DER SICHERHEITSDIENST

33 DSD 4 | 2024 WIRTSCHAFT UND POLITIK und der sozialen Kontakte nach der Coronapandemie, steigende soziale Belastung durch Inflation und eine hohe Zuwanderungsrate. Die von der Polizei ermittelte Kriminalität – ohne Staatsschutzdelikte und Verkehrsstraftaten und vor dem der Abgabe an die Staatsanwaltschaft folgenden justiziellen Ausfilterungsprozess – befand sich damit auf dem höchsten Stand seit 2016. Erfreulich ist die Fortsetzung des Anstiegs der Aufklärungsquote (AQ) auf 58,4 Prozent. Sie erreicht damit fast den Höchststand des Jahres 2021 (58,7 %). Die Gewaltkriminalität hat deutlich zugenommen. Sie ist gegenüber dem Vorjahr 2023 um 8,6 Prozent auf über 197.000 Fälle angestiegen. Die meisten dieser Straftaten haben im öffentlichen Raum stattgefunden. Unter den 109.000 Tatverdächtigen hatten 40 Prozent nicht die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Zahl der Messerattacken hat 2023 von 8.160 auf 8.950 zugenommen. Das sind fast 25 Angriffe durchschnittlich an jedem Tag. Das hat zu einem erhöhten Schutzbedürfnis bei Großveranstaltungen geführt. So wurden allein für die Zugangskontrollen zum Oktoberfest 2024 1.400 Securitas-Sicherheitsmitarbeiter eingesetzt, ausgerüstet mit Metalldetektoren. Die von extremistischen Gruppierungen und insbesondere vom islamistischen Terrorismus ausgehende abstrakte Gefahr ist auch 2024 hoch einzuschätzen. Das BKA hat die Wirtschaft über die Gefährdungslage am 11. Oktober 2024 ausführlich informiert. Die Handelsschifffahrt wird nicht nur durch Piratenangriffe bedroht. Ein besonderes Risiko ist mit einer Fahrt durch die Meerenge Bab al-Mandab verbunden. Huthi-Rebellen haben 2024 mehrfach Frachtschiffe und Tanker mittels Raketen und Drohnen angegriffen. Reedereien haben daraufhin den Umweg um das Kap Hoorn gewählt, mit der Folge von erheblichen Zeitverzögerungen und Kostensteigerungen in der Lieferkette. Ob die Zahl der Frachtdiebstähle im Straßenverkehr zu- oder abnimmt, ist schwer zu beurteilen, weil die Angaben der zuständigen Behörden und Wirtschaftsverbände sehr unterschiedlich ausfallen. Die meisten ereignen sich auf nicht ausreichend geschützten Parkplätzen, und nur ca. 7.000 der bisher im Verkehrsnetz der EU bestehenden 300.000 Lkw-Parkplätze sind zertifiziert (Verkehrs-Rundschau vom 29. September 2023). Organisierte Banden, vor allem aus Osteuropa, gehen beim Aufschlitzen der Planen beladener Lkws zur Erkundung, dem Abtransport und der Verwertung geeigneter Beute arbeitsteilig vor. Auf das Sicherheitsgefühl der Einwohner wirkt sich der Wohnungseinbruchdiebstahl besonders gravierend aus. Der ist 2023 um 18,1 Prozent auf 77.819 Fälle angestiegen. Leider ist die schon 2022 niedrige AQ von 16,9 Prozent nochmals auf 14,9 Prozent gesunken. Eine Besserung ist für 2024 nicht zu erwarten. Physische Bedrohungen der Unternehmenssicherheit Der von der Polizei ermittelte Diebstahl aus Dienst-, Büro- und Lagerräumen – der wichtigste statistische Gradmesser für die Diebstahlskriminalität in Unternehmen – ist 2023 um 7,8 Prozent auf über 77.000 Fälle angestiegen, leider mit einer minimalen Aufklärungsquote von 7,9 Prozent. Die Zahl der Diebstähle in und aus Gaststätten und Hotels hat sich im Zweijahreszeitraum von 2021 bis 2023 fast verdoppelt auf 28.575 Fälle. Und fast 24.000 Diebstahlsfälle auf Baustellen wurden 2023 ermittelt. Kräftig angestiegen ist schon 2023 der registrierte Ladendiebstahl (um 23,6 % auf 426.000 Fälle). Das EHI hat in seinem Jahresbericht 2023 einen Anstieg der Inventurdifferenzen um fast 5 Prozent auf 4,8 Mrd. Euro festgestellt. Sie waren am höchsten im Lebensmittelhandel (1,9 Mrd. Euro), gefolgt vom Bekleidungshandel (480 Mio. Euro), von Baumärkten (350 Mio. Euro) und Drogeriemärkten (345 Mio. Euro). Etwa 24 Millionen Ladendiebstähle bleiben nach Schätzung des EHI unentdeckt. Die Zahl der Geldautomatensprengungen ging 2023 um 7 Prozent auf 461 zurück. Gründe für den Rückgang sind Präventionsbemühungen und Ermittlungserfolge. Deshalb dürften sich die Rückgänge 2024 fortsetzen. So ist die Zahl in den ersten zwei Monaten 2024 in dem wegen der Vielzahl der aus den Niederlanden kommenden Täterbanden am stärksten betroffenen Land Nordrhein-Westfalen von 36 auf 7 zurückgegangen. Die Sparkassen in diesem Bundesland haben mittlerweile 75 Prozent ihrer Automaten mit Tintenpatronen ausgerüstet. Immer mehr Banken haben Alarmanlagen und Überwachungskameras sowie einen Nachtverschluss mit Rollgitter installiert. Die Umsetzung der von einem„runden Tisch Geldautomatensprengungen“ im BMI 2022 als wirksam eingestuften Präventionsmaßnahmen soll bis Ende 2025 abgeschlossen sein. Angriffe auf Kritische Infrastrukturen werden bisher statistisch nicht gesondert erfasst. Aber jeder einzelne Angriff und seine Auswirkungen werden aufmerksam verfolgt. Betriebs- und Lieferkettenunterbrechungen liegen im Allianz Risk Barometer 2024 auf dem zweiten Platz der größten Geschäftsrisiken. Besonders schwer zu schützen sind Kabelanlagen. In Hamburg gelang es im September 2023 linksextremistischen Tätern, drei Kabelschächte an Bahnstrecken in Brand zu setzen und damit massive Zugausfälle zu verursachen. Auch 2024 kam es mehrfach zu Anschlägen auf Kabelanlagen der Deutschen Bahn. Am 26. Mai hat eine linksextremistiBild: # 221118140 / stock.adobe.com

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==