33 DSD 1 | 2025 Für die Zahlungslandschaft in Deutschland im Jahr 2037 zeichnet die Studie drei verschiedene Szenarien, die zwar nicht als Prognosen, wohl aber als datengestützte plausible Zukunftsbilder verstanden werden können: 1. Ein digitales Szenario, in dem das Bargeld weitgehend aus unserem Alltag verschwunden ist und nur noch 15 Prozent aller Transaktionen bar abgewickelt werden. 2. Ein Renaissance-Szenario, in dem sich die Bargeldnutzung weitgehend stabilisiert und sich auf einem ähnlichen Niveau wie heute bewegt. 3. Ein Mischszenario, in dem das Bargeld hauptsächlich nur noch von einzelnen gesellschaftlichen Gruppen genutzt wird. Insgesamt sinkt der Anteil der Barzahlungen auf etwa 30 Prozent. Damit bewegen sich in zwei der drei Szenarien Nutzung, Zugang und Akzeptanz auf einem deutlich niedrigeren Niveau als heute. Zwar verschwindet das Bargeld in keinem der Szenarien vollständig – die Gesellschaft wird also nicht völlig „bargeldlos“. Dennoch ist eine Welt mit deutlich reduzierter Bargeldnutzung ein realistisches und plausibles Szenario – wenn auch kein unausweichliches. 4 Vgl. https://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/banken/kartenzahlung-probleme-haendler-von-panne-bei-zahlungsfirma-betroffen/100068566.html Wann und warum sind wir ohne Bargeld hilflos? Einer Antwort auf die erste Frage hätten wir uns damit genähert. Kommen wir also zur zweiten Frage: Ist eine Gesellschaft, die weitgehend auf Bargeld verzichtet, tatsächlich hilflos und wenn ja, warum? Hier möchte ich zwei Perspektiven unterscheiden: erstens die gesamtgesellschaftliche Perspektive und zweitens die Perspektive einzelner gesellschaftlicher Gruppen. Betrachten wir zunächst die gesamtgesellschaftliche Perspektive: Der unbare Zahlungsverkehr als Alternative zum Bargeld ist zunehmend abhängig von wenigen privaten, oft außereuropäischen Anbietern. Starke externe Abhängigkeiten bergen aber immer auch Risiken, wie wir zuletzt beim russischen Angriffskrieg auf die Ukraine (Stichwort: Gaslieferungen) eindrucksvoll gesehen haben. Mit dem Euro-Bargeld als rein europäischem Zahlungsmittel stärken wir daher die strategische Autonomie des Zahlungsverkehrs in Europa und können unsere gesamte Volkswirtschaft unabhängiger von alternativen bargeldlosen Zahlungslösungen machen. Mit dieser Unabhängigkeit geht gleichzeitig eine geringere Anfälligkeit gegenüber möglichen Krisenereignissen einher – denken wir hier beispielsweise an technisch bedingte Ausfälle oder Cyberattacken. Erst im vergangenen September kam es zu einem größeren Ausfall von Zahlungsterminals, von dem zahlreiche Supermärkte und Einzelhändler in Deutschland betroffen waren.4 Wie hätten die Kundinnen und Kunden ihre Einkäufe bezahlen sollen, wenn sie nicht kurzfristig auf Bargeld hätten ausweichen können? Zur Robustheit des Bargelds trägt zudem der strukturelle Aufbau des Bargeldkreislaufs bei. Das liegt zum einen daran, dass die Bundesbank als zentraler Akteur über ein dichtes Filialnetz verfügt. Ausfälle einzelner Filialen können so leicht kompensiert werden. Darüber hinaus gibt es in Deutschland im baren Zahlungsverkehr auch eine Vielzahl privater Akteure, nämlich Kreditinstitute und Wertdienstleister. Sollte ein Kreditinstitut oder ein Wertdienstleister vorübergehend in Schwierigkeiten geraten, kann auch hier ein anderes Unternehmen kurzfristig einspringen. Betrachten wir als Nächstes die Perspektive einzelner gesellschaftlicher Gruppen: Hier ist zunächst der inklusive Charakter von Bargeld hervorzuheben. Bargeld ermöglicht einer Vielzahl von gesellschaftlichen Gruppen, die ohne Bargeld nur schwer am Wirtschaftsleben teilnehmen könnten, genau diese Teilhabe. Die Nutzung von Bargeld ist dabei einfach, erfordert kein Bankkonto und ist unabhängig von der eigenen Kreditwürdigkeit. An welche Gruppen denke ich konkret? Zunächst fallen mir Kinder und Jugendliche ein. Diese verfügen gerade in jungen Jahren selten über ein eigenes Bankkonto, weshalb für sie Kartenzahlungen oder mobiles Bezahlen kaum infrage kommen dürften. Darüber hinaus scheint mir gerade die physische Natur des Bargelds den Bedürfnissen von Kindern besonders entgegenzukommen und ihnen die Begrenztheit der eigenen finanziellen Mittel zu verdeutlichen. Der erlernte Umgang mit Bargeld Bild: Frauke Riether / pixabay.com GELD UND WERT
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