DER SICHERHEITSDIENST

84 DSD 3 | 2023 VERGABERECHT „Qualität funktional“ beschrieben: Preis oder Wirtschaftlichkeit?! VK Südbayern; Beschluss vom 28. April 2023, AZ: 3194.Z3-3_01-22-57 Von Rechtsanwalt Alexander Nette 1. Sachverhalt Im Rahmen eines EU-weiten offenen Verfahrens schreibt der Auftraggeber Dienstleistungen über Streamingdienste aus. Aufgeteilt in zwei Lose sollen in Los 1 die Erneuerung und der Betrieb einer Plattform für Liveübertragungen und in Los 2 die Verdolmetschung der Übertragung in Gebärdensprache realisiert werden. In den Bewerbungsbedingungen als Bestandteil der Vergabeunterlagen war festgelegt, dass das wirtschaftlichste Angebot zu 100 Prozent anhand der Angebotssumme pro Los ermittelt wird. Darüber hinaus waren insbesondere zu Los 1 Anforderungen definiert, die zu erfüllen waren; unter anderem sollten Maßnahmen für die Gewährleistung der Ausfallsicherheit sowie die technische Umsetzung der Plattform dargestellt werden. Auf eine entsprechende Nachfrage hin bestätigte der Auftraggeber, dass für den Zuschlag ausschließlich der Preis ausschlaggebend sein sollte, der Erfüllungsgrad der technischen Anforderungen werde nicht berücksichtigt. Einer der Bieter rügte dies als unzulässigen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Der Verzicht auf einen Qualitätswettbewerb sei nachvollziehbar zu dokumentieren und von Nachprüfungsinstanzen auf Ermessensfehler zu überprüfen. Das Abstellen allein auf den Preis verhindere einen wirksamen Wettbewerb. Es sei nicht möglich, einen objektiven Vergleich der eingehenden Angebote vorzunehmen, da es sich nicht um standardisierte oder homogene Leistungen handle. Auch seien die qualitativen Leistungsanforderungen nicht detailgenau, erschöpfend und lückenlos festgelegt, sondern funktional beschrieben worden. Der Auftraggeber wies die Rüge als unbegründet zurück. Der Bieter stellte daraufhin einen Nachprüfungsantrag zur Vergabekammer. 2. Entscheidungsgründe Die VK Südbayern weist den zulässigen Nachprüfungsantrag als unbegründet zurück. Sie führt aus, dass die Durchführung eines reinen Preiswettbewerbs keinen vergaberechtlichen Bedenken begegnet. § 127 Abs. 1 Satz 4 GWB i. V. m. § 58 Abs. 2 VgV sehe vor, dass neben dem Preis weitere Aspekte berücksichtigt werden könnten. Der Preis oder die Kosten dürften jedoch auch das alleinige Zuschlagskriterium sein. Maßgeblich sei die Sicht des Auftraggebers dahingehend, wie sich das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bestimme. Entscheidend sei, wie der konkrete öffentliche Auftraggeber die wirtschaftlich beste Lösung beurteile. Die Überprüfung der Vergabekammer beschränke sich darauf festzustellen, dass der Sachverhalt zutreffend und vollständig NETTE Rechtsanwälte, Recklinghausen, ist Fachanwalt für Vergaberecht, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie Lehrbeauftragter für Vergaberecht und Vertragsmanagement an der Westfälischen Hochschule. Er ist spezialisiert auf die Beratung von Bietern und öffentlichen Auftraggebern in Vergabe- und Nachprüfungsverfahren. Weitere Informationen erhalten Sie unter: www.vergaberecht.cc. RA Alexander Nette, LL.M

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