DER SICHERHEITSDIENST

WIRTSCHAFTSSCHUTZ 53 DSD 1 | 2022 Desinformation kontra Unternehmen und handelnde Personen: gefährlich, effektiv und keinesfalls selten Von Klaus Henning Glitza ist ehemaliger Redakteur der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, Träger des Deutschen Förderpreises Kriminalprävention (Stiftung Kriminalprävention, Münster) und seit 2003 als Fachjournalist für Sicherheitsfragen tätig. Klaus Henning Glitza Schon in früheren Jahrhunderten hieß es: Wenn Sie jemandem wirklich schaden wollen, greifen Sie zu Tinte und Feder. Tinte und Feder sind zwar nicht mehr up to date. Doch das Prinzip Desinformation ist nicht nur aktuell geblieben, es stellt eine weitaus massivere Gefahr für Personen und Unternehmen dar als jemals zuvor. Zu jenen, die von einer solchen Attacke kalt erwischt wurden, gehörte vor Zeiten ein großer, global aufgestellter Lebensmittelkonzern. Interessierte Kreise hatten das Gerücht gestreut, das börsennotierte Großunternehmen schicke Geldspenden nach Israel und finanziere damit dieweitereAufrüstungder dortigen Armee. Eine unwahre, durch nichts belegte Behauptung, die dennoch von vielen Menschen, namentlich in der islamischen Welt, geglaubt wurde. Die Folge: Umsatzeinbußen, sinkende Aktienkurse. Diese fatale Entwicklung hat sich allmählich abgeschwächt, aber spürbar ist sie heute noch. Auch ein deutscher Automobilkonzern wurde zum Opfer von Desinformationskampagnen. Im Zusammenhang mit dem Abgasskandal wurde verbreitet, der Diesel sei „tot“ und der Konzern stehe kurz vor der Insolvenz. Prompt brach das Neuwagengeschäft in einem selbst für Großunternehmen dramatischen Maße ein. Kunden und Partner gingenauf Distanz, Zuliefererwurdenverunsichert. Auch über Sicherheitsunternehmen war schon vereinzelt Nachteiliges zu hören. Alles „Fake News“ reinsten Wassers. Gerüchte und Desinformationen begegnen uns auf Schritt und Tritt. Ihre kleinen Schwestern sind Klatsch und Tratsch. Was auf Wochenmärkten, an Kaffeetischen, Biertresen und Stammtischen erzählt wird, wird um ein Vielfaches aufmerksamer beachtet als das, was in einer seriösen Zeitung steht. In vielen Unternehmen wird der „Flurfunk“ als weitaus interessanter empfunden als das „Schwarze Brett“ oder betriebsinterne Infos. Die Magie des Besonderen Das gilt auch im Großen. Unter der Hand verbreiteten „Informationen“ haftet immer etwas Besonderes an. Viele, die sie vernehmen, fühlen sich durch sie besser und exklusiver informiert als durch gängige Nachrichtenkanäle. Es gibt zudem diverse Menschen, die alternative Quellen bevorzugen. Diesen Effekt nutzen manche Dunkelmänner für ihre fragwürdigen Kampagnen. Der Schaden ist enorm. „Bewusst falsche Berichterstattung und Imagemanipulation sind Deliktstypen, die in den letzten zwei Jahren erhebliche Schadenssummen für deutsche Unternehmen mit sich brachten“, machte der DeloittePartner Peter J. Wirnsperger in einem Interview deutlich. Die falschen „News“ verbreiten sich in rasender Geschwindigkeit. Sind die „knallig“ genug, werden sie schnellstens von Nutzern geteilt. Eine Schneeflocke wird zur Lawine. Die Digitalisierung hebe die Lüge auf eine neue Ebene, so formulieren es sinngemäß die Journalismus-Professoren Katarina Bader und Lars Rinsdorf. Ade Sorgfaltspflicht Vor wenigen Jahrzehnten, als noch die klassischen Medien dominierend waren, hätte das so nicht funktioniert. Der Versuch, unbewiesene Verleumdungen in die Welt zu setzen, wäre an der journalistischen Sorgfaltspflicht gescheitert. Doch eine solche ist im weltweiten Netz kein flächendeckender Grundsatz. Längst gibt es auch nicht mehr die früher geltende Trennung zwischen klassischen und digitalen Medien. Auch seriöse Zeitungen/Zeitschriften und Sender greifen zuweilen auf InDie Betroffenen merken es allzu oft als Letzte, dass gegen sie Intrigen gesponnen werden, und sind dann schier entsetzt. Besser, man installiert ein Frühwarnsystem. Bild: krakenimages/unsplash.com

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