49 DSD 4 | 2024 WIRTSCHAFTSSCHUTZ Freier Journalist. Er beschäftigt sich seit Jahren mit Fragen der privaten Sicherheit. Peter Niggl „… Lieferketten ins Fadenkreuz!“ Von Peter Niggl Wirtschaftsunternehmen und Sicherheitsbehörden sollten ganzheitlich agieren, dabei müsste„auch die Sicherheit von Lieferketten mit bedacht werden“. So ist es in der Bitkom-Studie „Wirtschaftsschutz 2024“ zu lesen, die im August dieses Jahres vorgestellt wurde. Cyberakteure, so heißt es dort, hätten„die gesamte Supply Chain im Blick, während Unternehmen diese häufig vernachlässigen“. Was wenige Wochen später jedoch die globale Lieferkette betreffend geschah, hatte zu diesem Zeitpunkt wohl kaum einer der Sicherheitsexperten auf dem Schirm. Am 17. September gegen 15:30 Uhr (Ortszeit) detonierten in einer ersten Welle Tausende Pager im gesamten Libanon, aber auch in Syrien. Der Angriff galt, darüber ist man sich einig, in erster Linie Milizionären der schiitischen Hisbollah, da der Angriff vor allem im Beiruter Vorort Dahiya, der als Hisbollah-Hochburg gilt, besonders heftige Wirkung entfaltete. Einen Tag später explodierten ebenfalls im Libanon zahlreiche Walkie-Talkies, welche derselben Personengruppe zugerechnet werden. Wenige Tage nach dem Angriff, am 20. September, titelte die – von der US-Regierung finanzierte und in Washington erscheinende – arabischsprachige Zeitschrift „Alhurra“ einen Artikel: „PagerBombenanschläge bringen Lieferketten ins Fadenkreuz!“ Das Blatt meinte, „dass die Pager abgefangen und mit Sprengstoff bestückt wurden, nachdem sie die Fabriken verlassen hatten“. Berichte in der „New York Times“ und der „Washington Post“ lassen auf folgende Abfolge der Ereignisse schließen. Seit Jahren hätten Geheimdienste in den Pagern eine mögliche Möglichkeit gesehen, in die Kommunikationssysteme der Hisbollah einzudringen. Bereits im Jahr 2020 hatte der – inzwischen getötete – Anführer der Hisbollah, Hassan Nasrallah, die Mitglieder der Gruppe vor der Nutzung von Mobiltelefonen gewarnt, weil er die Gefahr vermutete, man würde ihre Mobiltelefongespräche überwachen und ihre Bewegungen verfolgen. Im Februar 2024 wies Nasrallah die Mitglieder der Gruppe an, Pager anstelle von Handys zu verwenden, da er davon ausging, ihr Handynetzwerk sei infiltriert worden. Zunächst war nur klar, dass die präparierten Kommunikationsgeräte aus Taiwan stammen sollten. Die Piepser waren, wie das „China Times Network Taiwan“ schrieb, ein Produkt der Golden Apollo Company im Distrikt Xizhi. Am 5. Oktober dann präsentierte die „Washington Post“ in einer kurzen Meldung eine Variante, die den Ablauf der Vorbereitungen für den Anschlag beschrieb: „Im ersten Verkaufsgespräch an die Hisbollah vor zwei Jahren schien die neue Linie von Apollo-Pagern genau den Bedürfnissen einer Milizgruppe mit einem ausgedehnten Netzwerk von Kämpfern … gerecht zu sein. Der AR 924-Pager war leicht sperrig, aber robust gebaut, um die Bedingungen auf dem Schlachtfeld zu überleben. Es verfügte über ein wasserdichtes taiwanesisches Design und eine übergroße Batterie, die monatelang ohne Laden arbeiten konnte. … Die Führer der Hisbollah waren so beeindruckt, dass sie 5.000 von ihnen kauften und begannen, sie im Februar an Kämpfer der mittleren Ebene und Unterstützungspersonal zu verteilen.“ Wie jedoch genau die Geräte aus Taiwan in den Nahen Osten gekommen sind und an welcher Stelle sie präpariert wurden, ist schwer zu durchschauen. Und das ist sicher kein Zufall. Bei Gold Apollo reagierte man umgehend. Hsu Ching-Kuang, CEO des Unternehmens, sagte auf einer eiligst einberufenen Pressekonferenz, dass die explodierten Pager von seinem ungarischen Partner hergestellt worden seien. In Budapest gab man jedoch bekannt, dass eine Firma BAC Consulting, die angeblich die Kommunikationsgeräte hergestellt haben soll, lediglich ein„kommerzieller Vermittler ohne Produktionsstandort in Ungarn“ sei. Die „New York Times“ vermerkte dazu jedoch, dass das Unternehmen in Budapest „tatsächlich Teil einer Front war“, wie drei über den Einsatz informierte Geheimdienstmitarbeiter berichtet hätten. Die Beamten hätten erklärt, dass zwei weitere Scheinfirmen gegründet worden seien, „um die wahre Identität der Leute zu verbergen, die die Pager herstellen“. Eines der„hohlen“ Unternehmen sei die ungarische BAC Consulting, hieß es in der Zeitung; die beiden anderen nannten sie jedoch nicht. Bild: # 1209591420 / istockphoto.com
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