DER SICHERHEITSDIENST

34 DSD 1 | 2023 WIRTSCHAFT UND POLITIK Eine Frage in die Runde Beschluss Bürgergeld: noch weniger potenzielle Arbeitskräfte für das Sicherheitsgewerbe? Im Interview mit Dirk Faßbender, Prokurist und Leiter der KÖTTER Akademie GmbH & Co. KG, Florian Graf, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft (BDSW) und der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste (BDGW), Julia Al Fawal, Geschäftsführerin der ToSa Security & Service GmbH & Co. KG, und Ralf Philipp, Leiter Marketing & Geschäftsentwicklung der CMD – Sicherheit und Dienstleistungen GmbH & Co. KG. Eine kurze Einleitung Der Bundestag hat kürzlich das „Bürgergeld“ beschlossen. In der Wirtschaft, auch der Sicherheitswirtschaft, herrscht der Eindruck vor, dass die Sanktionen nicht ausgeprägt genug sind, soll heißen: Wer nicht arbeiten möchte, dem werden keine Mittel entzogen. Das Sicherheitsgewerbe befürchtet dadurch noch weniger potenzielle Arbeitskräfte. Könnte man nicht auch umgekehrt argumentieren, dass den Sicherheitsfirmen von vornherein die Bewerber erspart bleiben, die ohnehin keinen Bock auf Arbeit haben? Das würde erhebliche Ressourcen sparen bei der unnützen Sichtung von Bewerbungsunterlagen, bei Einstellung und baldiger Entlassung sowie gegebenenfalls unnötiger Aufwände bei der Schulung. Wie bewerten Sie die Situation? Die Erstveröffentlichung des Beitrags erfolgte am 11. Januar 2023 unter www.marktplatz-sicherheit.de Wir bedanken uns für die Abdruckgenehmigung. Prokurist und Leiter der KÖTTER Akademie GmbH & Co. KG Dirk Faßbender „Es müssen Anreize zur Arbeitsaufnahme geschaffen werden“ Das zurzeit viel diskutierte Bürgergeld ist gar nicht soneu, wie es viele vermuten. Gehenwirmal hierzu einige Jahre zurück underinnernuns anRalf Gustav Dahrendorf (FDP), der schon in den 1980er-Jahren von einem „bedingungslosen Grundeinkommen als marktunabhängigem Existenzgeld, auf das alle Anspruch haben und das ein Minimum an (Über-) Lebenschancengarantiert“, gesprochenhat. Schaut man dann ebenfalls rückwirkend auf den Oktober 2009, so wurde bei den damaligen Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und FDP eine Alternative zu Hartz IV gesucht und die von der rotgrünen Vorgängerregierung sogenannte Arbeitsmarktreform für gescheitert erklärt. Die FDP hatte schon 2009 auf ihren Wahlplakaten dafür geworben, dass sich„Arbeit wieder lohnen“ müsse. Auch die Union hatte sich für das „Bürgergeld“ starkgemacht und ebenfalls die Forderung nach einem Mindesteinkommen aufgestellt. Wenn wir jedoch heute sehen und spüren, dass sich an allen Ecken und Enden der Mangel an Beschäftigten und Fachkräften dramatisch ausweitet, ist es offensichtlich, dass es ohne eine gesunde Mischung aus Fördern und Fordern nicht gehen wird. Maßnahmen, die den Wiedereinstieg in eine Berufstätigkeit eher verhindern als unterstützen, werden für viele Branchen problematisch sein. Um die Betroffenen zu motivieren, wieder einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachzugehen, kann ein Wegfall von Sanktionen bei Verstößen gegen die Mitwirkungspflicht nicht wirklich zielführend sein. Der aktuelle Kabinettsbeschluss zum Bürgergeld birgt daher das Risiko, dass sich dieses Problem noch weiter verschärfen wird. Ob und inwieweit sich hier die durch das Veto im Bundesrat eingefügten Änderungen auswirken, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar. Anreize, um nicht arbeiten zu gehen, müssen daher konsequent abgebaut und nicht weiter erhöht werden. Hier sind deutlich höhere Anreize zur Arbeitsaufnahme notwendig, wobei die Umsetzung von Sanktionen immer mit Augenmaß und Bedacht erfolgen muss. Die Sicherheitswirtschaft bietet bundesweit vielfältige Möglichkeiten, um Leistungsbezieher wieder in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu bringen. Sicherlich müssen sich die Unternehmen mit den Bewerbenden individuell noch stärker auseinandersetzen, aber das machen sie auch schon heute. Wer dringend Personal benötigt, wird sich auch von einem erhöhten Aufkommen an Bewerbungsgesprächen nicht abschrecken lassen.

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