GELD UND WERT 23 DSD 4 | 2025 Durch Sicherheitsvorfälle wie Datenabflüsse lassen sich Zahlungsinformationen mit BrowsingGewohnheiten und vor allem den Standortdaten zusammenführen und geben so ein äußerst detailliertes Bild über die Person ab. Nicht nur für Personen, die in der Kritischen Infrastruktur arbeiten, kann dies gefährlich werden. Für die Gesellschaft bedeutet dies, dass ihre Mitglieder dauerhaft beobachtet und damit praktisch gläsern und beeinflussbar werden. Wünsche und Befindlichkeiten können intransparent und international für Beeinflussung – recht freundlich „nudging“, also anstupsen, genannt – gesteuert werden. Diese käuflichen Informationen können nicht nur genutzt werden, um den Kauf einer Margarine zu beeinflussen, sondern auch, um auf Wahlen und gesellschaftliche Stimmungen einzuwirken. Wer Bargeld nutzt, ist nicht auf die Vertraulichkeitszusagen der Anbieter elektronischer Zahlungssysteme angewiesen, sondern entzieht sich auch dieser Form der Spionage. Doch auch beim Bargeld schrumpft der anonyme Anwendungsbereich. Durch die Digitalisierung der Kassen-, Prüf- und Sortiersysteme kann mittlerweile anhand der Seriennummer der Weg eines Geldscheins nachverfolgt werden. Sicherheit durch Unabhängigkeit von digitalen Systemen In der Hand des Einzelnen ist Bargeld von digitalen Systemen unabhängig. Bei Stromausfällen, Cyberangriffen oder technischen Störungen steht auf einmal die gesamte digitale Zahlungsinfrastruktur still. Diese Angriffe dienen auch dazu, unsere Gesellschaft zu verunsichern und dadurch zu destabilisieren. Doch Euroscheine und Münzen funktionieren selbst dann, wenn nichts anderes mehr geht. Die Verfügbarkeit von Bargeld kann ein Element sein, um Sicherheit zu geben. Zugleich muss der Zugang zu Bargeld für alle Menschen garantiert sein – auch für jene, die weniger mobil oder technisch versiert sind. Diese inklusive Kraft des Bargelds sollte nicht unterschätzt werden. In einer Welt, in der digitale Konten, Apps und Kartenzahlungen immer mehr an Bedeutung gewinnen, bleibt Bargeld das universelle Zahlungsmittel für alle Gesellschaftsschichten. Es ermöglicht gesellschaftliche und wirtschaftliche Teilhabe auch dann, wenn technischer Zugang fehlt. Machtbalance Staatliche Stellen und große Finanz- oder Technologiekonzerne können den gesamten Geldfluss zentral kontrollieren. Damit geht die Möglichkeit einher, Transaktionen zu überwachen, zu blockieren oder gezielt zu beeinflussen. In Kombination mit modernen Datenauswertungen könnte bei einer Verlagerung auf den elektronischen Zahlungsverkehr eine neue Form sozialer Kontrolle entstehen. Fazit Geld ist und bleibt das zentrale Kommunikationsmedium im Wirtschaftssystem. Der Erhalt des Bargelds ist daher nicht nur eine technische, sondern vor allem eine gesellschaftliche und ethische Entscheidung darüber, wie viel persönliche Freiheit eine Gesellschaft bereit ist, im Namen von Sicherheit und Kontrolle zu erhalten oder aufzugeben. Wie Niklas Luhmann betonte, ist geldliche Kommunikation strukturell mit anderen Lebensbereichen gekoppelt – Veränderungen im Umgang mit Bargeld wirken sich also unmittelbar auf soziale, politische und individuelle Bereiche aus. In einer komplexen und digitalisierten Welt ist Bargeld ein Instrument, Sicherheit zu vermitteln, Unsicherheiten abzubauen und Souveränität des Individuums zu erhalten. Wer heute auf Bargeld verzichtet, verzichtet auf eine tragende Säule der freiheitlichen Gesellschaft. Bild: # 695655884 / istockphoto.com
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==