DER SICHERHEITSDIENST

80 DSD 2 | 2023 DAS LETZTE Der gesetzliche Mindestlohn und sein Einfluss auf die Tarifpolitik Von Rechtsanwältin Cornelia Okpara Die Entwicklung des gesetzlichen Mindestlohnes Der gesetzliche Mindestlohn wurde in Deutschland im Jahr 2015 mit einem Stundensatz von 8,50 Euro eingeführt. Bereits zwei Jahre später wurde die Verdienstuntergrenze auf 8,84 Euro angehoben. Danach gab es jährlich weitere Erhöhungen. 2021 wurde der Mindestlohn dann nicht nur zum Jahreswechsel angehoben, sondern ein zweites Mal in der Jahresmitte auf 9,60 Euro pro Stunde. In 2022 folgten sogar drei weitere Steigerungen: Am 1. Januar stieg der Mindestlohn in Deutschland auf 9,82 Euro, zum 1. Juli 2022 auf 10,45 Euro und zum 1. Oktober 2022 auf aktuell 12 Euro. Vertrauen in die tarifautonome Lohngestaltung notwendig Das Sicherheitsgewerbe ist geprägt durch ein erfolgreiches Tarifvertragssystem. Sowohl die Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes im Jahr 2015 als auch die Einmischung der Politik in die Arbeit der Mindestlohnkommission durch die außerordentliche gesetzliche Mindestlohnanhebung auf 12 Euro pro Stunde ab Oktober 2022 war und ist eine erhebliche Belastung dieser Lohngestaltung. Es wurde in eine Vielzahl von laufenden Tarifverträgen eingegriffen. Daher wurden in fast allen Landesgruppen die Tarifverhandlungen vorzeitig aufgenommen, denn in allen Tarifverträgen gab es Löhne unterhalb der neuen gesetzlichen Mindestlohngrenze. Ziel war es, die Löhne oberhalb des gesetzlichen Mindestlohnes anzusiedeln. Dazu mussten Auslösungsvereinbarungen der noch laufenden Tarifverträge mit den Sozialpartnern getroffen werden. Um das Gefüge insgesamt stimmig zu halten, sollten auch die höheren Lohngruppen von dem Neuabschluss profitieren. Mittlerweile haben alle Landesgruppen neue Tarifverträge abgeschlossen. Die Umsetzung der Tarifabschlüsse war im Nachgang mit den Kunden nicht immer einfach. Wie geht es in der kommenden Tarifrunde weiter? Bereits im Herbst 2023 werden wir wieder in Verhandlungen mit dem Sozialpartner eintreten und müssen dann auf den Weg einer „normalen“ Tarifrunde zurückkehren, sofern nicht die Mindestlohnerhöhung ab dem 1. Januar 2024 erneut Einfluss auf unsere Verhandlungen hat. Dazu wird die eingesetzte Mindestlohnkommission bis zum 30. Juni 2023 eine Entscheidung treffen. Schon jetzt wird vonseiten der SPD Druck gemacht und ein „kräftiger“ Anstieg gefordert. Anpassung des Mindestlohnes weiterhin an Tarifentwicklung orientieren Die Arbeitgeber appellieren daher eindringlich an den Gesetzgeber, in Zukunft von weiteren Eingriffen in die Mindestlohnfestsetzung abzusehen und in die Tarifautonomie zu vertrauen. Die Anpassungsentscheidungen durch die Mindestlohnkommission müssen künftig wieder nach der bewährten Systematik und den gesetzlich festgelegten Kriterien erfolgen. Der Tarifindex muss seine zentrale Rolle behalten bzw. wiedererlangen. Zwei verfassungsrechtliche Gutachten haben überzeugend dargelegt, dass es erhebliche Zweifel an dem Vorgehen der Politik gibt. Es wird nicht nur übermäßig in die Tarifautonomie eingegriffen, sondern auch das verfassungsrechtlich geschützte Vertrauen der Sozialpartner in die Fortgeltung wirksamer Tarifverträge und in die Systementscheidung des Gesetzgebers für eine quasitarifautonome Logik der Mindestlohnanpassung verletzt. kommissarische Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft (BDSW) RAin Cornelia Okpara Bild: # 34209975 / stock.adobe.com

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