DER SICHERHEITSDIENST

WIRTSCHAFT UND POLITIK 24 DSD 1 | 2024 Darauf stand: „Tretet darauf auf die Flagge, spuckt darauf, verbrennt die Flagge: Free Palestine.“ In Berlin warfen zwei vermummte Unbekannte Brandsätze in Richtung des Gemeindezentrums der jüdischen Gemeinde Kahal Adass Jisroel. Im Hof steht eine Synagoge, das Zentrum beherbergt eine Kindertagesstätte und Schulräume.5 Der Zentralrat der Juden in Deutschen nennt die aktuellen Zahlen „erschreckend“. Sie deckten sich mit den Erfahrungen der jüdischen Gemeinde, so Zentralratspräsident Josef Schuster. „Der Weg eines durchsetzungsfähigen, wehrhaften Rechtsstaates muss weiter vehement beschritten werden“, erklärte Schuster, ihm fehle„der geeinte Ansatz gegen Israelfeindlichkeit und Judenhass auf deutschen Straßen“. Die auf israelfeindlichen Demonstrationen übliche Parole „From the river to the sea – Palestine will be free“ müsse „flächendeckend unter Strafe gestellt werden“ – auch um der Polizei eine rechtssichere Basis beim Auflösen israelfeindlicher Demonstrationen zu geben.6 Auch die Sicherheitsbehörden registrieren diesen Anstieg. Das Bundeskriminalamt (BKA) stellte seit dem 7. Oktober ganze 3.744 Straftaten im Zusammenhang mit den Ereignissen in Israel und Gaza fest. Insgesamt wurden dem BKA 680 antisemitische Straftaten seit dem 7. Oktober gemeldet, davon 550 im Zusammenhang mit dem HamasTerror und dem Krieg in Gaza. Der Präsident des BKA, Holger Münch, sprach Ende November 2023 von einem hohen Eskalationspotenzial in Deutschland und befürchtet eine zunehmende Radikalisierung durch die Entwicklungen im Nahen Osten.7 Antisemitismus in den Extremismusbereichen in Deutschland „Antisemitismus und Israelfeindlichkeit sind verbindende Elemente zwischen Islamisten, deutschen und türkischen Links- und Rechtsextremisten und Anhängern extremistischer palästinen- sischer Organisationen“,8 so Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Ende November 2023. Durch das„gemeinsame Feindbild Israel“ könnten zwischen einigen dieser Akteure Verbindungen hervorgehen,„die künftig in Einzelfällen zu einer stärkeren Zusammenarbeit führen könnten“, so Haldenwang.9 Der Präsident des BfV hatte bereits im April 2022, bei der Vorstellung des zweiten Lagebildes Antisemitismus in Deutschland, erklärt: „Die Zahl antisemitischer Straftaten steigt weiter kontinuierlich an, und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Wesentlich größer ist das Dunkelfeld, also diejenigen Vorfälle, die aus verschiedenen Gründen gar nicht erst zur Anzeige gebracht werden. Es ist erschreckend, dass antisemitische Narrative mitunter bis in die Mitte der deutschen Gesellschaft anschlussfähig sind und als Bindeglied zwischen gesellschaftlichen Diskursen und extremistischen Ideologien dienen. […] Das Internet dient als Nährboden und stellt einen wesentlichen Dynamisierungsfaktor im aktuellen Antisemitismus dar. Es ist gemeinsame Aufgabe der Sicherheitsbehörden und der Zivilgesellschaft, jeder Form von Antisemitismus entschieden entgegenzutreten.“10 Entscheidende Punkte dieser Aussage des BfV-Präsidenten sind ein großes Dunkelfeld, dass antisemitische Narrative bis in die Mitte der deutschen Gesellschaft anschlussfähig sind und dass das Internet einen wesentlichen Dynamisierungsfaktor im aktuellen Antisemitismus darstellt. Seit Jahren ist durch veröffentlichte Analysen der Verfassungsschutzbehörden sowie durch zahlreiche wissenschaftliche Publikationen bekannt, dass der Antisemitismus in jedem Phänomenbereich von Extremismus in Deutschland ein Ideologieelement darstellt, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung. Banken als potenzielle Ziele extremistischer Angriffe im Kontext Antisemitismus bzw. Anti-Israel Banken, die mit israelischen Firmen oder dem Staat Israel kooperieren, könnten dadurch nach Recherchen durch Extremisten zu Zielen von extremistischer Agitation (öffentlich, u. a. auf Szeneplattformen) werden. Zweitens könnten sich extremistische Zellen oder Einzelakteure dazu entscheiden, solche Banken physisch anzugreifen. Öffentlichkeitswirksame Sachbeschädigungen sind hier empirisch wahrscheinlicher als Angriffe auf Mitarbeiter. Linksextremistische Antiimperialisten machen die vorgeblich durch den „Kapitalismus“ bedingte „imperialistische“ Politik „westlicher“ Staaten, vorrangig der USA und Israels, für weltpolitische Konflikte verantwortlich. Dies zeigt sich in der linksextremistischen Szene seit Jahren, auch in Bezug auf den Nahostkonflikt. Diese Linksextremisten stehen daher fest an der Seite von 5 Vgl. https://www.tagesschau.de/inland/bka-gefaehrder-101.html (29.1.2024). 6 Vgl. ebd. 7 Vgl. ebd. 8 Vgl. https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/verfassungsschutz-haldenwang-extremismus-sicherheit-deutschland-israel-100.html#xtor=CS5-282 (29.1.2024). 9 Vgl. ebd. 10 Vgl. https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2022/pressemitteilung-2022-3-lagebild-antisemitismus.html (29.1.2024). Bild: # 962429298 / istockphoto.com

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