DER SICHERHEITSDIENST

KRITISCHE INFRASTRUKTUR 42 DSD 1 | 2023 Vorbereitung auf den Blackout Von Prof. Dr. André Röhl und Rico Kerstan Was ist, wenn Strom undWasser nicht mehr fließen und die Kommunikationsnetze zusammenbrechen? André Röhl und Rico Kerstan haben Konzepte entwickelt, mit denen Kommunen organisationale Resilienz planen können. Die aktuelle Debatte um die Folgen von Stromausfällen nach Lastabschaltungen oder durch einen Blackout zeigt auf, wie vulnerabel unsere digitalisierte Gesellschaft ist. Kommunen müssen Handlungsoptionen entwickeln, um mit den Auswirkungen komplexer Ereignisse umzugehen. Um die Resilienz unserer Gesellschaft auch in Zeiten großer Ungewissheit zu steigern, bedarf es Mut, die Verantwortlichkeiten für Krisenvorsorge und -bewältigung neu zu denken. Die Folgen eines lang anhaltenden Stromausfalls sind nur zum Teil vorhersehbar. Entsprechend können sie nur bedingt im Vorfeld vorbereitet werden. Oberstes Ziel der Vorbereitungen ist daher die Wahrung der Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit. Für kreisangehörige Gemeinden bedeutet dies, dass sie sich im Rahmen der allgemeinen Gefahrenabwehr auf die vielschichtigen Auswirkungen eines umfassenden Stromausfalls vorbereiten müssen. Dies ist nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass im Falle des Stromausfalls Kommunikationsverbindungen mit hoher Wahrscheinlichkeit eingeschränkt sind und an die Stelle einer übergeordneten Koordinierung eine dezentrale Eigenverantwortung treten muss. Die Auswirkungen können derart komplex sein, dass die Wiederherstellung der Stromversorgung nicht gleichbedeutend mit dem Funktionieren des gesellschaftlichen Lebens ist. Durch Spill-overEffekte zwischen Systemen und Prozessketten ist auch nach Wiederherstellung der Stromversorgung mit erheblichen Einschränkungen zu rechnen. Die eigene organisationale Resilienz im Fokus Die COVID-19-Pandemie hat zudem gezeigt, dass die Legaldefinition von Kritischen Infrastrukturen (KRITIS) in einer umfassenden Krise nur wenig hilfreich ist. Beispielsweise fallen von rund 2.000 Krankenhäusern in Deutschland nur knapp 200 unter die gesetzliche KRITIS-Definition nach BSIG. Für die einzelne Kommune ist ein Krankenhaus aber dennoch von großer Bedeutung. Zudem müssen die kommunalen Verwaltungen selbst als kritisches Element verstanden werden, sind diese doch wichtiger Teil der örtlichen Gemeinschaft. Aber auch Ad-hoc-Auslegungen zur „Systemrelevanz“ waren in der Vergangenheit im Ergebnis zu ungenau, um daraus eine zielgerichteteVorbereitung auf kommunaler Ebene abzuleiten. Kommunalverwaltungen sollten daher die eigene organisationale Resilienz in das Zentrum der Vorbereitungen stellen. Das von uns entwickelte Resilienzmodell unterscheidet hierbei vier Handlungsfelder organisationaler Resilienz: • Widerstandsfähigkeit (Verringerung von Risken und Schäden), • Bewältigungsfähigkeit (Überwindung des Schadens), • Verständnis des inneren Ökosystems (organisationsspezifisches Handeln in der Verwaltung), • Verständnis des äußeren Ökosystems (organisationsspezifisches Handeln in der Kommune). Die unterschiedlichen Reifegrade der Handlungsfelder resultieren in unterschiedlichen Evolutionsstufen organisationaler Resilienz. Nano- und Mikro-Resilienz fördern durch entschlossenes und agiles Handeln die Störungsbehebung. Meso-Resilienz umfasst ein funktionierendes Krisenmanagement zur Aufrechterhaltung der wichtigsten Prozesse. Makro-Resilienz ermöglicht durch Kooperation unterschiedlicher Akteure die gemeinsame Nutzung und den Austausch notwendiger Ressourcen. Sie macht Ressourcen für die Verwaltung nutzbar, die sonst verborgen bleiben, weil sie nicht zu den klassischen Akteuren der Gefahrenabwehr gehören. Aufbauend auf dem Resilienzmodell haben wir eine Methode zur Analyse des Gesamtökosystems in der Kommune entwickelt: die Municipal Impact Analysis, kurz MIA (übersetzt: kommunale Wirkungsanalyse). Der Name leitet sich von der „Business Impact Analysis“ ab, dem Kernelement betrieblicher Kontinuitätsplanungen. Ziel von MIA Leiter des Studiengangs Sicherheitsmanagement an der NBS Northern Business School in Hamburg. Er ist Mitbegründer des Deutschen Instituts für Sicherheit und Krisenvorsorge (DISK). berät als Geschäftsführer der KR Krisensicher Risikoberatung GmbH Verwaltungen und Kritische Infrastrukturen bei der Verbesserung ihrer Risiko- und Sicherheitsmanagementprozesse. Die Erstveröffentlichung des Beitrags erfolgte unter: www.treffpunkt-kommune.de Wir bedanken uns für die Abdruckgenehmigung. Prof. Dr. André Röhl Rico Kerstan, MBA

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