DER SICHERHEITSDIENST

DSDDER SICHERHEITSDIENST 1 | 2023 Fachmagazin für die Sicherheitswirtschaft 75. Jahrgang Postvertriebsstück – DPAG – Entgelt bezahlt | DSA GmbH · Postfach 1201 · 61282 Bad Homburg Bild: # 251023224 / stock.adobe.com Bild: dmitriymoroz / istockphoto.com LUFTSICHERHEIT

www.sicherheitsexpo.de München 28.–29. Juni 2023 Die Fachmesse für Zutrittskontrolle Videoüberwachung Brandschutz Perimeter Protection IT-Security

1 DSD 1 | 2023 EDITORIAL Präsident des Bundesverbands der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) Udo Hansen Luftsicherheit 2023 Blicken wir auf das Jahr 2022 zurück, so haben die deutschen Flughäfen im Vergleich zum Vorkrisenniveau 2019 ca. 65 Prozent des Passagieraufkommens erreicht. Die Sicherheitskontrollen an den Flughäfen liefen dabei überwiegend reibungslos ab. Zum Start der Osterferien hatten es unsere Mitglieder und ihre Beschäftigten erfreulicherweise geschafft, dass die Reisenden den Start in den Osterurlaub ohne größere Verzögerungen an den Sicherheitskontrollen erleben konnten. Dies lag unter anderem auch an einer engen Zusammenarbeit und effektiven Absprachen aller Akteure am Flughafen. Lediglich an bestimmten Spitzentagen kam es aufgrund extremer zeitlicher Spitzenbelastung im Passagieraufkommen zu bedauerlichen und außergewöhnlichen Wartezeiten. Im Sommerreiseverkehr kam es dann doch zu Problemen an einzelnen Flughäfen und damit auch zu längeren Wartezeiten an allen Prozessstationen, wie etwa Check-in, Sicherheits-, Grenzpolizei- und Zollkontrollen sowie bei der Gepäckabfertigung für die Passagiere. Allen war klar, dass bei einem Wiederanstieg des Luftverkehrs der Arbeitskräftemarkt kurz- und mittelfristig den erforderlichen Nachwuchsbedarf nicht ausreichend zur Verfügung stellen kann. Die Anstrengungen, Personal zu gewinnen, wurden dabei zusätzlich durch die langen Wartezeiten für die erforderliche Zuverlässigkeitsprüfung konterkariert. Dennoch ist es den Sicherheitsdienstleistern gelungen, auf dem hart umkämpften Arbeitsmarkt Personal zu gewinnen und Ressourcen für den hoffentlich weiter ansteigenden Passagierstrom aufzubauen. Die Bemühungen zur Personalrekrutierung werden unvermindert fortgesetzt. Die Verbände der Luftverkehrswirtschaft blicken mit Optimismus in das Jahr 2023 und rechnen mit einer deutlichen Erholung der Reisenachfrage. Für 2023 prognostiziert die ADV, dass, gemessen am Vorkrisenjahr 2019, wieder 82 Prozent der Passagiere erreicht werden. Dies entspricht 205 Mio. Passagieren an den deutschen Flughäfen (248 Mio. Passagiere in 2019). Die Verkehrsexperten rechnen aber erst für das Jahr 2025 mit einer Rückkehr zu den Vorkrisenwerten bei der Passagiernachfrage. Die Herausforderungen für die Dienstleister bleiben bestehen. Nun besteht die Hoffnung, dass ein flexibler Einsatz des Personals in den sog. Peakzeiten für eine Entspannung sorgt, denn die lang erwartete Neufassung der Luftsicherheitsschulungsverordnung steht an. Der vorgelegte Entwurf lässt allerdings noch viele Fragen offen und bleibt deutlich hinter den Erwartungen zurück. Er bedarf daher aus unserer Sicht einer dringenden Überarbeitung. Wir hätten uns gewünscht, dass dieneueVerordnunggrundsätzlich neu gestaltet wird. Schon seit Jahren fordert der BDLS, dass die Luftsicherheitsaufgaben bundeseinheitlich durch eine einzige nationale Luftsicherheitsbehörde verantwortet werden. Die Zuständigkeiten sind jedoch weiterhin auf unterschiedliche Behörden aufgeteilt. Daraus ergeben sich häufig Kompetenzüberschneidungen sowie teilweise unterschiedliche Anwendungen von Luftsicherheitsvorschriften. Es kommt durch die Beteiligung verschiedener Behörden am Gesamtprozess immer wieder zu Fragestellungen, die nicht zentral adressiert und somit auch nicht zentral beantwortet werden können. Die Folge sind vermeidbarer Zeitverzug und eine unklare und bundesweit uneinheitliche Arbeits- und Vollzugspraxis. Wir setzen uns dafür ein, dass die neue Verordnung hinsichtlich des Aufbaues, der sprachlichen Gestaltung und der Zuständigkeiten nochmals deutlich vereinfacht wird. Im Rahmen der Verbändebeteiligung haben wir dazu ausführlich Stellung genommen und zahlreiche Optimierungsvorschläge unterbreitet. Hier steht die Bundesregierung mit ihrem Versprechen für eine spürbare Entbürokratisierung und Verwaltungsvereinfachung imWort. Schon Ende 2023 läuft der im Frühjahr 2022 abgeschlossene Entgelttarifvertrag für Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen aus. Nach zähen Verhandlungsrunden hatten wir uns auf ein Gesamtpaket mit bis zu 28,2 Prozent Lohnerhöhung geeinigt. Die strukturellen Anpassungen der bis dahin noch bundesweit unterschiedlichen Löhne sind damit erfolgt. Ich hoffe, dass die anstehende Entgelttarifrunde damit einfacher wird. Große Sorge bereitet uns allerdings die Situation in den laufenden Verhandlungen zum Manteltarifvertrag. Hier hoffen und vertrauen wir darauf, dass die Tarifpartner die derzeitige wirtschaftliche Situation der Branche nicht aus dem Auge verlieren. Arbeitsplätze werden nicht dadurch gesichert, dass Unternehmen an den Rand ihrer Existenz gedrängt werden. Ihr Udo Hansen

2 DSD 1 | 2023 EDITORIAL 1 • Udo Hansen: Luftsicherheit 2023 1 LUFTSICHERHEIT 3 • Rainer Friebertshäuser: Tarifpolitik „Flughafensicherheit“ in Zeiten der Krise 3 • Oliver Damer: Mit (Luft-)Sicherheit raus aus der Krise! 4 • Kerstin Kohlmetz: Sicherheitskontrollen an Flughäfen neu gedacht 6 • Cornelius Toussaint und Robert Kaletsch: Künstliche Intelligenz erhöht die Genauigkeit der Passagierprognose im Luftverkehr 8 • Alexander Laukenmann: Erfolgreicher Start der § 5-Steuerungsübernahme 11 • Dr. Michael Engel: Herausforderungen im Reisejahr 2023 – auch für die Luftsicherheit 13 • Arbeiten in der Luftsicherheit – ein Perspektivwechsel 15 • Annette Wiedemann: Die Luftsicherheits-Schulungs- verordnung – mit wenig Aufwand zu neuem Glanz? 18 • Henry Bunge: Forschungsprojekt SIMULU 20 WHO IS WHO DER LUFTSICHERHEIT 22 WIRTSCHAFT UND POLITIK 28 • Im Gespräch mit Florian Graf: Unterstützung im Krisenmanagement 28 • Reinhard Rupprecht: Der erfolgreiche Sicherheitsdienstleister von morgen 30 • Beschluss Bürgergeld: noch weniger potenzielle Arbeitskräfte für das Sicherheitsgewerbe? 34 • Mike Wetterling: Sicherheitsbranche ohne Personalsicherheit? Maßnahmen gegen Mitarbeiterfluktuation in der deutschen Sicherheitsbranche 38 KRITISCHE INFRASTRUKTUR 40 • Prof. Marcel Kuhlmey: Ist Krisenvorsorge eine unternehmerische Pflicht? 40 • Prof. Dr. André Röhl und Rico Kerstan: Vorbereitung auf den Blackout 42 • Im Gespräch mit Wolfgang Bosbach und Fritz Rudolf Körper: Zeitenwende für den Bevölkerungsschutz 44 GELD UND WERT 47 • Mehr Falschgeld im Umlauf 47 INFO WIRTSCHAFTSSCHUTZ 48 • Holger Köster: Unsichtbare Grenzen überwinden 48 • Klaus Henning Glitza: IT-Schutz und physische Sicherheit: Weshalb das eine ohne das andere Stückwerk bleibt 49 • RA Dr. Berthold Stoppelkamp: Analysen und Hilfestellungen zumWirtschaftsschutz 51 IT-SICHERHEIT 52 • Thomas Krause: Zielgenaue und diversifizierte Cyberangriffe: vier IT-Sicherheitstrends 2023 52 Inhalt VERANSTALTUNGSSCHUTZ 54 • Ass. jur. Martin Hildebrandt: Bundeskonferenz Veranstaltungswirtschaft 2022 54 SAFETY & RAIL 56 • Steigerung der Lieferantenqualität 56 SICHERHEITSTECHNIK 58 • Bernd Michael Schäfer: SafeNow – Innovation schafft Sicherheit 58 BERICHT AUS BERLIN 60 • RA Dr. Berthold Stoppelkamp: Viele Sicherheitsstrategien – viele Umsetzungsdefizite 60 SICHERHEITSFORSCHUNG 63 • Prof. Dr. Sven Eisenmenger: Zwei Jahre FORSI in Hamburg 63 • Kirsten Wiegand: BASIC-Abschlusskonferenz – neues Sicherheitsrahmenkonzept in Berlin vorgestellt 67 • Studie„Back to Culture“ veröffentlicht 71 BÜCHERMARKT 73 EUROPA 74 • Alexander Frank: Meilenstein: EU-Richtlinie empfiehlt Qualitätskontrolle von Sicherheitspersonal im KRITIS-Bereich 74 RECHT 76 • RAin Cornelia Okpara: Arbeitsrecht in Kürze 76 VERGABERECHT 78 • RA Alexander Nette: Ausschreibung einer Rahmen- vereinbarung verlangt Angabe einer Höchstmenge oder eines Höchstwertes 78 NAMEN UND NACHRICHTEN 80 SICHERHEIT VON A BIS Z 83 IMPRESSUM 87 DAS LETZTE 88 • Florian Graf: Wie resilient ist Deutschland in der Krise aufgestellt? 88 Anmerkung der Redaktion: Zur leichteren Lesbarkeit wurde auf zusätzliche Bezeichnungen in weiblicher Form verzichtet und nur die männliche Form verwendet. Angesprochen sind natürlich alle Geschlechter. 6

LUFTSICHERHEIT 3 DSD 1 | 2023 Tarifpolitik „Flughafensicherheit“ in Zeiten der Krise Von Rainer Friebertshäuser Auch das Jahr 2022 war wieder einmal von tarifpolitischen Herausforderungen im Bereich der Luftsicherheit geprägt. Im Tarifergebnis mit den Gewerkschaften ver.di und dbb Anfang des Jahres 2019 wurde festgehalten, die Themen Manteltarif sowie Zuschläge und Zulagen im Bereich der Flughafensicherheit während der dreijährigen Laufzeit des Tarifvertrages zu verhandeln. Sehr schnell wurden diese Verhandlungen aber durch die Realität der sich schnell ausbreitenden Coronapandemie und deren immense Folgen, insbesondere für den Luftverkehr, eingeholt: Die wirtschaftliche Lage der Unternehmen, und damit natürlich die unabsehbaren personellen Auswirkungen, führten zur Einsicht, die Verhandlungen auf die nicht lohnwirksamen Bestandteile zu begrenzen. Aber auch hier waren die coronabedingt in kleinen Kreisen geführten Verhandlungen zäh und führten nur in wenigen redaktionellen Bestandteilen des Manteltarifvertrages zu Annäherungen. Die Wirklichkeit holte die Arbeitgeber dann in den Verhandlungen zum Entgelttarifvertrag Aviation ein: Die Gewerkschaften forderten für das Jahr 2022 bei einer zwölfmonatigen Laufzeit Erhöhungen von bis zu 40 Prozent sowie die Erhöhung der Zeitzuschläge und Zulagen für Führungskräfte. In den Erhöhungen war auch die Angleichung der teilweise noch länderspezifischen Löhne sowie die Abschaffung von Probezeit- und Einstiegsentgelten integriert. Neu war in den Verhandlungen, dass diese nicht bereits während der Laufzeit des alten Entgelttarifvertrages begonnen wurden, sondern erst Ende Januar 2022. Arbeitgeberseitig wurde bereits in der ersten Verhandlungsrunde ein Angebot unterbreitet, dass im Wesentlichen seitens der Gewerkschaften unkommentiert blieb. Bereits Mitte Februar wurden erste Streiks durchgeführt, diese zogen sich bis in die zweite Märzhälfte hin. In äußerst schwierigen Gesprächen gelang erst Ende März ein komplexer Tarifabschluss, der bei einer zweijährigen Laufzeit, unter Betrachtung der Angleichung in den Ländern Erhöhungen bis zu 28 Prozent vorsah. Allerdings lag der Text des Tarifvertrages erst nach einer rekordverdächtigen Dauer der Redaktionsverhandlungen Ende April vor. Schaut man sich die Abschlüsse bundesweit an, so ist dies ein enorm hoher Abschluss. Die Tariflöhne in Deutschland stiegen im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr um durchschnittlich 2,7 Prozent. Im Jahr 2022 wurden für etwa 7,4 Millionen Beschäftigte neue Tarifverträge abgeschlossen. Hinzu kommen für weitere 12 Millionen Beschäftigte Tarifsteigerungen, die bereits 2021 oder früher vereinbart wurden. Die älteren Tarifverträge sehen dabei mit durchschnittlich 2,6 Prozent etwas niedrigere Tarifsteigerungen vor als die 2022 getätigten Neuabschlüsse, bei denen die durchschnittlichen Tarifzuwächse bei 2,9 Prozent liegen. Ohne Berücksichtigung der Metall- und Elektroindustrie liegen die 2022 neu vereinbarten Tariferhöhungen bei 4,2 Prozent und weisen damit einen deutlichen Trend zu höheren Tarifabschlüssen auf. Allerdings gab es 2022 auch einige Tarifbereiche, in denen höhere Abschlüsse erzielt wurden. Dies galt insbesondere für eine Reihe klassischer Niedriglohnbranchen wie z. B. das Bäckereihandwerk, das Gastgewerbe, die Gebäudereinigung oder das Bewachungsgewerbe, wo die deutliche Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro pro Stunde sich auch in einem entsprechend kräftigen Zuwachs der Tarifvergütungen niederschlug. Seitdem wird weiterhin über Zulagen für Führungskräfte sowie die Zeitzuschläge verhandelt. Die Gewerkschaften haben begleitend zu den Verhandlungen den Manteltarifvertrag zu Ende 2022 gekündigt. Trotz erster Annäherungen beharren die Gewerkschaften auf Steigerungen der Zeitzuschläge auf die maximal nach Steuerrecht möglichen Erhöhungen. Eine Kompromissbereitschaft ist nicht erkennbar, sodass ein Ende dieser Verhandlungen nicht absehbar ist. Leiter der Tarifkommission des BDLS Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen Rainer Friebertshäuser

LUFTSICHERHEIT 4 DSD 1 | 2023 Mit (Luft-)Sicherheit raus aus der Krise! Nachgedanken zu den 12. Luftsicherheitstagen Von Oliver Damer Deutschlands Wirtschaft leidet unter einem so kaum je erlebten Arbeitskräftemangel. Hiervon hart betroffen ist die Luftverkehrswirtschaft, zu der auch die Luftsicherheit gehört. Eigentlich erstaunlich, wenn man bedenkt, dass Luftsicherheitsassistentinnen und -assistenten zu den Spitzenverdienern an deutschen Flughäfen gehören. Einer breiteren Öffentlichkeit jedenfalls scheint das nicht bewusst. Friedrich Rückert hat den Ausspruch geprägt: „Nur in seinen Werken kann der Mensch sich selbst bemerken.“ Und tatsächlich ist Arbeit für die meisten Menschen durchaus auch sinnstiftend. Eine Tätigkeit, die darauf zielt, Mitmenschen vor Terror und schwerer Kriminalität zu bewahren, sollte dies ganz besonders für sich in Anspruch nehmen dürfen. Aber vielleicht haben wir es als Arbeitgeber versäumt, diesen besonderen und auch ideellen Wert einer Tätigkeit in der Luftsicherheit hinreichend genug zu vermitteln? Ich persönlich jedenfalls sehe selbstkritisch Nachholbedarf und will, dass wir dieser Verantwortung künftig mit mehr Nachdruck und einfühlsamer gerecht werden. Rückkehr aus Corona Wie können wir es uns als Branche erklären, dass die Rückkehr unserer Belegschaften aus der Coronazwangspause einigermaßen verstolpert werden konnte? Der Leiter der BPOLI BER jedenfalls hat es Anfang Oktober anlässlich der Luftsicherheitstage auf den Punkt gebracht. Nach einer langen „Erholungsphase“ müssen wir schnellstens zurück zu professionell geleiteten und geleisteten Kontrollabläufen finden. Zugespitzt wurde formuliert, dass zwar genügend Luftsicherheitsassistentinnen und -assistenten in Lohn und Brot seien, aber zu wenige in der tatsächlichen Arbeit auf den Kontrollspuren. Die Feststellung schmerzt und ist doch nicht zu widerlegen. Krankenstände von bis zu 30 Prozent jedenfalls sprechen eine klare Sprache und die Ursachen hierfür müssen abgestellt werden. Natürlich gab es bis in den Herbst hinein noch immer ein Coronaansteckungsgeschehen, aber die Dramatik der Krankenstände wird dadurch nicht erklärt. Die Ursachen liegen tiefer und womöglich eben im nicht ausreichend entwickelten Verständnis für die Sinnhaftigkeit und besondere Verantwortung des eigenen Tuns. Und da ist mehr Neben der zuvor erwähnten besonderen Pflicht der Arbeitgeber, mehr Führung und Vorbild zu zeigen, bleiben über Jahre aufgestaute strukturelle und organisatorische Defizite. Diese bewirken, dass Personalgewinnung schleppend und nur mäßig erfolgreich geschieht. Das Berufsbild Luftsicherheit ist der Öffentlichkeit in all seinen Facetten wenig bekannt. Die Tätigkeit leidet zudem unter einer uninformierten und oft sogar verzerrten Darstellung in Medien und politischen Wortmeldungen. Kein Wunder, dass die gut bezahlten Berufe in der Luftsicherheit für manchen Neueinsteiger wenig attraktiv erscheinen. Wir sind nicht allein Strukturell leiden wir darunter, vor dem Boarden der Fluggäste das letzte Glied einer Reihe von Prozessen zu sein. Mitunter erst spät oder mit zu wenig Kapazität geöffnete Check-ins führen zu gestörten Passagierströmen, die dann bei uns als Stau sichtbar werden. Der Verzicht darauf, Handgepäckregelungen auch durchzusetzen und gestörte Gepäckprozesse an einigen Flughäfen verleiten Passagiere dazu, teils absurde Mengen an dicht gepacktem Gepäck mit in die Kabine nehmen zu wollen. Dafür können wir nichts. Aber wir baden es aus. Die mitunter sehr langen Bearbeitungszeiten von Zuverlässigkeitsüberprüfungen („ZÜP“) für künftige Mitarbeitende werden regelmäßig thematisiert. Verbessert hat sich wenig und KrankVizepräsident des BDLS Bundesverbands der Luftsicherheitsunternehmen und Geschäftsführender Direktor der I-SEC Deutsche Luftsicherheit SE & Co. KG Oliver Damer

LUFTSICHERHEIT 5 DSD 1 | 2023 heitsausfälle auch in den verantwortlichen Behörden tun ihr Übriges. Geschult werden darf bekanntlich erst bei amtlich bescheinigter Zuverlässigkeit und so bleibt es dann dabei, dass gerade gute Bewerber und Bewerberinnen die Geduld verlieren. Noch ehe die beantragte ZÜP vorliegt, wird ein anderes Arbeitsangebot, also eines mit niedrigerer und unkomplizierterer Einstiegsschwelle, angenommen. Wer zahlt? Wirtschaftlich war und ist all dies für die Unternehmen der Luftsicherheit eine existenzielle Herausforderung. Durch die schlimmste Zeit von Corona haben uns sehr pragmatisch der Bund und auch Kurzarbeitergeld geholfen. Dennoch sind die Fixkosten geblieben. Führung und Verwaltung, Raummieten und Abschreibungen, Rückstellungen für Urlaub, Kosten der Fort- und Weiterbildung und ein für das Kurzarbeitergeld deutlicher erhöhter Verwaltungsaufwand. Die Jahre 2020 und 2021 haben unsere Branche viel Substanz gekostet. Verdeckte Schäden Solange ein Unternehmen für seine Beschäftigten Kurzarbeitergeld in Anspruch nimmt, herrscht faktisch ein Einstellungsverbot. Diese Regelung mag für bestimmte Branchen oder Konstellationen Berechtigung finden, für die Luftsicherheit war sie eine klassische Zwickmühle. Als dringend erkannte Neueinstellungen mussten hintenangestellt werden. Ansonsten keine weitere Kurzarbeit. Ein verfrühter Verlust der Kurzarbeitsregelung wiederum hätte den wirtschaftlichen Bestand vieler Unternehmen ernsthaft infrage gestellt. Zwangsläufig wurde so oft sehenden Auges in eine sich am Horizont abzeichnende Personalunterdeckung gesteuert. Zurück in die Zukunft Nach jähen Einschnitten werden eigentlich immer ganz besonders düstere Szenarien gemalt. Man denke an die Zeit nach den Anschlägen des 11. September 2001. Dennoch waren die jeweils verbundenen Einbrüche der Verkehrszahlen stets nur von kurzer Dauer und bald wurde der alte Wachstumspfad wieder eingeschlagen. Seien wir also optimistisch! Da die verfügbaren Personalressourcen auf dem Arbeitsmarkt endlich sind, kann sich die Anzahl der Luftsicherheitsassistentinnen und -assistenten nicht proportional zum Passagierwachstum entwickeln. Daher ist es immens wichtig, schon bald verfügbare, neue Generationen von Kontrolltechnik und optimierte Konfigurationen unserer Kontrollstellen nebst daraus resultierenden Prozessanpassungen, die die Luftsicherheit effektiver und effizienter machen, zum Einsatz zu bringen. Wir werden das Berufsbild Luftsicherheit attraktiver, angesehener und auch anspruchsvoller gestalten können. Wir werden neue Kräfte gewinnen und unsere Bestandsbelegschaften neu motivieren und, wo nötig, aus letzten Ausläufern der Coronalethargie herausführen. Seit Beginn dieses Jahres ist mein Unternehmen ein Teil der NeuenWelt Frankfurt. Teil einer Luftsicherheit also, die sich eng an originäre Flughafenprozesse und -erfordernisse binden kann. Mit schnellen Entscheidungswegen und dem unbedingten Fokus auf den Passagier als Mittelpunkt all unserer Anstrengungen. Darüber und auf das, was kommen wird, freue ich mich! Bild: Dennis Ludlow / istockphoto.com Anzeige

LUFTSICHERHEIT 6 DSD 1 | 2023 Sicherheitskontrollen an Flughäfen neu gedacht Das Frankfurter Modell der „Neuen Welt“ Von Kerstin Kohlmetz Die Diskussionen über die Organisation der Luftsicherheitsaufgaben sind nicht neu. Dabei ist bereits seit Längerem von der Neuen Welt am Flughafen Frankfurt am Main zu lesen. Aber was versteckt sich hinter diesem Begriff und welche Vorteile werden mit diesemModell erwartet? Gerade aufgrund des Wiederanlaufens des Luftverkehrs nach der Pandemie und der Berichterstattungen über lange Schlangen an den Kontrollstellen im Sommer 2022 werden Stimmen für eine Reorganisation lauter. Nicht zuletzt seit den schrecklichen Anschlägen vom 11. September 2001 hat sich die Luftsicherheit spürbar verändert. Der Luftsicherheitsstandard am Flughafen Frankfurt am Main, als größter deutscher Flughafen, ist heute auf einem sehr hohen Niveau. Und hier sind sich alle Experten und Fluggäste einig: Sicherheit ist Garant für den Luftverkehr und nicht verhandelbar. Gleichzeitig sind die Prozesse des Flughafens komplexer geworden. Dies zeigt sich bereits alleine an der Anzahl der Prozessketten, die bis zum Abflug zu durchlaufen sind. Auch im Sommerreiseverkehr 2022 wurde deutlich, dass die Herausforderungen aufgrund der Dynamik im Luftverkehr zunehmen. Und genau hier liegt der Ansatz der Neuen Welt. Das Bundesministerium des Innern und für Heimat hat dem Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport AG ab dem 1. Januar 2023 die Verantwortung für die Organisation, Finanzierung, Steuerung und Durchführung der Luftsicherheitskontrollen am Flughafen Frankfurt amMain übertragen. Das haben beide Seiten in einem öffentlich-rechtlichen Beleihungsvertrag vereinbart, den beide am 5. Mai 2021 final unterzeichneten. Die Fraport AG übernimmt hierbei auch die Verantwortung für die Beschaffung der Sicherheitsausrüstung am Flughafen Frankfurt am Main sowie die Kalkulation und Erhebung der Luftsicherheitsgebühren. Damit wird die Bundespolizei von polizeivollzugsfremden Aufgaben entlastet und kann sich noch besser auch auf ihre polizeilichen Kernaufgaben in der Luftsicherheit fokussieren. Die Kontrollen am Flughafen Frankfurt werden auch in diesem Modell weiterhin durch das qualifizierte Fachpersonal privater Sicherheitsdienstleister im Auftrag der Fraport AG und unter Aufsicht der Bundespolizei durchgeführt. Die Beschäftigten der Sicherheitsdienstleister erfüllen dabei unverändert die behördlichen Anforderungen an ihre Tätigkeit und werden weiterhin nach Tarif entlohnt. Oberste Luftsicherheitsbehörde bleibt das Bundesministerium des Innern und für Heimat. In dem Frankfurter Modell werden die anstehenden Aufgaben also dort erfüllt, wo man sie auch aus praktischer Sicht am sinnvollsten ansiedeln sollte. Die Bundespolizei konzentriert sich auf den Kernbereich der öffentlichen Sicherheit im Luftverkehr und kommt als Polizei bei allen sicherheitsrelevanten Vorgängen zum Einsatz. Das bekannte Bild der bewaffneten Streifen und Posten bleibt unverändert. Die Polizeikräfte sichern die Kontrollstellen und stehen jederzeit für Fragen oder Hinweise der Reisenden, aber auch der Luftsicherheitsassistentinnen und -assistenten oder anderen Partnern zur Verfügung. Die Zulassung des Personals der Sicherheitsdienstleister für die Kontrolltätigkeit obliegt ebenfalls weiterhin der Bundespolizei und diese erteilt nach einer bestandenen Beleihungsprüfung eine Beleihungsurkunde. Auch die Sicherheitstechnik bedarf im Einzelfall vor dem Einsatz der Zertifizierung, Zulassung und Abnahme durch die zuständige Luftsicherheitsbehörde. Alles in allemobliegt der Bundespolizei zuletzt als Aufsichtsbehörde die Rechts- und Fachaufsicht, die unter anderem auch durch regelmäßige Tests vollzogen wird. Auch hier hat die Neue Welt in Frankfurt ihre Vorzüge, da die Aufsichtsmaßnahmen durch das bisher in der Steuerung eingesetzte Personal in einem Zentralbereich gebündelt werden können. Grundlage für die hohe Qualität in der Sicherheit und den Erfolg der Maßnahmen bleibt nach dem Start der NeuenWelt ab dem 1. Januar 2023 Präsidentin der Bundespolizeidirektion Flughafen Frankfurt am Main Kerstin Kohlmetz

LUFTSICHERHEIT 7 DSD 1 | 2023 weiterhin die Offenheit, das Vertrauen und ein gemeinsames Verständnis für den Gesamtprozess. Das ist im Übrigen ein Verständnis, welches seit Jahren amFlughafen Frankfurt am Main mit allen Partnern gelebt wird. Die Kontrolldienstleistung gemäß § 5 des Luftsicherheitsgesetzes soll auch in dem Modell der Neuen Welt durch private Sicherheitsdienstleister erfolgen. Dieser Ansatz ist bisheriger Standard am Flughafen Frankfurt am Main. Die Sicherheitsdienstleister haben einen unmittelbaren Anteil amhohen Sicherheitsniveau vor Ort. Zukünftig ist Fraport als Beliehene die erste Ansprechstelle für die Unternehmen. Dies beginnt mit der Veröffentlichung der Ausschreibung, dem Vertragsschluss und der operativen Steuerung. Dabei setzt der Flughafenbetreiber auf das Bewährte und es gelten weiterhin die unverrückbaren Grundsätze der Tarifbindung und des hohen Qualitätsanspruchs. Für die Tätigkeit als Luftsicherheitsassistentin bzw. -assistent sind geschulte Fachkräfte vorgesehen. Der immer wieder benannte Fachkräftemangel ist hier, wie in allen Branchen des Flughafens, erkennbar. Es fehlt also Nachwuchs für die Sicherheitsdienstleister. Blendet man die Coronaphase aus, so zeigte sich bereits in den Passagierzuwächsen der letzten Jahre, dass gerade die Technik eine effiziente Weiterentwicklung in der Luftsicherheit unterstützt. In 2019 eröffnete Fraport gemeinsam mit der Bundespolizei im Terminal 1 eine Anbauhalle im Flugsteig A mit sieben neuen innovativen Spuren, die als „Siko 2019“ bezeichnet werden. Das liegt mittlerweile aber auch schon wieder über drei Jahre zurück und der technische Fortschritt geht weiter voran. Hier gilt es weiter Schritt zu halten. Die Bundespolizei ist hierbei Motor nationaler und europäischer Neuentwicklungen. Und moderne Technik ist der Schlüssel zum Erfolg und bringt höhere Stabilität mit sich. Fraport hat rechtlich und faktisch andere Möglichkeiten, um Beschaffungen und Weiterentwicklungen schneller umzusetzen. Insbesondere mit der neuen Computertomografie-Technik, die ein Auspacken von Flüssigkeiten und Elektronik grundsätzlich entbehrlich macht, wird den gestiegenen Ansprüchen an Sicherheit und einen veränderten Fluggastprozess weiter entsprochen. Mit Beginn 2023 werden weitere neue Kontrollspuren installiert; perspektivisch sollen in den kommenden Jahren am Frankfurter Flughafen über 160 Spuren technisch erneuert werden. Das Interesse an dem Modell Neue Welt ist hoch und nach dem Start ist selbstverständlich eine Evaluierung vorgesehen. Aber bereits jetzt, am Ende der Übergangsphase 2022, zeichnet sich ab, dass dies ein zukunftsweisender Weg zur weiteren Verbesserung der Qualität und Effektivität der Organisation für Sicherheitskontrollen an Flughäfen ist. Dies ist ein Modell, das auch für andere Flughäfen Richtschnur sein könnte. Mit Spannung sowie hohem Interesse in der Branche und Politik werden die Augen in 2023 auf das Frankfurter Modell gerichtet sein. Bild: Fraport AG

LUFTSICHERHEIT 8 DSD 1 | 2023 Künstliche Intelligenz erhöht die Genauigkeit der Passagierprognose im Luftverkehr Von Cornelius Toussaint und Robert Kaletsch Digitalisierung, der demografische und klimatische Wandel sowie ihre Auswirkungen auf Gesellschaften und Natur gehören zu den weltumspannenden Themen der zurückliegenden Jahre. Die Coronapandemie, diverse Naturkatastrophen und der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine rücken Security und Safety hinsichtlich der Bewegungsfreiheit, der Lieferketten und nicht zuletzt der Kritischen Infrastrukturen mehr und mehr in den Vordergrund. Beispielhaft für den Bereich der Kritischen Infrastrukturen steht der internationale Luftverkehr, der gleichzeitig durch die Faktoren Klimawandel, Demografie, Lieferketten und Digitalisierung unmittelbar beeinflusst ist. Millionen von emotional aufgeladenen Passagieren treffen dabei auf eine weltweit verbundene Infrastruktur mit hohen Interdependenzen. Personalbedingte Störungen der Prozesse am Flughafen haben an vielen Flughäfen zu erhöhten Wartezeiten beim Check-in, den Sicherheitskontrollen, aber auch der Gepäckabfertigung geführt. Verspätete und verpasste Flüge trafen auf die Erwartungshaltung, „endlich mal wieder spontan und befreit in die schönsten Wochen des Jahres zu fliegen“. Nach zwei Jahren Pandemie war das „Bottleneck“ für nahezu alle personalintensiven Dienstleistungen im Luftverkehr die zeitgerechte qualitative und quantitative Beantwortung der Personalfragen. Teilweise mussten die Unternehmen in wenigen Wochen von Kurzarbeit in den Vollbetrieb durchstarten. Beschränkte Betriebszeiten der Flughäfen und die internationale Verzahnung des Flugbetriebs mit der Reisebranche führen regelmäßig zu extremen Schwankungen der Auslastung an einem Flughafen, sowohl auf die Saison, die Wochentage als auch die Uhrzeit bezogen. So ist der Businessflieger am Freitagnachmittag von Düsseldorf nach München ganz anders am Ende einer Messewoche belegt als der gleiche Flieger in einer „normalen“ Woche. Und natürlich sind die Flieger in die Sonnenziele zum Start der Ferien oder über die langen Wochenenden mit möglichst großen Maschinen und Maximalauslastung unterwegs. Beeinflusst wird der Flow am Flughafen auch durch die Passagiere selbst, etwa durch den Umfang des mitgeführten und zu kontrollierenden Reisegepäcks und der Ankunftszeit am Flughafen. Die Berücksichtigung und automatische Aus- beziehungsweise Bewertung verschiedener Informationen kann dazu führen, die Abläufe am Flughafen für Passagiere und Dienstleister durch eine möglichst optimale Anpassung der verfügbaren Kräfte an die notwendige Personalstärke und Qualifikation zu optimieren. Diese Idee legte die CONDOR Gruppe zugrunde, als sie mit dem Berliner Start-up KINEO über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) zur Prognose tatsächlich zu erwartender Passagiere zur Planung der Flugtage, in Bezug auf die notwendige Anzahl und Zeiträume der zu öffnenden Kontrollstellen, ins Gespräch kam. Künstliche Intelligenz führt zu genaueren Passagierprognose Die CONDOR Gruppe ist bundesweit an mehreren Flughäfen Anbieter für Sicherheitsdienstleistungen gemäß Luftsicherheitsgesetz und bildet mit einer hauseigenen Akademie Luftsicherheitskontrollkräfte aus. Rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sorgen allein an den Flughäfen Dortmund, Braunschweig und Leipzig mit Passagier- und Handgepäck- sowie Frachtkontrollen für mehr Sicherheit im Luftverkehr. Obwohl es CONDOR in der Phase der Pandemie gelungen ist, das vorhandene Personal zu halten und an einzelnen Standorten sogar um über 20 Prozent auszubauen, wissen die Verantwortlichen um die Personalherausforderungen im Anschluss an die Coronakrise. Generell gilt es, die knappe Ressource Personal möglichst optimal einzusetzen, damit zum Beispiel in den PeakZeiten so viel Personal wie möglich für die Checkin-Schalter, die Kontrollstellen oder auch das Gepäckmanagement zur Verfügung steht, der Flughafen also quasi mit dem Passagieraufkommen synchron„atmet“. Geschäftsführender Gesellschafter der CONDOR Gruppe mit Sitz in Essen. Gemeinsam mit seinem Bruder Stephan Toussaint leitet er das Familienunternehmen seit 1997. Sie sind die zweite Generation der seit 1978 im Familienbesitz befindlichen CONDOR Gruppe. Seit über zehn Jahren fördert Cornelius Toussaint den Einsatz moderner Robotik und anderer Technologien zur Verbesserung privater Sicherheitsdienstleistungen. Dipl.-Ing. und Dipl.-Kfm. Cornelius Toussaint Geschäftsführender Gesellschafter der Kineo GmbH mit Sitz in Berlin und Experte im Bereich angewandte Machine Learning Technologien Robert Kaletsch

LUFTSICHERHEIT 9 DSD 1 | 2023 Wachstumstrend Flugverkehr vs. Personalauswuchs Dienstleister nach Corona Entgegen dem Wachstumstrend, der laut Flughafenverband ADV im Oktober 2022 um circa 40 Prozent auf 17,73 Millionen Passagiere im Vergleich zum Vorjahresmonat stieg, haben vor allem die personalintensiven Dienstleistungen rund um den Flugverkehr Schwierigkeiten bei der Rekrutierung des notwendigen Personals bereitet. Dies geht auf eine Vielzahl von Gründen zurück. Unter anderem sind die behördlichen Zulassungsverfahren (Überprüfung der Zuverlässigkeit) für Mitarbeitende im Bereich der Luftsicherheitskontrollkräfte häufig langwierig und führen dazu, dass mindestens die Hälfte der Bewerber bis zum Start der Ausbildung entweder das Interesse verlieren (und einen anderen Job ergriffen haben) oder zulassungsrelevante Erkenntnisse vorliegen und so ein Einsatz behördlich untersagt wird. Obwohl Luftsicherheitskontrollkraft kein Ausbildungsberuf ist, sind die Verdienstmöglichkeiten mit rund 20 Euro brutto pro Stunde zzgl. Zuschlägen auch für Quereinsteiger aus anderen Berufen interessant und liegen z. B. oberhalb der Vergütung für einen Dachdeckergesellen in NRW. Die Attraktivität des Jobs wird jedoch durch die Arbeitszeiten getrübt, deren Schwerpunkte natürlicherweise in den Ferienzeiten und auch an den Wochenenden liegen. An den meisten Flughäfen sind die Kontrollstellen nur wenige Stunden am Morgen und am Nachmittag erforderlich und werden entsprechend durch die Auftraggeber vergütet. Dies begründet einen hohen Anteil von Teilzeitbeschäftigten bei den Kontrollkräften, aber auch sonstigen Tätigkeitsbereichen im Flughafenbereich. KI-Planungsunterstützung erhöht Personaldienstleistungsattraktivität Um für Mitarbeitende und Auftraggeber als Unternehmen attraktiv zu sein, ist eine möglichst frühzeitige und passgenaue Dienstplanung wichtig. Für die Planung des Personalbedarfs nach Menge und Zeit sind Daten seitens der Fluglinien, des Flughafenbetreibers sowie der behördlich zuständigen Stelle (Bundespolizei oder Bezirksregierung) erforderlich. Die Planung erfolgt dabei durch die Unternehmen im Groben (Urlaubsplanung) mit einemVorlauf von bis zu 14Monaten und im Detail (Tageseinsatzplanung) bis zu acht Wochen im Voraus. Also zu einer Zeit, in der nur einTeil der tatsächlichen Passagiere ihren Flug gebucht hat. Und genau hier greift die KI von Kineo als vorgelagertes System ein. Aus den unterschiedlichen Datenquellen und den Daten der Vergangenheit wird mithilfe von speziell auf den Bedarf am Flughafen entwickelten Algorithmen eine Vorhersage über das zu erwartende Passagieraufkommen am Tag X mit einer durchschnittlichen Abweichung von lediglich 15 Prozent erstellt. Zugleich wird das zur Verfügung stehende Stundenpotenzial bestmöglich – im Sinne der optimalen Verteilung von Kontrollstellen zu Passagieren – auf denMonat aufgeteilt. Im Gegensatz zu einem (behördlichen) DurchGeringere Wartezeiten an der Sicherheitskontrolle durch genauere Passagiervorhersage dank Künstlicher Intelligenz (KI) Bild: Michael Gaida

LUFTSICHERHEIT 10 DSD 1 | 2023 schnittswert als allgemeine Vorgabe besteht mit der Kineo-Lösung eine detaillierte Planungsgrundlage, deren Präzision mit fortschreitender Übernahme von Ist-Zahlen und weiteren Parametern – etwa Messe- und Veranstaltungsterminen – kontinuierlich zunimmt. Vereinfacht gesagt nutzt die KI eine menschlich nicht zu verarbeitende Anzahl von Einflussparametern und Planungsalternativen, um die bestmögliche Lösung für die Planung zu finden. Ein Schachcomputer ist gegen die Potenziale der Kineo-KI eine relativ simple Rechenmaschine. Der Kineo-Trick Das Berliner Start-up Kineo hat sich zum Ziel gesetzt, KI vor allem dem deutschen Mittelstand näherzubringen. Die CONDOR Gruppe mit ihren 850 Mitarbeitenden passte daher ideal in die Kineo-Zielgruppe. Bereits bei einem Kennenlerntermin im Frühjahr 2022 stellte sich schnell heraus, dass die Teilnehmenden sowohl thematisch und inhaltlich als auch menschlich viele Gemeinsamkeiten aufwiesen. Es wurde ebenso schnell deutlich, dass diese Zusammenarbeit eines besonderen Set-ups bedurfte. In der Regel liegt der Fokus von Kineo auf der internen Prozessoptimierung. Das bedeutet konkrete Anwendungsgebiete, wie beispielsweise Forecasting, Logistikoptimierung, Predictive Maintenance oder Qualitätskontrollen. Im vorliegenden Fall schienen die Wertschöpfungspotenziale auch jenseits der internen Prozessoptimierung der CONDOR Gruppe zu liegen. Denn für den Fall, dass Kineo den Anwendungsfall„KIgestützte Passagierprognose“ erfolgreich umsetzen würde, war allen Beteiligten klar, dass diese Lösung auch für viele andere Unternehmen unter anderem am Flughafen sinnstiftend und wertschöpfend ist. Zusätzlich tangierte die Idee den Nerv der Zeit. Die Gespräche fanden im Frühjahr 2022 statt, also noch bevor sich die Schlagzeilen der Leitmedien mit überlasteten Flughäfen und stundenlangen Wartezeiten an den Sicherheitskontrollen förmlich überschlugen. Beiden Parteien nutzten die Chance, gemeinsam ein Produkt zu entwickeln. Kineo implementierte erfolgreich eine Softwarelösung, die über eine KI-gestützte Passagierprognose hinaus auch noch die komplette monatliche Kontrollstellenplanung übernimmt. Dabei evaluiert die KI zu jedem Zeitpunkt, welche Öffnungskonfiguration das vorhergesagte Passagieraufkommen effizient und somit im Sinne einer reisefreundlichen Abwicklung bedient. Berücksichtigt werden, neben der Vorhersage, zusätzliche Parameter, wie zum Beispiel das verfügbare Stundenkontingent oder gesetzliche Vorgaben und Konformitäten. Im Ergebnis steht ein fertiger Plan, der neben der tatsächlichen Planung auch dienstlich relevante Formulare ausfüllt und dem Nutzer eine Orientierung bereitstellt. Die CONDOR Gruppe stellte sich für Kineo als idealer Partner heraus. Durch die einzigartige Kombination aus Branchenwissen der CONDOR Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner sowie der Machine-Learning-Expertise seitens Kineo, konnte von Kineo in weniger als einemMonat ein funktionierender und testbarer Prototyp entwickelt werden. Die Genauigkeit und Stabilität der Machine-Learning-Lösung bzw. des Forecasts begeisterte die Verantwortlichen von Kineo und CONDOR gleichermaßen. Mittlerweile ist ein fertiges und einsetzbares Produkt entstanden, welches viele Unternehmen gewinnbringend einsetzen können. Fazit/Ausblick Aus Sicht der CONDORGruppe hat sich die Zusammenarbeit als großer Erfolg erwiesen. Nach dem knapp fünfwöchigen Kineo-Lighthouse-Prozess zeigten sich erste Erfolge. Insbesondere für den Kontrollstellenplanungsprozess ergeben sich erhebliche Zeitvorteile, da auf der Grundlage der KI-Daten die Anzahl und Zeiträume zu besetzender Kontrollstellen bei verfügbarem Stundenvolumen mit einer Zeitersparnis von70 Prozent unddrastisch verbesserter Berücksichtigung der über alle Flüge kumulierten Passagierströme ermittelt werden kann. Für die eigentliche Personalplanung verbleibt somit mehr Zeit und die Fehlplanungen von Ressourcen werden reduziert, sodass das Personal möglichst dann vorhanden ist, wenn es für die Kontrolle der Passagiere erforderlich ist. Schließlich bietet die CONDOR-Kineo-Lösung auch Potenzial, um gemeinsam mit den übrigen Stakeholdern an einem Flughafen auch Flugplananpassungen mit belastbaren Prognosen zu diskutieren, die eine Gesamtoptimierung für alle Beteiligtenerlaubt. In Zukunft werden neben der Fortschreibung der Daten der Vergangenheit auch andere Parameter die KI-gestützte Planung optimieren, zum Beispiel Besonderheiten durch Heimspiele der rund um den Flughafen vorhandenen Sportvereine, Messen etc. Selbstredend ist dieMethodik auch für andere Flughäfen und Dienstleistungen rund um einen Flughafen einsetzbar, was nutzt es schließlich, wenn die Passagiere zwar gut durch die Kontrollstellen kommen, dann aber teils tagelang auf ihr Gepäck warten müssen. Kineo und CONDOR haben es sich zur gemeinsamen Aufgabe gemacht, Lösungen in personalintensiven Bereichen zu entwickeln, die den besseren Einsatz der zunehmend knappen Ressource Personal fördern. Die CONDOR Gruppe bietet mit ihrem Partner Kineo Artificial Intelligence (AI) – Künstliche Intelligenz (KI) – an, die zur Optimierung softwaregestützter Personalplanung von Flughafenkontrollstellen sowie zu weiteren Ressourcenplanungen erfolgreich eingesetzt wird.

LUFTSICHERHEIT 11 DSD 1 | 2023 Erfolgreicher Start der § 5-Steuerungsübernahme Von Alexander Laukenmann Am 1. Januar ging am Flughafen Frankfurt am Main die Verantwortung für die Finanzierung, Organisation, SteuerungundDurchführungder Luftsicherheitskontrollen gemäß § 5 LuftSiG von der Bundespolizei auf die Flughafenbetreiberin Fraport über. Ein knapp zwei Jahre andauerndes Projekt kommt damit zum Ende und der vom Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), Bundespolizeidirektion Frankfurt Flughafen und Fraport AG unterzeichnete Beleihungsvertrag aus dem Jahr 2021 tritt in Kraft. Welche Herkulesaufgabe es zu bewältigen galt, zeigt ein (Rück-)Blick auf die wesentlichen Meilensteine der letzten beiden Jahre. Wie sind wir gestartet? Die Idee der Steuerungsübernahme in Frankfurt ist ein gemeinsames Ergebnis von BMI und Flughafenbetreiberin, die lange gereift ist. Für die Umsetzung der Inhalte des Beleihungsvertrages wurde sowohl bei der Bundespolizeidirektion Frankfurt Flughafen als auch bei Fraport im Mai 2021 ein gemeinsames Großprojekt aufgesetzt. Jeder wesentliche Baustein der Steuerungsübernahme wurde dabei in einem eigenenTeilprojekt abgebildet und bearbeitet. Dazu zählten unter anderem die Neuausschreibung von Kontrolldienstleistungen, die Erhebung von Luftsicherheitsgebühren, der Umgang mit der Kontrollinfrastruktur, die zukünftige Ressourcenplanung sowie die operative Steuerung. Das Besondere dabei: DieTeilprojekte wurden sowohl vonMitarbeitenden der Fraport als auch von Kollegen der Bundespolizeidirektion Frankfurt Flughafen besetzt. Im Fokus der Zusammenarbeit stand immer ein konstruktives und offenes Miteinander. Die Teilprojekte lebten vom kontinuierlichen Erfahrungsaustausch, aber natürlich auch von der„Neugier“, neue Ansätze auszuprobieren. So konnten bis zum Jahreswechsel alle Vorbereitungen zur Aufgabenübertragung erfolgreich gemeinsam abgeschlossen werden. Wer übernimmt künftig welche Aufgaben? Durch die Konzentration auf die jeweiligen Kernkompetenzen gewährleisten Bundespolizei und Fraport auch in Zukunft maximale Sicherheit, aber gleichzeitig auch erhöhte Effizienz. Während unter anderem die Zertifizierung von Luftsicherheitsassistenten, die Zulassung von Kontrollinfrastruktur sowie die gesetzliche Fach- und Rechtsaufsicht nachwie vor der Bundespolizei obliegen, hat Fraport nun mehr Verantwortung, aber auch Gestaltungsspielraum. Dazu zählen die Beauftragung und Steuerung von Sicherheitsdienstleistern, die Beschaffung zertifizierter und innovativer Kontrollinfrastruktur und die Ausgestaltung des Qualitätsmanagements sowie der Prozesse an den Spuren. Was bedeutet die Steuerungsübernahme für Frankfurt? Bereits im Rahmen der Vorbereitung der Steuerungsübernahme konnte Fraport erste Pflichten sowie Freiheiten wahrnehmen und so schon früh die Weichen für die Zukunft stellen. Zu den großen Meilensteinen des Projekts gehörten unter anderem das Vergabeverfahren der Sicherheitsdienstleistung und die kurzfristige Beschaffung neuer Kontrolltechnik, aber auch die erste Wissensmitteilung für das kommende Jahr sowie die Transparenzgespräche mit den Airlinekunden. Parallel dazu mussten aber auch Fraport- intern Vorbereitungen für die neue Rolle getroffen werden. Dazu zählte nicht nur der Aufbau neuen Wissens, sondern auch die Schaffung technischer Voraussetzungen. Gemeinsam mit seinen Stakeholdern verfolgt Fraport dabei ein klares Ziel: langfristig Europas beste Sicherheitskontrollen nach Frankfurt zu holen. Die Steuerungsübernahme ist dafür ein großer und wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Wie gestalten wir die Zusammenarbeit mit den Dienstleistern? Damit wir dieser Vision näherkommen, braucht es eine partnerschaftliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, aber auch zwischen denAuftragnehmern am Standort. Dabei spielen transparenter Austausch und ein gemeinsamer Anspruch an hohe Qualität eine große Rolle. Seit Januar Geschäftsbereichsleiter Aviation der Fraport AG www.fraport.com Alexander Laukenmann

LUFTSICHERHEIT 12 DSD 1 | 2023 sorgen als Ergebnis des Vergabeverfahrens I-Sec, FraSec und Securitas gemeinsam mit Fraport für die Sicherheit der Frankfurter Passagiere. Das Besondere ist, dass sich alle Beteiligten auch im Rahmen einer unterzeichneten Leitlinie zu den Grundsätzen der partnerschaftlichen Zusammenarbeit bekannt haben. Hierbei verpflichten sich die Beteiligten, gemeinsamVerantwortung für die Weiterentwicklung des Standorts Frankfurt zu übernehmen. Hierzu gehören z. B. die Sicherstellung der erforderlichen Ressourcen durch eigene Rekrutierung und Ausbildung von neuen Mitarbeitern. Wir sind uns alle bewusst: Nur gemeinsam können wir unseren Passagieren das bestmögliche Flughafenerlebnis bieten. Der Frankfurter Flughafen ist ein großer Jobmotor, den wir mit dieser Kooperation in seiner Attraktivität für den Arbeitsmarkt steigern wollen: Denn die Mitarbeitenden der Sicherheitsdienstleister sind unser essenzieller Erfolgsfaktor, weshalb Fraport entsprechende Anreize für die Zusammenarbeit geschaffen hat. Der Dienstleister hat in Zukunft nicht nur mehr Eigenverantwortung in der Disposition innerhalb seines eigenen Bereichs, sondern auch die Zielerreichung von Sicherheit und Effizienz werden incentiviert. An dieser Stelle sei außerdem erwähnt, dass mit dem Jahreswechsel die Mehrheitsbeteiligung an der FraSec Luftsicherheit GmbH durch Fraport an Sasse veräußert wurde, sodass Fraport sich zukünftig vollständig auf die neue Rolle der operativen Steuerung konzentrieren kann. Was ändert sich an den Kontrollstellen? Europas beste Sicherheitskontrollen anzuvisieren, bedeutet auch, dass Fraport in hochmoderne Technik investiert – nicht nur, um ein optimiertes Passagiererlebnis zu bieten, sondern auch um bessere Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter zu schaffen. Die Steuerungsübernahme ermöglicht Fraport mehr Freiheitsgerade in der technischen Gestaltung und ebnet so auch den Weg für Innovation am Standort. Veraltete Technik wird sukzessive ausgetauscht, die Prozesse werden vereinfacht und der Flughafen mit seinen Kontrollstellen noch ganzheitlicher betrachtet. Damit schaffen wir nachhaltige Effizienzen und können langfristig auch mehr Stabilität gewährleisten. Für den Passagier bedeutet es neben gleichbleibender Sicherheit zudem einen noch schnelleren und intuitiveren Kontrollprozess. Wie äußert sich Innovation in Frankfurt? Pünktlich zum Jahreswechsel bringt Fraport bereits erste innovative Technik im Terminal zum Einsatz. Zum einen wurden mehrere Kontrollspuren mit modernen CT-Geräten ausgestattet, die vor allem eine effizienteren, aber auch kundenfreundlicheren Prozess versprechen. Für die Passagiere in Frankfurt heißt das zum Beispiel, dass an diesen Spuren Flüssigkeiten imHandgepäck verbleiben können und Nachkontrollen sowie Wartezeiten reduziert werden. Zum anderen hat Frankfurt als erster europäischer Flughafen mit der Vanderlande-Spur „MX2“ eine der neusten Kontrollspuren auf dem Markt bei uns imTestbetrieb. Mit ihrer Single CT Logik und der Möglichkeit für abgesetzte Bildbewertung hebt sich die Spur insbesondere in puncto Durchsatz und Produktivität von der Konkurrenz ab – bei gleichzeitig wettbewerbsfähigem Investitionsaufwand. Aber wir setzen nicht nur kurz- und mittelfristig auf Veränderungen. Langfristig sollen Verfahren angepasst und nochweitere neue Technologien in Frankfurt eingesetzt werden. Dabei stehenwir imstetigen Austausch mit dem BMI und der Bundespolizei, um gemeinsam mit anderen Flughäfen das Streben nach Innovation auch deutschlandweit voranzutreiben. Mit Übergang der Steuerung zum 1. Januar hat Fraport in Frankfurt nun ihre neue Rolle als operative Verantwortliche für die § 5-Luftsicherheit eingenommen und die erstenWochen der operativen neuenWelt sind vergangen. Die Dienstleister haben ihre Arbeit erfolgreich aufgenommen und auch die eigenenMitarbeitendenhaben in eine gewisse Routine der neuen Aufgaben gefunden. Auch wenn die seitdem verstrichene Zeit noch kein abschließendes Resümee zulässt, sind alle Beteiligten stolz, dieses Großprojekt erfolgreich umgesetzt zu haben. Gemeinsam mit allen Systempartnern werden fortan mit viel Pioniergeist die Sicherheitskontrollen von morgen gestaltet und eine neue Art der Zusammenarbeit in Frankfurt gelebt. Das Interesse anderer Flughäfen an der Umsetzung zeigt: Was als Pilotprojekt von Bundespolizei und Fraport begonnen wurde, hat Zukunft. Vanderlande Spur MX2 am Flughafen Frankfurt Bild: Fraport AG

LUFTSICHERHEIT 13 DSD 1 | 2023 Herausforderungen im Reisejahr 2023 – auch für die Luftsicherheit Von Dr. Michael Engel Nach dem völligen Erliegen des Luftverkehrs zu Beginn der Coronapandemie haben wir nach dem Wegfall der Reisebeschränkungen im letzten Jahr eindrucksvoll die Rückkehr des Mobilitäts- und Reisebedürfnisses der Menschen in Deutschland gesehen. Leider brachte der Anstieg des Verkehrs das System Luftfahrt auch an seine Grenzen. Nach den teilweise chaotischen Verhältnissen im letzten Sommerreiseverkehr heißt es, der Sommer 2022 darf sich nicht wiederholen. Das stimmt: Das Chaos des letzten Sommers darf sich nicht wiederholen. Die Luftsicherheit bleibt dabei nicht die einzige Herausforderung für ein möglichst friktionsfreies Reisen 2023. Ziel aller Akteure ist und bleibt, im Jahr 2023 besser und sicher zu reisen! Steigende Luftsicherheitsgebühren belasten Airlines und Flughäfen Die finanzielle Belastungder Fluggesellschaftenund der Flughafenstandortewächst mit steigenden Luftsicherheitsgebühren. Sie verteuern den Luftverkehrsstandort Deutschland und entziehenMittel für die notwendigen Investitionen, u. a. in mehr Klimaschutz. 2011 mussten in Deutschland rund 423 Mio. Euro an Luftsicherheitsgebühren entrichtet werden; 2019 hatte sich diese Summe auf 780 Mio. Euro schon fast verdoppelt. Für 2023 wird der Betrag auf deutlich über 800Mio. Euro steigen – obwohl in diesem Jahr weniger Passagiere kontrolliert werden als 2011. Berücksichtigt man, dass Luftsicherheitskontrollleistungen seit 2022 aufgrund europarechtlicher Vorgaben von der Umsatzsteuer befreit sind, so fällt diese Steigerung noch größer aus. Ab 2024 plant das BMI eine deutliche Anhebung der Deckelung der Luftsicherheitsgebühr auf 28,50 Euro, was faktisch einer Aufhebung des Deckels gleichkäme. Bislang beteiligte der Staat sich zumindest anteilig an den über die 10-Euro-Deckelung hinausgehenden Kosten der Luftsicherheit. Bei der Bahn trägt der Staat die Kosten der Sicherheit durch die Bundespolizei sogar umfassend. Luftsicherheit ist als Teil der staatlichen Terror- und Gefahrenabwehr eine hoheitliche Aufgabe, die es rechtfertigt, dass der Staat sich auch weiter anteilig an der Finanzierung der Kosten für die Luftsicherheitskontrollen beteiligt. Arbeitskämpfe fehl am Platz Zur Teuerung der Luftsicherheitskosten haben nicht nur die hohen Tarifsteigerungen der letzten Jahre beigetragen. Ab dem 1. April 2023 beträgt der Tarifgrundlohn 20,60 Euro/Stunde. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Luftsicherheitskontrollen gehören damit zu den bestbezahlten Beschäftigten am Flughafen und die Gewerkschaften provozieren eine unausgewogene Schieflage im Lohngefüge der Beschäftigten am Flughafen. Trotzdem treten sie für weitere Erhöhungen ein, jetzt v. a. bei Schichtzuschlägen. Dabei wissen die Tarifpartner längst, dass es nicht einzig auf die Entlohnung ankommt, sondern auch andere Rahmenbedingungen stimmen müssen, um die Aufgabe in der Luftsicherheitskontrolle attraktiv zu halten. Der Manteltarifvertrag ist gekündigt und der aktuell gültige Vergütungstarifvertrag läuft nur noch bis Ende des Jahres 2023. Beides birgt das Risiko weiterer Streiks. Zuletzt hatten die Gewerkschaftsvertreter dabei Maß und Mitte verloren und die deutschen Flughäfen mit „Warn“streiks teils tagelang überzogen und den Luftverkehr gestört oder sogar zum Erliegen gebracht. Probleme bei der Personalbereitstellung Die Personalprobleme bei Bodenverkehrsdiensten, Luftsicherheitskontrollen und Fluggesellschaften waren wesentliche Ursache für die Probleme im Sommer des vergangenen Jahres. In Spanien, Portugal und Italien, wo bereits im letzten Jahr teilweise über 100 Prozent der Vor-Corona-Passagierzahl zurückgekehrt waren, sind die Probleme nicht in einem solchen Maße aufgetreten. 2022 flogen von undnachDeutschlandnur rund 65 Prozent der Passagiere von 2019 und für das erste Halbjahr 2023 Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften e.V. (BDF) www.bdf.aero Dr. Michael Engel

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