DER SICHERHEITSDIENST

WIRTSCHAFT UND POLITIK 43 DSD 4 | 2025 Spionage, Sabotage, Wirtschaftsschutz – (potenzielle) Innentäter Teil 1 Von Prof. Dr. Stefan Goertz Hochschule des Bundes, Fachbereich Bundespolizei, Lübeck Dieser Beitrag stellt die persönliche Auffassung des Autors dar. Prof. Dr. Stefan Goertz Einleitung – Bedrohungslage durch Spionage und Sabotage Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine kam und kommt es zu geopolitischen und geoökonomischen Verwerfungen. (Potenzielle) Gefährdungen durch Spionage und Sabotage haben nach Angaben der deutschen Sicherheitsbehörden ein neues Niveau erreicht, qualitativ und quantitativ.1 Nach aktuellen Angaben des neuen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Sinan Selen, in der neunten öffentlichen Anhörung des Parlamentarischen Kontrollgremiums am 13. Oktober 2025 verfolgt Russland „aggressiv seine machtpolitischen Ambitionen gegen Deutschland, die EU und seine westlichen Verbündeten. Russische Dienste modifizieren fortlaufend die Eskalationsstufen ihrer Aktivitäten mit dem strategischen Ziel, die liberalen Demokratien zu schwächen. In der Konsequenz detektieren wir ein breites Spektrum von Spionage, Desinformation, Einflussnahme, Sabotage und Cyberangriffen ausländischer Akteure und Staaten in Deutschland. Neben Russland nehmen China und der Iran Schlüsselpositionen für den Bereich nachrichtendienstlicher Aktionen und transnationaler Repression ein.“2 Sabotage ist die bewusste Beeinträchtigung von wirtschaftlichen Produktionsabläufen, militärischen oder politischen Prozessen. Dazu kann das Beschädigen oder Zerstören wichtiger Anlagen und Einrichtungen beispielsweise im Bereich Kritischer Infrastrukturen (KRITIS) zählen (z. B. Kraftwerke, Verkehrsverbindungen und Kommunikationsanlagen). Sabotageakte durch Geheimdienste ausländischer Staaten oder von Extremisten (die potenziell auch als Proxy-Akteure fremder Geheimdienste agieren könnten) können nach aktuellen Angaben der deutschen Sicherheitsbehörden weitreichende Auswirkungen haben und zu schwerwiegenden Schäden 1 Vgl. https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2025/pressemitteilung-2025-10-13-pkgr.html (27.10.2025). 2 Vgl. ebd. 3 Vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz (2024): Sicherheitshinweis für die Wirtschaft 1/2024, Schutz vor Sabotage Nr. 2, S. 1. 4 Bundesamt für Verfassungsschutz (2025): Gefährdungen durch russische Spionage, Sabotage und Desinformation, S. 20-21. führen. Dies gilt vor allem mit Blick auf Kritische Infrastrukturen (KRITIS) und KRITIS-nahe Unternehmen, die essenziell für ein funktionierendes Gemeinwesen sind.3 Zu den bei Spionageaktivitäten eingesetzten Mitteln zählen menschliche Quellen (HUMINT – human intelligence) genauso wie Cyberangriffe und andere technische Aufklärungsmittel, darunter die Überwachung drahtloser Kommunikation. Solche geheimdienstlichen Aktivitäten stellen eine ernsthafte Bedrohung für Deutschland und andere europäische Staaten dar. Die Gefährdungslage, die von (potenzieller) Sabotage in Deutschland und anderen europäischen Ländern ausgeht, hat sich durch den Russland-Ukraine-Krieg deutlich verschärft. 2024 kam es in mehreren europäischen Ländern zu Sabotagevorfällen wie Bränden, Ausspähungen von Menschen und Einrichtungen, Drohnensichtungen über sensiblen Bereichen von Verteidigung und KRITIS sowie Cyberattacken. Auch wenn nicht jeder vermutete Sabotagevorfall eine Maßnahme russischer Nachrichtendienste ist, profitiere das System Putin von der dadurch entstehenden Unsicherheit, so das BfV.4 Die heute zu verzeichnende Vermischung von Aktivitäten staatlicher und nicht staatlicher Akteure erschwert zudem eine Zuordnung und ermöglicht es Russland, Verantwortung abzustreiten (siehe die späteren Ausführungen zu den„Low Level-Agenten“, Proxy-Akteuren). Dieser Artikel bespricht in zwei Teilen vor dem Hintergrund von Wirtschaftsschutz, welche Bedrohungen aktuell und zukünftig von Spionage und Sabotage ausgehen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf (potenziellen) Innentätern. Innentäter – wer kann es sein/werden? Innentäter sind nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV)„Personen, die in Unternehmen, in Forschungseinrichtungen oder ande-

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