Befugnisse, technischer sowie finanzieller Mittel, gerade auch für kompetentes Personal sowie dessen Aus- und Fortbildung.
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