78 DSD 3 | 2025 Konzepte in der Angebotswertung – welche Überprüfungsmöglichkeiten bestehen? VK Südbayern, Beschluss vom 6. August 2024 – 3194.Z3-3_01-24-26 Von Rechtsanwalt Alexander Nette VERGABERECHT Sachverhalt Der Auftraggeber (AG) schreibt Sicherheitsdienstleistungen für staatliche Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber aus. Als Zuschlagskriterien werden der Preis und die Qualität benannt. Hinsichtlich der Qualitätsbewertung gibt der Auftraggeber vor: „Für die Bewertung der Qualität der vom Bieter angebotenen Leistungen soll der Bieter ein Konzept zur Durchführung der Bewachungsleistungen vorlegen. Dieses Konzept wird anhand der nachfolgend dargestellten Unterkriterien bewertet.“ Der AG benennt insgesamt drei Unterkriterien mit Gewichtung. Er macht Vorgaben hinsichtlich Seitenzahl, Schriftart, Schriftgröße und Zeilenabstand und formuliert konkrete Fragen zu jedem Unterkriterium. Der AG legt dar, unter welchen Voraussetzungen wie viele Punkte für die Konzepte vergeben werden. Nach einer entsprechenden Bieterfrage wurde allen Bietern ein bearbeitbares PDF-Dokument„Ausführungen zu Zuschlagskriterien“ zur Verfügung gestellt. Ein nicht berücksichtigter Bieter wendet sich nach der Vorinformation gemäß § 134 GWB und der Nichtabhilfe seiner Rüge wegen fehlerhafter Bewertungen der Konzepte an die Vergabekammer (VK). Entscheidungsgründe Die VK gibt dem AG auf, die Angebotswertung unter Berücksichtigung der Hinweise der VK zu wiederholen. Die VK verweist zunächst darauf, dass einzelne Angriffe aus der Rüge präkludiert sind. Diese bezogen sich auf Formulierungen in der Bewertungsmatrix, die nach Auffassung des Bieters nicht eindeutig verständlich waren. Die VK weist darauf hin, dass aus den Vergabeunterlagen erkennbare Verstöße bis zum Ablauf der Frist für die Angebotsabgabe zu rügen sind. Für diese Erkennbarkeit genügt die laienhafte rechtliche Bewertung, dass etwas nicht stimmt, wobei keine übersteigerten Erwartungen an den Bieter zu stellen sind. Bei offensichtlich ins Auge fallenden Rechtsverstößen, die einem Bieter bei der bloßen Durchsicht der Vergabeunterlagen auffallen bzw. sich ihm aufdrängen müssen, kommt eine Präklusion der Rüge in Betracht. Die Ausführungen zur Konzeptbewertung wären von einem durchschnittlichen und fachkundigen Bieter unter Anwendung der üblichen Sorgfalt bei Erstellung der Konzepte erkennbar gewesen. Bei inhaltlichen Unklarheiten im Hinblick auf Begriffsdefinitionen hätte eine entsprechende Bieterfrage oder Rüge schon bei Erstellung der Konzepte formuliert werden können und müssen. Im Übrigen ist der Nachprüfungsantrag jedoch zulässig und begründet. Die VK führt aus, dass die auf Grundlage des Formblattes „Gewichtung der Zuschlagskriterien“ durchgeführte Angebotswertung einer Nachprüfung nicht standhält. Die VK stellt fest, dass die Konzeptbewertung nicht für alle Bieter einheitlich und diskriminierungsfrei erfolgt ist. Dem AG steht bei Prüfung und Bewertung der Angebote ein Beurteilungsspielraum zu. Die Nachprüfungsinstanzen können diese Entscheidung nur daraufhin kontrollieren, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten, von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen wurde, keine sachwidrigen Erwägungen in die Entscheidung eingeflossen sind und allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet wurden. Dies setzt voraus, dass die Wertung anhand der aufgestellten Zuschlagskriterien vertretbar, in sich konsistent und in diesem Sinne nachvollziehbar ist. Der Nachvollziehbarkeit komme im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens besondere Bedeutung zu und sie sei eng mit der gesetzlich statuierten Dokumentationspflicht verbunden. Für die Nachprüfungsinstanzen muss nachverfolgbar sein, warum das ausgewählte Angebot als das wirtschaftlichste bewertet wurde. Die Gründe müssen so detailliert sein, dass ein mit dem Vergabeverfahren vertrauter Leser sie als fassbar erachtet. NETTE Rechtsanwälte, Recklinghausen ist Fachanwalt für Vergaberecht, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie Lehrbeauftragter für Vergaberecht und Vertragsmanagement an der Westfälischen Hochschule. Er ist spezialisiert auf die Beratung von Bietern und öffentlichen Auftraggebern in Vergabe- und Nachprüfungsverfahren. RA Alexander Nette, LL.M Bild: # 1319879300 / istockphoto.com
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==