28 DSD 3 | 2025 IT- UND CYBERSICHERHEIT Der Hacker im Hoodie ist passé Wie wehrt man sich gegen hochprofessionelle Cyberkriminelle? Im Gespräch mit Fred-Mario Silberbach Unternehmen aller Branchen sehen sich heute mit einer kriminellen Industrie konfrontiert, die hochvernetzt, arbeitsteilig und international operiert. Gleichzeitig bleibt ein Großteil der Angriffe im Verborgenen, da viele Vorfälle nicht gemeldet werden. Dabei hätte dies erhebliche Vorteile – und die Furcht vor Nachteilen ist in aller Regel unbegründet. GIT SICHERHEIT sprach darüber mit Fred-Mario Silberbach, leitender Kriminaldirektor beim Bundeskriminalamt (BKA). Herr Silberbach, Sie haben kürzlich einen ziemlich beeindruckenden Vortrag beim BSKI, dem Bundesverband für den Schutz Kritischer Infrastrukturen, gehalten. Ich habe mitgenommen, dass die Bekämpfung der Cyberkriminalität zwar ständige und erhebliche Anstrengung erfordert – diese aber letztlich durchaus erfolgreich ist. Bevor wir tiefer einsteigen – wie besorgt bzw. wie zuversichtlich sind Sie, was das Thema betrifft? Fred-Mario Silberbach: Die Lage ist ernst, aber nicht aussichtslos. Richtig ist, dass Cybersicherheit eine wichtige Gemeinschaftsaufgabe ist, zu der wir alle in unserem eigenen Interesse dauerhaft beitragen sollten. Dazu gehört für mich auch, dass wir die Wehrhaftigkeit unseres Rechtsstaates und unserer Gesellschaft angesichts der steigenden Bedrohungen weiter stärken müssen und uns nicht auf Erfolgen ausruhen dürfen. Schauen wir mal auf die Zahlen: Die Charts sehen ja auf den ersten Blick aus, wie man es sich eher bei Börsenkursen wünscht – nur dass wir 2024 eben von einem Gesamtschaden von 266,6 Milliarden Euro sprechen. Wie setzen sich die Schäden im Wesentlichen zusammen? Fred-Mario Silberbach: Diese Zahl ist das Ergebnis einer jährlich durchgeführten Studie des Digitalverbands Bitkom – und stellt einen neuen Rekordwert dar. Die zugrunde liegende Erhebung ist ein guter Indikator für die aktuelle Gefährdungslage. Für uns besonders relevant sind die Schäden durch Cyberattacken, die im vergangenen Jahr auf 178,6 Milliarden Euro angestiegen sind. Das entspricht einem Plus von 30,4 Milliarden Euro im Vergleich zu 2023 und zeigt: Cybercrime ist und bleibt eine große Bedrohung. Auch durch die zunehmende Professionalisierung der cyberkriminellen Akteure, die zur Entwicklung einer regelrechten kriminellen Industrie geführt hat. Wirtschaftsunternehmen werden heute offenbar erheblich stärker attackiert als noch 2017. Und das zeigt der Vergleich der Zahlen zwischen „betroffen“ und„vermutlich betroffen“, wenn ich das richtig verstehe. Wie steht es um die Anzeigequote? Fred-Mario Silberbach: Die Anzeigenquote ist leider sehr gering. Verschiedene Studien kommen zu dem Ergebnis, dass etwa neun von zehn Cyberdelikten nicht angezeigt werden. Wir müssen also von einem großen Dunkelfeld von rund 90 Prozent ausgehen. So vielschichtig die Ursachen dafür sein mögen – wichtig ist vor allem, dass Cyberangriffe stets auch der Polizei angezeigt werden. Das geschieht leider nicht automatisch und wir können nur Straftaten verfolgen, die uns auch bekannt geworden sind. Damit die Polizeibehörden für Unternehmen und Organisationen in Fällen von Cybercrime auch besser und schneller erreicht werden können, haben alle Landeskriminalämter und auch wir im BKA je eine Zentrale Ansprechstelle Cybercrime eingerichtet. Die Kontaktdaten und weitere Informationen zu den Aufgaben und Angeboten der Zentralen Ansprechstellen Cybercrime finden sich unter www.polizei.de. Die Aufklärungsquote ist gar nicht übel – sie liegt bei Cybercrime immerhin bei fast einem Drittel. Wird das von den Betroffenen nach Ihrer Wahrnehmung unterschätzt? Und was setzen Sie dem entgegen? Fred-Mario Silberbach: Unserer Erfahrung nach bestehen bei den Unternehmen oftmals immer noch Vorbehalte, Cybercrime-Delikte zur Anzeige zu bringen. Da spielt zum einen die Angst vor einem Reputationsverlust eine große Rolle, zum anderen jedoch auch die Befürchtung, dass wir dann Leitender Kriminaldirektor beim Bundeskriminalamt (BKA) Die Erstveröffentlichung des Interviews erfolgte in der Ausgabe 7-8/2025 der Zeitschrift GIT SICHERHEIT. https://git-sicherheit.de/de/ Wir bedanken uns für die Abdruckgenehmigung. Fred-Mario Silberbach
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