DER SICHERHEITSDIENST

GELD UND WERT 18 DSD 4 | 2025 Bargeld unter Druck: zwischen Tradition und Transformation Von Stefan Genth Trotz voranschreitender Digitalisierung bleibt Bargeld in Deutschland ein zentrales Zahlungsmittel. Doch die Infrastruktur steht unter erheblichem Druck – getrieben durch technologischen Wandel, veränderte Zahlungsgewohnheiten und regulatorische Entwicklungen. Die Fragen werden drängender: Wie gestalten wir die Zukunft des Bargelds? Wer trägt die Kosten? Und warum sollte es uns überhaupt noch interessieren? Eine deutsche Besonderheit Deutschland hebt sich deutlich von skandinavischen Ländern und angelsächsischen Märkten ab: Während diese bereits auf bargeldlose Systeme setzen, bevorzugt hierzulande ein großer Teil der Bevölkerung nach wie vor Münzen und Scheine. Diese Präferenz ist kulturell tief verankert, demografisch vielfältig und sozial hochrelevant. Umfragen zeigen ein differenziertes Bild: Ältere Menschen zeigen eine deutlich höhere Affinität zu Bargeld, während jüngere Generationen vermehrt digital zahlen. Doch dieser Unterschied ist nicht absolut. Auch unter der Jugend gibt es Bargeldnutzer – aus Gründen der Ausgabenkontrolle, des Datenschutzes und der finanziellen Privatsphäre. Viele Menschen schätzen die Anonymität von Bargeldtransaktionen als wichtigen Aspekt ihrer finanziellen Privatsphäre, insbesondere vor dem Hintergrund zunehmender digitaler Überwachungsmöglichkeiten. Die haptische und psychologische Dimension darf nicht unterschätzt werden: Viele Menschen kontrollieren ihre Ausgaben besser, wenn sie physisches Geld in der Hand halten und erleben ein direkteres Verhältnis zum Wert des Geldes. Für vulnerable Gruppen – ältere Menschen, Personen ohne digitale Kompetenz, Menschen ohne Bankzugang – bleibt Bargeld unverzichtbar. Gleichzeitig wächst der Wunsch nach nahtlosen, schnellen und kontaktlosen Zahlungsmöglichkeiten – ein Spannungsfeld zwischen traditionellen und modernen Zahlungspräferenzen. Der schleichende Rückgang Die Zahlen erzählen eine Geschichte des massiven Wandels: Der Anteil von Bargeldzahlungen am Point of Sale sank von etwa 74 Prozent im Jahr 2017 auf circa 51 Prozent im Jahr 2023. Die Coronapandemie beschleunigte diesen Trend erheblich, als kontaktlose Zahlungen aus hygienischen Gründen bevorzugt wurden. Parallel dazu schrumpfte die Geldautomatendichte: von 59.000 Automaten im Jahr 2019 auf unter 54.000 im Jahr 2024; begleitet durch einen deutlichen Rückgang der Bankstellen. Diese Entwicklung führt besonders in ländlichen Regionen zu Versorgungslücken und verstärkt paradoxerweise den Trend zur digitalen Zahlung durch die reduzierte Verfügbarkeit von Bargeld. Doch hier zeigt sich ein faszinierendes Phänomen: Während die Anzahl der Transaktionen sinkt, bleibt der Gesamtwert des Bargeldumlaufs konstant oder steigt sogar. Bargeld wird zunehmend als Wertaufbewahrungsmittel genutzt – große Scheine wie 100- und 200-Euro-Noten zirkulieren als Geldreserve, während kleine Münzen aus dem alltäglichen Zahlungsverkehr verschwinden. Infrastruktur im Wandel Überregionale Wertdienstleister wie Prosegur, Loomis und Ziemann dominieren den deutschen Markt, weitere teils regional tätige Unternehmen ergänzen das Angebot. Sie alle stehen aber vor massiven Herausforderungen, da steigende Kosten und ein eher schrumpfender Markt die Profitabilität drücken. Der Konsolidierungsdruck in der Branche nimmt zu. Die Branche reagiert mit innovativen Ansätzen: Automatisierung und Digitalisierung ihrer Prozesse, moderne Cash-Recycling-Systeme, intelligente Tresore und vernetzte Geldautomaten sollen Effizienz steigern und Kosten senken. Innovative Ansätze entstehen auch an anderen Stellen: Cash-Back-Services im Supermarkt bieten neue Bezugsorte für Bürger, ersetzen können sie traditionelle Geldautomaten allerdings nicht. Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE) www.einzelhandel.de Stefan Genth

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