DER SICHERHEITSDIENST

23 DSD 1 | 2025 WIRTSCHAFT UND POLITIK Wirtschaftsspionage in Deutschland Aktuelle Akteure, Trends und Gegenmaßnahmen Von Prof. Dr. Stefan Goertz „Das Niveau der Spionageaktivitäten gegen Deutschland steht dem während des OstWest-Konflikts bis 1990 in nichts nach. Wir haben es mit einem klaren Systemwettbewerb zu tun!“, so Thomas Haldenwang im Herbst 2024, damaliger Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz.1 1 https://www.verfassungsschutz.de/DE/verfassungsschutz/der-bericht/vsb-spionageabwehr/vsb-spionageabwehr-node. html#doc1036458bodyText1 2 Vgl. Bundesministerium des Innern und für Heimat (2023): Verfassungsschutzbericht 2022, S. 278–288. 3 https://www.tagesschau.de/inland/geheimdienste-russische-sabotage-deutschland-100.html 4 Vgl. ebd. 5 Vgl. ebd. 6 Vgl. Bundesministerium des Innern und für Heimat (2023): Verfassungsschutzbericht 2022, S. 278. 7 Vgl. Goertz, S. (2024): Öffentliche Sicherheit in Gefahr? Stuttgart: Kohlhammer, S. 262. Nach aktuellen Angaben der drei deutschen Nachrichtendienste des Bundes – des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), des Bundesnachrichtendienstes (BND) und des Bundesamtes für Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) – hat das Niveau der Spionageaktivitäten gegen Deutschland das des Ost-West-Konflikts (bis 1990) zumindest erreicht, wegen der neuen technologischen Möglichkeiten wahrscheinlich bereits überschritten. Das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) sowie das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) stellen – spätestens seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine – fest, dass die Hauptakteure der gegen Deutschland gerichteten Spionage – mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten – Russland, China, Iran und die Türkei sind.2 Die aktuelle Bedrohungslage Bei der jährlichen öffentlichen Anhörung des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages, zuletzt am 14. Oktober 2024, erklärte der damalige Präsident des BfV:„Insbesondere nehmen russische Spionage und Sabotage in Deutschland zu, sowohl qualitativ als auch quantitativ“.3 Alle drei deutschen Nachrichtendienste des Bundes beobachten ein„aggressives Agieren“ der russischen Geheimdienste. Das System Putin sehe„Deutschland als Gegner“.4 Der Präsident des BND, Bruno Kahl, erklärt aktuell in Bezug auf die Spionageaktivitäten Russlands, diese hätten aktuell „ein bisher ungekanntes Niveau“ erreicht und „Putin wird rote Linien des Westens austesten“. Die Präsidentin des BAMAD, Martina Rosenberg, wies wiederum darauf hin, dass die Zahl der Ausspähversuche der sogenannten Kritischen Infrastruktur„besorgniserregend“ hoch sei und zu erhöhter Wachsamkeit zwinge.5 Gegen die deutsche Politik, deutsche Behörden und deutsche Unternehmen gerichtete Spionageaktivitäten ausländischer Geheimdienste werden seit 2022 vielgestaltiger und ausgefeilter, umfassen menschliche Quellen genauso wie Cyberattacken, erklärt das BfV und bewertet die augenblicklichen Spionagetätigkeiten als „ernsthafte Bedrohung für Deutschland und deutsche Interessen“.6 Die geopolitischen und geoökonomischen Umbrüche infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sowie Chinas offensive Geheimdienstaktivitäten stellen ein neues Bedrohungsniveau dar. Daher stehen – spätestens seit 2022 – vermehrt auch deutsche Unternehmen, KRITIS und Forschungseinrichtungen besonders im Fokus von Wirtschafts- und Wissenschaftsspionage sowie auch strategisch motivierter ausländischer Direktinvestitionen.7 Die Geheimdienste anderer Staaten, u. a. „Systemrivalen“ wie Russland und China, haben ein großes Interesse an wirtschaftlichem, techHochschule des Bundes, Fachbereich Bundespolizei, Lübeck Dieser Beitrag stellt die persönliche Auffassung des Autors dar. Prof. Dr. Stefan Goertz

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==