DER SICHERHEITSDIENST

WIRTSCHAFT UND POLITIK 43 DSD 1 | 2022 informieren und zur Prävention zumotivieren. Das ist auch der Sinn der Initiative Wirtschaftsschutz, zu der sich die vier obersten Bundessicherheitsbehörden mit den Bundesverbänden BDI, ASW und BDSW sowie der DIHK zusammengeschlossen haben. Die Präventionsbereitschaft der bedrohten Wirtschaft und jedes einzelnen Unternehmens wird viel eher erreicht, wenn das gesamte Bedrohungspotenzial dargestellt und analysiert wird. Insgesamt hätte eine auf die Gesamtbedrohung – und nicht täterbezogen – ausgerichtete Definition der Wirtschaftskriminalität eine Reihe von Vorteilen: • Sie wäre besser geeignet, das Ausmaß der Bedrohung der Wirtschaft zu verdeutlichen und die Abwehrbereitschaft der Wirtschaft herbeizuführen. • In Zeitreihen könnte dargestellt werden, wie sich die Bedrohung durch die einzelnen Deliktsarten entwickelt und wie diese Entwicklung durch Präventionskampagnen – etwa die Initiative Wirtschaftsschutz – beeinflusst wird. • Die Bedrohung könnte differenziert für verschiedene Branchen statistisch erfasst und bewertet werden. Eine Durchsicht der in der PKS erfassten Deliktsarten, durch die Unternehmen bedroht werden, ergibt Differenzierungsmöglichkeiten für mindestens 18 Branchen,5 vom Einzelhandel bis zu Spielhallen. • In einer regionalen Zuordnung aller 36 in der PKS aufgeführten Deliktsarten insbesondere der Raub-, Diebstahls-, Vermögens-, Wettbewerbs-, Computer- und Umweltkriminalität, von denen Wirtschaftsbranchen und Unternehmen betroffen sind, könnte analysiert werden, welche Bundesländer, Wirtschaftsregionen und urbanen Zonen insgesamt unter dem Aspekt krimineller Bedrohungen für den Standort eines Unternehmens günstiger oder ungünstiger sind. • Das Bundeslagebild Wirtschaftskriminalität wäre kompatibel zur Zielrichtung der Initiative Wirtschaftsschutz und ginge über das enge Spektrum des derzeitigen Bundeslagebildes weit hinaus. Fall- und Schadensbilanzen Eine Summierung der Fallzahlen in den in der PKS 2020 aufgelisteten Deliktsarten, von denen die Wirtschaft, ihre Branchen und die einzelnen Unternehmen unmittelbar betroffen sind, ergibt über eine Millionen Verdachtsfälle (ohne das unbestimmt große Dunkelfeld nicht ermittelter oder nicht angezeigter Vorfälle). Das sind durchschnittlich in jeder Minute zwei Schadensereignisse und das ist mehr als das 20- Fache der Anzahl der Delikte der Wirtschaftskriminalität nach der derzeitigen Definition im Bundeslagebild 2020. Den durch die so definierteWirtschaftskriminalität angerichteten Schaden gibt das Bundeslagebild mit 3,011 Mrd. Euro an. Dagegen hat der Bundesverband Bitkom 2021 eine Befragung durchgeführt, nach der sämtliche befragten Unternehmen entweder tatsächlich (88 Prozent) oder vermutlich (12 Prozent) in den letzten zwölf Monaten von Diebstahl, Industriespionage oder Sabotage betroffen waren und nach der durch diese kriminellen Angriffe Schäden von insgesamt 223 Mrd. Euro entstanden sind,6 allein durch Schädigung oder Ausfall von Informations- und Produktionssystemen in Höhe von 61,9 Mrd. Euro. Und das Retail Institute EHI gibt für 2020 die durch Ladendiebstähle verursachten Inventurdifferenzen mit 4,2 Mrd. Euro an.7 Literaturhinweis 1 vgl. Polizeiliche Kriminalstatistik, Grundtabelle "Wirtschaftskriminalität" V 1.0 2 Schwind H-D, Kriminologie, 10. Aufl. 2000, C.F.Müller, § 21 RNr.17 3 Burghard W. und andere, Kriminalistik-Lexikon, 3. Aufl. 1996, Kriminalistik-Verlag, S. 355 4 BurghardW. und andere, Kriminalistik-Lexikon, S. 355 5 Bahnverkehr, Einzelhandel, Finanzdienste, Gaststätten, Geld- undWertdienste, Geldinstitute, Gesundheitswesen, Hotels, Kommunikationsdienste, Lebensmittelindustrie, Luftverkehr, Pharmaindustrie, Postfilialen, Schiffsverkehr, Spielhallen, Tankstellen, Telekomdienste, Versicherungen 6 Wirtschaftsschutz 2021, Berlin, 5. August 2021 7 Pressemeldung vom 30. Juni 2021 Bild: Vitalii Vodolazskyi – stock.adobe.com

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