DER SICHERHEITSDIENST

WIRTSCHAFT UND POLITIK 25 DSD 2 | 2022 Das Unersetzliche schützen Von MinDir a.D. Reinhard Rupprecht In historischen Gebäuden und Museen haben der Brandschutz und die Videoüberwachung die Aufgabe, sowohl Besucher und Mitarbeiter als auch architektonische Elemente und Artefakte von unschätzbaremWert zu schützen. Sicherheitstechnik ist für den Schutz der Museen und ihrer Kunstschätze von überragender Bedeutung. Sie sollte zu Abschreckungszwecken zwar deutlich präsent, aber im Detail für mögliche Innentäter nicht transparent sein. Vor allem die sich immer schneller entwickelnde Innovationskraft der elektronischen Technik bis hin zur künstlichen Intelligenz – insbesondere in der Sensorik und in der Videobildanalyse – kommt der Museumssicherheit zugute. Ohne mechanische Sicherheitstechnik bleibt sie freilich nur Stückwerk. Nach dem „Zwiebelschalenprinzip“, das zu einer möglichst frühzeitigen Detektion krimineller Angriffe führt, beginnt Museumssicherheit mit dem Perimeterschutz in einer Kombination von Ummauerung oder Umzäunung mit Videoüberwachung und elektronischem Alarmsystem. So ist zum Beispiel der „Garten der Künste“ am Kunsthaus in Zürich „wie ein Ministerium“1 gesichert. Die Zufahrt in den Museumsbereich sollte durch stabile Schnelllauftore mit Videoüberwachung und einem Kennzeichenerkennungssystem geschützt werden.2 Türen in der Peripherie des Museums und zu den Ausstellungsräumen müssen einbruchhemmend ausgestattet sein, insbesondere mit stabilem Türblattaufbau, hochwertiger Beschlusseinrichtung und gegen Sperrtechniken geschütztem Schließzylinder. Für Museumseingänge, die ausschließlich für zugangsberechtigte Mitarbeiter bestimmt sind, ist ein modernes Zutrittskontrollsystem zu empfehlen, möglichst mit Zwei-Faktor-Authentifizierung. In dieses System sind Service- und Wartungskräfte einzubeziehen. Eine Flucht von Tätern über Zutritts- oder Zufahrtsbereiche muss durch automatisch verschließbare Sicherheitsschleusen zu verhindern sein. Auch die Fenster eines Museums sind einbruchhemmend auszustatten, mit widerstandsfähiger Verglasung, solider Befestigung der Verglasung im Fensterflügel, einbruchhemmendem Fensterbeschlag mit abschließbarem Fenstergriff und fester Verankerung des Fensterelements im Mauerwerk. Dem Erhalt historischer, nicht einbruchhemmender Fenster dient der Einbau eines sogenannten Kastenfensters gemäß DIN EN 1627. Fenstergitter sollten aus mindestens 16 mm starken Vierkantstäben bestehen, die im Mauerwerk verankert sind. Einbruchhemmend müssen natürlich auch die Wände des Museums gebaut sein. Und auch hier bildet der von David Chipperfield gestaltete Erweiterungsbau des Kunsthauses Zürich mit seinen massiven Betonwänden ein positives Beispiel.3 Die für die Täter erfolgreichen Einbrüche in das Bode-Museum und in das Grüne Gewölbe haben gezeigt, wie wichtig der mechanische und elektronische Schutz von Vitrinen ist, in denen kostbare, attraktive Exponate liegen. Die höchste Sicherheitsklasse eines Vitrinenglases (durchbruchhemmende P7B-Verglasung gernäß DIN EN 356) hält bis zu 70 Axtschlägen aus und trotzt der Bearbeitung mit einemWinkelschleifer bis zu 20 Minuten lang.4 Allerdings hat die Dicke des Glases Auswirkungen auf die Sichtbarkeit der ausgestellten Objekte. Wichtig ist, dass das Spezialglas entspiegelt ist und eine hohe Transmission zulässt. Das Glas ist ein Verbund von mindestens zwei Schichten, die durch eine dazwischenliegende Sicherheitsfolie zusammengehalten werden. Neben Verbundglas kommt auch Einscheiben-Sicherheitsglas (ESG) zum Einsatz. Eine im ESG integrierte Alarmschleife bietet zusätzlichen Schutz.5 Vitrinen zur Präsentation von Kulturgütern sind zu hochkomplexen Einrichtungsgegenständen geworden.6 Nach einer ersten europäischen Leitlinie wurde 2014 der Standard EN 13999-1 entwickelt und im Entwurf prEN 15999-2 auf technische Aspekte erweitert.7 Nicht verglaste Flächen von Vitrinen sind mit ihren Verschlüssen einbruchhemmend auszuführen, Profilzylinder gegen Aufsperren zu sichern sowie mit Bohr- und Ziehschutz zu versehen. Spezielle Vitrinenmelder funktionieren durch die Kombination von Infrarot-Bewegungsmeldern, die dieWärmestrahlung einer sich nähernden Person registrieren, Erschütterungsmeldern sowie Reedkontakten zur Öffnungsüberwachung Vizepräsident des BKA a.D., Ministerialdirektor beim BMI a.D. und heute als unabhängiger Berater in Sicherheitsfragen tätig. Die Erstveröffentlichung des Beitrags erfolgte im Magazin SicherheitsForum, Ausgabe Nr. 1 / März 2022 (www.sicherheitsforum.ch). Wir bedanken uns für die Abdruckgenehmigung. Reinhard Rupprecht

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