57 DSD 4 | 2024 RECHT Der Arbeitgeber verletzt seine Pflicht, sich schützend vor dem von einem Kündigungsverlangen betroffenen Arbeitnehmer zu stellen, wenn er aktiv dazu beiträgt, die ablehnende Haltung anderer Arbeitnehmer gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer zu schaffen oder zu verstärken. Anspruch einer Gewerkschaft auf Herausgabe der oder Zugang zu den dienstlichen E-Mail-Adressen der Mitarbeiter eines Betriebs Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 26. September 2023, 7 Sa 344/22 Das LAG Nürnberg hat entschieden, dass die klagende Gewerkschaft kein digitales Zugriffsrecht auf die betriebsinternen digitalen Kommunikationswege der beklagten Arbeitgeberin aus dem gewerkschaftlichen Betätigungsrecht des Art. 9 Abs. 3 GG hat. Die Parteien streiten um die verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten der digitalen Kommunikationswege – E-Mail-System, Intranet – durch die beklagte Arbeitgeberin und ihre Beschäftigten, auch für die klagende Gewerkschaft. Die Klägerin beantragte daher die Herausgabe aller dienstlichen E-Mail-Adressen der Mitarbeiter der Beklagten, hilfsweise Einrichtung einer eigenen E-Mail-Adresse, Vermeidung der Ablage gesandter E-Mails im Spam-Ordner, Zugang zum Intranet mit dem Stichwort „ask the union“ und auf der Startseite des Intranets eine für die Mitarbeiter unveränderbare Verlinkung mit eigener Internetadresse. Die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichtes Nürnberg wurde vom Landesarbeitsgericht Nürnberg als unbegründet zurückgewiesen. Das LAG Nürnberg weist ausdrücklich darauf hin, dass das gewerkschaftliche Betätigungsrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG und das Eigentumsrecht sowie die Unternehmensfreiheit aus Art. 12, 14 GG in ihrer Wechselwirkung erfasst und zum Ausgleich gebracht werden müssen. Dabei sei zu beachten, dass der Arbeitgeber nach Art. 9 Abs. 3 GG zwar das gewerkschaftliche Betätigungsrecht zu dulden habe, es diesen aber nicht zu einem aktiven Tun zwinge. Insbesondere umfasse das gewerkschaftliche Betätigungsrecht auch die Mitgliederwerbung in den Beschäftigungsbetrieben, sodass der Arbeitgeber den erforderlichen Zutritt und Aufenthalt im Betrieb in der analogen Betriebswirklichkeit zu gewähren und zu dulden habe. Hätte jedoch ein digitales Zugangsrecht der Gewerkschaft in der digitalen Betriebswirklichkeit des Arbeitgebers die Folge, dass durch Herausgabe von E-Mail-Adressen und die damit einhergehende Nachpflege der Verteiler sowie etwaige Programmierarbeiten, die technischen und personellen Ressourcen des Arbeitgebers übermäßig beansprucht werden, würde es sich hierbei um ein aktives Tun und eben nicht mehr um eine bloße Duldung des Arbeitgebers handeln. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass durch die Herausgabe von E-Mail-Adressen und durch den Zugang zum Arbeitnehmerportal über die Hover Cards der Mitarbeiter personenbezogene Daten der Arbeitnehmer offengelegt werden. Zwar könne eine Beeinträchtigung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung nur durch den Betroffenen, also den Arbeitnehmer, selbst geltend gemacht werden, jedoch müsse der Betrieb weiterhin die datenschutzrechtlichen Regelungen beachten. So könne nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO die Verarbeitung personenbezogener Daten nur erfolgen, wenn dies zur Wahrung der berechtigten Interessen eines Dritten notwendig sei und die Schutzinteressen der betroffenen Arbeitnehmer nicht überwiegen würden. Das LAG Nürnberg macht deutlich, dass das erst der Fall ist, wenn ein nicht unerheblicher Teil der Belegschaft aufgrund der Organisation der Arbeitsweise für die herkömmliche Art der gewerkschaftlichen Kommunikation nicht zugänglich ist. Das LAG Nürnberg macht mit diesem Urteil deutlich, dass die Grenzen eines digitalen Zugangs der Gewerkschaften denen des Zugangsrechts aus Art. 9 Abs. 3 GG in der „analogen Welt“ entsprechen. Der Arbeitgeber muss auch in der digitalen Betriebswirklichkeit weder einen Zugriff auf seine Betriebsmittel gestatten noch die Gewerkschaft aktiv bei der Mitgliederwerbung unterstützen.
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