GELD UND WERT 19 DSD 4 | 2025 Doch gerade KMU, die bislang ihre Bargeldbedarfe bei der örtlichen Bank regeln konnten, stehen heute oft vor verschlossenen Türen oder müssen erhebliche Preissteigerungen bei der Beschaffung von Münzen und der Abgabe von Tageseinnahmen hinnehmen. Rechtliche Grenzen und Regulierung In Deutschland gibt es zwar keine explizite gesetzliche Verpflichtung zur Bargeldannahme im privatwirtschaftlichen Bereich. Die Vertragsfreiheit ermöglicht es Händlern, die Annahme zu verweigern – sofern dies transparent kommuniziert wird. Auf EU-Ebene wird intensiv diskutiert: Die Europäische Kommission erwägt Maßnahmen zur Sicherstellung der Bargeldakzeptanz und -verfügbarkeit. Ein Legislativvorschlag könnte Annahmezwang und Mindeststandards für die Bargeldinfrastruktur festlegen. Diese Überlegungen reflektieren die Sorge, dass ohne regulatorische Eingriffe die Bargeldinfrastruktur weiter erodiert. Ob damit Bargeld gerettet werden kann, ist mehr als fraglich. Wahrscheinlich werden Händler mit weiter steigenden Kosten und labilen Bargeldinfrastrukturen leben müssen, es sei denn, die Politik wählt einen anderen Ansatz und setzt auf ein nachfrageorientiertes Angebot auf allen Ebenen der Bargeldlogistik. Bargeld als Sicherheitsinstrument Oft übersehen wird eine zentrale Funktion: Bargeld als Krisenwährung und Resilienzinstrument. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz empfiehlt Bürgern inzwischen, Bargeldreserven für Notfälle vorzuhalten – eine offizielle Anerkennung der systemischen Bedeutung. Beim Ahrtal-Hochwasser 2021 zeigte sich eindrucksvoll: Während digitale Zahlungssysteme bei Infrastrukturausfällen komplett versagten, funktionierte Bargeld weiterhin. Cyberangriffe, Stromausfälle, Systemausfälle im Finanzsektor – diese Szenarien verdeutlichen die Vulnerabilität rein digitaler Systeme. Bargeld bietet Unabhängigkeit von technischer Infrastruktur und damit auch wirtschaftliche Souveränität gegenüber internationalen Zahlungsnetzwerken. Geopolitische Spannungen haben dieses Bewusstsein zusätzlich geschärft. Wege zur Effizienzsteigerung Wie lässt sich der Bargeldkreislauf zukunftsfest gestalten? Die Bundesbank geht dieser Frage nach und hat das Bargeldforum etabliert, ein wichtiges Instrument und ein Zeichen, dass man die Probleme ernst nimmt. Hier kommen alle relevanten Akteure zusammen – Banken, Handel, Wertdienstleister, Verbraucherschützer. Es wird über den aktuellen Stand der Infrastruktur diskutiert. Es werden Maßnahmen erörtert. Man denkt über zukünftige Szenarien nach. Man ermittelt konkrete Handlungsaufträge an die Politik und Regierungsbehörden. Solche Plattformen sind wertvoll. Die politischen Ergebnisse aus diesen Foren sollten konkretisiert und als Handlungsauftrag gesehen werden, um Bargeld zukunftsfähig zu machen. Das Spannungsfeld der Zukunft Die eigentliche Herausforderung liegt im Paradoxon: Die wirtschaftlichen Grundlagen der Bargeldversorgung verschlechtern sich kontinuierlich, während die systemische Bedeutung ungebrochen bleibt oder in Krisen sogar steigt. Der Wunsch nach demokratischer Teilhabe, Privatsphäre, Resilienz und Inklusion erfordert funktionierende Bargeldinfrastrukturen – auch wenn diese ökonomisch zunehmend unwirtschaftlicher werden. Deutschland und die EU positionieren sich dabei als Verfechter eines ausgewogenen Ansatzes. Weder eine vollständig bargeldlose Zukunft noch nostalgische Rückwärtsorientierung haben die Oberhand. Stattdessen geht es um koordinierte Anstrengungen: Politik, Finanzwirtschaft, Handel und Verbraucher müssen gemeinsam nachfrageorientierte und resiliente Lösungen gestalten – denn eine wirklich robuste Zahlungslandschaft braucht beide: die digitale Zukunft und eine funktionierende bewährte Gegenwart.
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