DER SICHERHEITSDIENST

36 DSD 1 | 2023 WIRTSCHAFT UND POLITIK „Wie wäre denn mal der Anreiz, bei einer Vollzeittätigkeit mindestens ein einfaches Leben führen zu können?“ In fast 15 Jahre im Sicherheitsgewerbe haben mich schon viele Aussagen, Artikel und Behauptungen aufgeregt, aber hier ist dann wieder einmal mein ganz persönlicher Schwellenwert überschritten. Man könnte auch sagen: Bei den Aussagen einiger Personen zum Bürgergeld bekomme ich – Puls. Ich zitiere Florian Graf, seines Zeichens Hauptgeschäftsführer des BDSW: „Wir dürfen die Anreize, nicht arbeiten zu gehen, nicht weiter erhöhen.“ Ich erwarte vom Chef eines Arbeitgeberverbandes nicht wirklich eine besondere Nähe zu Arbeitnehmern und ihren Grundbedürfnissen wie Essen, Schlafen, Wohnen usw., aber ich erwarte eine minimale Empathie für jene, die in seinen Mitgliedsunternehmen das Geld verdienen, von denen diese Unternehmen ihre Mitgliedsbeiträge bezahlen. Zugegebenermaßen habe ich das Zitat verkürzt wiedergegeben, es geht noch weiter:„…, sondern müssen uns im Interesse der Gesellschaft und Wirtschaft mit Maßnahmen befassen, die die Anreize zur Arbeitsaufnahme steigern.“ Hat er das so wirklich gesagt? Da es sich um die Presseveröffentlichung seines Verbandes handelt, gehe ich stark davon aus. Einen der wichtigsten Anreize zur Arbeitsaufnahme, die Lohnhöhe, kann er nicht meinen. Hier sitzt seinVerbandmaßgeblich am längeren Hebel, hier kann sein Verband etwas bewirken. Hier könnte er sich für Verständnis und Akzeptanz in der Branche einsetzen. Macht er aber nicht. Mit Anreizen zur Arbeitsaufnahme sind schlicht Sanktionen gemeint, die den Hilfeempfänger noch schlechterstellen, als es ohnehin schon der Fall ist. Die erste Zeile des Artikels „In Zeiten des Beschäftigtenmangels braucht es Anreize zur Arbeitsaufnahme anstatt dagegen!“ impliziert, dass die künftigen Empfänger des Bürgergelds lieber weiter „faul“ zu Hause bleiben, anstatt mit Sanktionen zur Arbeit getrieben werden. Wie wäre der Anreiz, bei Vollzeit bei 175 Stunden mindestens ein einfaches Leben führen und einen einfachen Ruhestand genießen zu können, ohne auf staatliche Hilfe angewiesen zu sein, ohne 250 Stunden und mehr „kloppen“ zu müssen? Natürlich ist das alles nicht von jetzt auf gleich realisier- und vor allem finanzierbar. Selbst wenn Arbeitgeber genau das wollen. In der Regel können sie es nicht und sind froh, wenn sie„geringe“ Objektzuschläge beim Kunden durchsetzen können und nicht gegen einen billigeren Dienstleister ausgetauscht wurden. Und für Arbeitgeber, denen so etwas wichtig ist, gibt es keine Lobby. Kein Bundesverband, der sich wirklich starkmacht, faule Eier aussortiert und über den Tellerrand blickt, um eine Akzeptanz in der Politik zu schaffen und die Bereitschaft zu wecken, daran etwas zu ändern. Während meiner fast 15 Jahren in der Branche hatte ich eine nicht mehr nachvollziehbare Anzahl an Vorstellungsgesprächen. Es dürften weit über 1.000 gewesen sein, aber die Anzahl der Bewerber, die „keinen Bock“ hatten, die bekomme ich noch ungefähr zusammen: vielleicht 50, die schon im Gespräch signalisierten, kein Interesse zu haben, 25, die schon kurz nach der Einstellung das Unternehmen wieder verlassen durften. Ich sehe da kein Problem oder Potenzial, Ressourcen zu sparen. Diese Diskussion dient meines Erachtens lediglich der Spaltung unserer Gesellschaft. Leiter Marketing & Geschäftsentwicklung der CMD – Sicherheit und Dienstleistungen GmbH & Co. KG Ralf Philipp

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