36 DSD 4 | 2024 Die Öffentliche Sicherheit Deutschlands in Gefahr? Von Prof. Dr. Stefan Goertz Die Öffentliche Sicherheit Deutschlands ist so sehr bedroht, wie sie es seit dem Bestehen der Bundesrepublik Deutschland noch nicht war. Es kommen offensichtlich zu viele Bedrohungen und Akteure zur gleichen Zeit zusammen. Gewaltkriminalität im öffentlichen Raum, aktuell u. a. Messerkriminalität und Gruppenvergewaltigungen, Organisierte Kriminalität, u. a. Drogenkriminalität, Extremismus und Terrorismus, Cyberangriffe sowie Spionage aus Russland, China und anderen Staaten. 1 Vgl. Bundesministerium des Innern und für Heimat (2024): Polizeiliche Kriminalstatistik 2023. Ausgewählte Zahlen im Überblick. Berlin, S. 15. Die für die Öffentliche Sicherheit relevanten Zahlen (u. a. die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik sowie der unterschiedlichen Lageberichte des BKA), Fakten und Kriminalitätsphänomene müssen sicherheitspolitisch realistisch analysiert werden. Allerdings wurden verschiedene Zahlen und Kriminalitätsphänomene in den Jahren politisch idealistisch bzw. teilweise gar utopisch interpretiert. Dies zeigen verschiedene Aussagen mancher Politikerinnen und Politiker sowie teilweise auch die mediale Berichterstattung. Dieser Beitrag untersucht als Indizien dafür, dass unsere Öffentliche Sicherheit in Gefahr ist, beispielhaft – aus Gründen des Platzes, es gibt zahlreiche Indizien mehr – die Analysefaktoren Messerkriminalität im öffentlichen Raum, Organisierte Kriminalität sowie Straftaten der aktuellen Polizeilichen Kriminalstatistik und das Sicherheitsempfinden der Menschen in Deutschland. Bedrohungen durch Messerkriminalität im öffentlichen Raum Nahezu jeden Tag müssen Polizeibehörden Angriffe vermelden, bei denen Menschen durch Messergewalt schwer oder lebensgefährlich verletzt oder sogar getötet werden, wie im Frühsommer der 29-jährige Polizist Rouven L. in Mannheim. Wenige Stunden bis Tage später kam es im Frühsommer 2024 zu Messergewalt in Frankfurt am Main, Saarbrücken, Leverkusen, Berlin, Bremen und Dortmund. Ende August verübte der syrische Jihadist Issa Al-H. einen Messeranschlag auf das „Festival der Vielfalt“ in Solingen, tötete dabei drei Menschen und verletzte acht Menschen, teilweise schwer. Das BKA veröffentlichte im März 2024 die Zahl von 8.951 Messerangriffen für das Jahr 2023 in Deutschland. „Messerangriffe“ im Sinne der Erfassung von Straftaten in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) sind solche Tathandlungen, bei denen der Angriff mit einem Messer unmittelbar gegen eine Person angedroht oder ausgeführt wird. 8.951 Messerangriffe der BKA-Statistik bedeuten 24,5 Messerangriffe mit gefährlicher oder schwerer Körperverletzung in Deutschland pro Tag. Das stellt einen Allzeithöchstwert dar! Hinzu kommen gemäß der PKS des BKA aber noch Messer bei Raubdelikten in 4.893 Fällen, was einen Anstieg um 11 Prozent gegenüber dem Vorjahr darstellt. Addiert man die 8.951 Messerangriffe mit den 4.893 Fällen von Raubdelikten mit Messern ergibt dies die Zahl 13.844. Dies sind 37,9 Fälle pro Tag in Deutschland, bei denen ein Mensch entweder mit einem Messer bedroht wird – auch im Rahmen von Raubüberfällen – oder mit dem Messer (schwer) verletzt wird.1 Bedrohungen durch Organisierte Kriminalität Anfang September 2024 stellte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) das aktuelle Lagebild des Bundeskriminalamtes (BKA) zur Organisierten Kriminalität vor. So betrug der Schaden im Jahr 2023 – im Hellfeld – 2,7 Mrd. Euro. Dieser – im Hellfeld – Schaden von 2,7 Mrd. Euro stellt mehr als eine Verdopplung des Vorjahreswertes und fast dreimal so viel wie der Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre dar. Allein im Bereich Cyberkriminalität belief sich die Schadenssumme auf 1,7 Mrd. Euro (im Vorjahr waren es noch 588 Mio. Euro). Bei Steuer- und Zolldelikten verursachte die OK 470 Mio. Euro Schaden, im Vorjahr waren es noch 200 Mio. Euro. Die Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung eigener Hochschule des Bundes, Fachbereich Bundespolizei, Lübeck Dieser Beitrag stellt die persönliche Auffassung des Autors dar. Prof. Dr. Stefan Goertz WIRTSCHAFT UND POLITIK
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