88 DSD 3 | 2024 DAS LETZTE WORT Nach den Tarifverhandlungen ist vor den Tarifverhandlungen Von Rechtsanwältin Cornelia Okpara Im Jahr 2022 hatten wir in fast allen Landesgruppen die Tarifverhandlungen vorzeitig aufgenommen, um die Löhne oberhalb des ab 1. Oktober angehobenen gesetzlichen Mindestlohnes anzusiedeln. Die abgeschlossenen Tarifverträge hatten alle eine Laufzeit bis Ende 2023. Im Herbst 2023 wurden dann in den Landesgruppen die Tarifverhandlungen aufgenommen. Der erste Abschluss eines Tarifvertrages des BDSW mit der Gewerkschaft ver.di in dieser Tarifrunde wurde in Niedersachsen für den Spartentarifvertrag militärische Liegenschaften realisiert – mit einer Laufzeit von zwei Jahren, vom 1. Januar 2024 bis zum 31. Dezember 2025, und Lohnsteigerungen von 7,5 Prozent zum 1. Januar 2024 und zum 1. Januar 2025 um 6,1 Prozent ein wegweisender Abschluss. Nach mehreren Verhandlungsrunden konnten die Landesgruppen Berlin und Brandenburg den ersten Tarifabschluss für das allgemeine Sicherheitsgewerbe abschließen. Andere Landesgruppen folgten 2024, bei einigen wurden die Verhandlungen jedoch auf 2025 vertagt. Allen Abschlüssen war gemein, dass sich die unterste Lohngruppe im Jahr 2024 auf 13,90 Euro erhöht und dort, wo zweijährige Abschlüsse erfolgten, auf 14,60 Euro im zweiten Jahr. Für die qualifizierten Tätigkeiten wurden zum Teil höhere prozentuale Abschlüsse vereinbart. Mitte Mai konnte in Nordrhein-Westfalen (NRW) ein Abschluss erzielt werden und in Schleswig-Holstein sogar erst im Juli. Während es in NRW darum ging, den untersten Lohn stärker anzuheben als in allen anderen Landesgruppen, ging es in Schleswig-Holstein um eine nicht geeinte Zulage. In NRW hat man versucht, diese Forderung durch Streiks zu begleiten und durchzusetzen, jedoch mit wenig Erfolg. Die Tarifpolitik ist ein entscheidender Baustein unseres Verbandes und der Branche. Wenn wir über die zukünftige Ausrichtung und eine Modernisierung nachdenken, muss auch dieser Aspekt betrachtet und neu bewertet werden. Eine Lösung aus dem Stegreif wird es nicht geben können, dafür ist die Tariflandschaft innerhalb der Branche zu differenziert. Davon sollten wir uns aber nicht abhalten lassen. Schon im Herbst stehen in den Landesgruppen, die nur einen einjährigen Abschluss getätigt haben, die Verhandlungen wieder an. Damit geht es in den Landesgruppen Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen erneut in eine Tarifrunde. In der Gesamtwirtschaft war die Tarifrunde 2023 in erster Linie durch die hohen Inflationsraten geprägt, die erst gegen Ende des Jahres deutlich zurückgingen und unsere Tarifrunde 2024/2025 nicht mehr in diesem besonderen Maße prägten. Die ökonomischen Rahmenbedingungen des Jahres 2023 wirkten sich insgesamt recht widersprüchlich und je nach Branche sehr unterschiedlich auf die Verhandlungsposition der Tarifvertragsparteien aus. Mit einem Rückgang des Bruttoinlandsproduktes von 0,3 Prozent stagnierte die deutsche Wirtschaft, wofür vor allem der durch die Reallohnverluste bedingte Rückgang des privaten Konsums, der Rückgang des Staatskonsums sowie eine restriktive Geldpolitik verantwortlich waren. Hinzu kam ein starker Einbruch, insbesondere bei energieintensiven Industrien. All diese Faktoren belasteten den Arbeitsmarkt und stärkten damit die Verhandlungsposition der Arbeitgeber. Auf der anderen Seite führt ein zunehmender Arbeits- und Fachkräftemangel dazu, dass in immer mehr Branchen Arbeitskräfte gesucht werden. Insgesamt wurden in der Tarifrunde 2023 von den DGB-Gewerkschaften für etwa 6,3 Millionen Beschäftigte neue Tarifverträge abgeschlossen. Weitere 9,2 Millionen Beschäftigte profitierten 2023 von Abschlüssen, die bereits 2022 oder früher vereinbart wurden, so auch in der Sicherheitsdienstleistungsbranche, wie aber auch in der Chemischen Industrie und der Metall- und Elektroindustrie. Verhandelt wurde hingegen in den großen Tarifbranchen wie dem öffentlichen Dienst, der Deutschen Bahn AG, der Deutschen Post AG sowie in unzähligen kleinen Tarifbereichen. Die Tarifforderungen der Gewerkschaften im Jahr 2023 lagen deutlich oberhalb des Vorjahres und variierten zwischen 8 Prozent in der westdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie und 15 Prozent bei der Deutschen Post AG. Komm. Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft (BDSW) RAin Cornelia Okpara
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