61 DSD 2 | 2025 VERGABERECHT Referenzen über „vergleichbare“ Leistungen? OLG Jena, Beschluss vom 14. Februar 2025 – Verg 10/24 Von Rechtsanwalt Alexander Nette Sachverhalt Der Auftraggeber schreibt einen Dienstleistungsauftrag bezüglich Winterdienst und Störungsbeseitigung auf Bundes- und Landstraßen in einem offenen Verfahren EU-weit aus. Zum Nachweis der Eignung werden u. a. Referenzen verlangt. Ein im Verfahren nicht berücksichtigter Bieter wendete sich gegen die Wertungsentscheidung mit einem Nachprüfungsantrag, u. a. mit dem Argument, dass der für den Zuschlag vorgesehene Bieter die Referenzanforderungen nicht erfüllt. Die Kammer stellte daraufhin fest, dass das durchgeführte Vergabeverfahren rechtswidrig und der Antragsteller in seinen Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt sei. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Auftraggebers. Entscheidungsgründe Der Vergabesenat hebt den Beschluss der VK auf und weist den Nachprüfungsantrag zurück. Der Nachprüfungsantrag sei zulässig, jedoch unbegründet. Gemäß Vergabebekanntmachung waren drei vergleichbare Leistungen im Winterdienst, ergänzt um den Hinweis: „Achtung: Referenznachweise über die Erbringung von Winterdienstleistungen auf dem klassifizierten Straßennetz Bundes-, Landes- oder Kreisstraßen“ und eine vergleichbare Leistung in der Störungsbeseitigung in dem Zeitraum von 2019 bis 2021 gefordert. Weitere Anforderungen, insbesondere bzgl. Länge und Lage der Strecken, waren dort nicht formuliert. Der ausgewählte Bieter hatte vier Referenzen für den Winterdienst erbracht, wovon sich zwei auf Stadtgebiete, einschließlich sich dort befindlicher Bundes-, Land- und Kreisstraßen, bezogen. Zweck von Referenzen im Sinne von § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV ist es, die tatsächliche Fähigkeit des Bieters zur Erbringung der ausgeschriebenen Leistung nachzuweisen. Bei dem Begriff „vergleichbare Leistungen“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der anhand des Wortlautes der Vergabeunterlagen und von Sinn und Zweck der geforderten Angaben unter Berücksichtigung des Wettbewerbs- und Gleichbehandlungsgrundsatzes auszulegen ist. Dabei bedeutet der Begriff „vergleichbar“ nicht „gleich“ oder „identisch“, sondern, dass die Leistungen im technischen oder organisatorischen Bereich einen gleich hohen oder höheren Schwierigkeitsgrad hatten. Referenzen über die Ausführung vergleichbarer Leistungen sind Teil der Prognosegrundlage für die Eignungsbewertung des Auftraggebers. Es geht dabei gerade nicht darum, einen 1:1-Vergleich bereits erbrachter Aufträge mit dem zu vergebenen Auftrag vorzunehmen, sondern eine Prognose dahingehend zu treffen, dass anhand der „vergleichbaren“ Referenzen die fachliche und technische Leistungsfähigkeit des jeweiligen Bieters auch im Hinblick auf den zu vergebenden Auftrag gegeben ist. Diese Auslegung ist auch nach dem Sinn des Vergabeverfahrens und des durchzuführenden Wettbewerbs gerechtfertigt, da andernfalls alle Bewerber, die die (jeweils konkret) ausgeschriebene Leistung bisher nicht oder nicht so erbracht haben, von vorneherein ausgeschlossen wären. Erforderlich, aber auch ausreichend, ist daher die Vorlage solcher Referenzleistungen, die der ausgeschriebenen Leistung insoweit ähneln, als sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Fachkunde und Leistungsfähigkeit ermöglichen. Anzulegen ist damit ein Ähnlichkeitsmaßstab. Unter Beachtung dieses Maßstabes hat der Vergabesenat die Bewertung der eingereichten Referenzen nicht beanstandet. Er hat darauf abgestellt, dass in allen Fällen Winterdienstleistungen Gegenstand der Referenzen waren. Auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob Winterdienstleistungen innerorts oder außerorts schwieriger zu erbringen seien, kam es indes nicht an. Entsprechende Anforderungen hatte der Auftraggeber zuvor gerade nicht definiert. Der Vergabesenat führt weiter aus, dass das Ziel des Nachweises der tatsächlichen Befähigung zur Erfüllung des ausgeschriebenen Auftrags nicht voraussetzt, dass sich die betrefNETTE Rechtsanwälte, Recklinghausen ist Fachanwalt für Vergaberecht, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie Lehrbeauftragter für Vergaberecht und Vertragsmanagement an der Westfälischen Hochschule. Er ist spezialisiert auf die Beratung von Bietern und öffentlichen Auftraggebern in Vergabe- und Nachprüfungsverfahren. RA Alexander Nette, LL. M.
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