DER SICHERHEITSDIENST

WIRTSCHAFTSSCHUTZ 41 DSD 2 | 2022 Geschäftliche Auslandsreisen im Aufwind – aber sind es die Sicherheitsvorkehrungen auch? Von Klaus Henning Glitza Die Anzahl unabdingbarer Geschäftsreisen ins Ausland hat in den zurückliegenden Jahren immens zugenommen. Aber auch die Risikofaktoren. Neue Bedrohungsformen, instabile Staaten. Behördenwillkür und längst überwunden geglaubte Formen der Kriegsführung in Europa, haben große Teile der Welt zu einem Gefahrenraum bislang unbekannten Ausmaßes gemacht. In diesem sicherheitskritischen Umfeld müssen sich heute viele Geschäftsreisende bewegen. Doch nicht immer wird das Maximale für ihre Sicherheit getan. Vielmehr ist der Schutz von Mitarbeitenden imAusland nicht selten ein Stiefkind. Eine Umfrage der Global Business Travel Association (GBTA) ergab, dass 46 Prozent der britischen und US-amerikanischen Geschäftsreisenden in Unternehmen arbeiten, die über keine klaren Reisesicherheitsrichtlinien verfügen. 22 Prozent dieser Personen haben nicht einmal die geringste Ahnung, an wen sie sich im Notfall im Ausland wenden könnten. Das dürfte in Deutschland zwar anders, aber nicht gänzlich anders sein. Für die Sicherheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch im Ausland zu sorgen, ist kein bloßes Goodwill. Vielmehr ist es eine gesetzliche Grundpflicht, die sich aus dem deutschen Arbeitsschutzgesetz (§ 3) ergibt. Unternehmen, die jemanden temporär oder über längere Zeit ins Ausland entsenden, sind für die Sicherheit ihrer Beschäftigten verantwortlich. Dritte, wie Behörden oder andere Organisationen, können dabei unterstützen. Doch das ändert nichts daran, dass die originäre Verpflichtung einzig und allein beim Beschäftigungsunternehmen liegt. Wird öffentlich, dass ein wirkliches Reisesicherheitsmanagement im Unternehmen nicht existiert, ist das regelmäßig mit erheblichen Imageschäden verbunden. Die Gefahren, die auf Auslandsreisende lauern, bestehen nicht nur aus den „worst cases“: Entführungen, Überfällen, Terrorakten oder Naturkatastrophen. Es sind auch Erkrankungen, Verkehrs- und Arbeitsunfälle oder Straßenkriminalitätstaten denkbar. Allein durch Diebstähle oder Überfälle können massive Probleme auftreten. Beispiele sind der Verlust von Arbeits- und Kommunikationsgeräten (Laptops, Tablets, Smartphones), Ausweispapieren oder finanziellen Mitteln. Das A und O in solchen Fällen ist die jederzeit gesicherte telefonische Erreichbarkeit des Beschäftigungsunternehmens. Alles steht und fällt mit einer 24/7-Notfall-Hotline. Denn aufgrund der Zeitverschiebung kann es durchaus vorkommen, dass im Einsatzland die Sonne scheint, während in Deutschland tiefste Nacht herrscht und niemand ans Telefon geht. Noch gravierender sind Wochenenden. Im schlechtesten Fall herrscht dann zwischen Freitagmittag und Montagmorgen „Funkstille“. Das ist nicht nur ein Ärgernis, sondern kann massive Verschärfungen der Problemlage nach sich ziehen. Auch kleine und mittelständische Unternehmen können dem entgegenwirken, indem sie beispielsweise einer oder mehreren Personen (im Wechsel) ein spezielles Smartphone an die Hand geben, dass nur für solche Notrufe bestimmt ist. Generell sind es mehrere Schritte, die zu einem funktionierenden Reisesicherheitsmanagement führen. Dies sind im Einzelnen: • Gefährdungsanalyse: Welche Risiken sind aus unternehmensinternen Erfahrungen oder anderen Quellen bekannt geworden? • Erarbeiten einer Richtlinie: Welche Maßnahmen soll/muss ein auf Reisesicherheit bezogenes Konzept umfassen? Welche dieser Maßnahmen kann das Unternehmen selbst umsetzen, für welche wird operative Unterstützung Dritter benötigt? • Detailkenntnisse: Wie kann ein möglichst detailliertes Bild der konkreten Lage im Einsatzgebiet erlangt werden? • Agenda: Wie kann unter Berücksichtigung des genannten Lagebildes diesen Risiken begegnet werden? Ehemaliger Redakteur der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, Träger des Deutschen Förderpreises Kriminalprävention (Stiftung Kriminalprävention, Münster) und seit 2003 als Fachjournalist für Sicherheitsfragen tätig. Klaus Henning Glitza Die Welt ist zu einem ökonomischen Handlungsfeld, aber auch zum Gefahrenraum bislang unbekannten Ausmaßes geworden. Bild: Onno Blaauw/unsplash.com

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