42 DSD 2 | 2025 che, Bilder, einzelne Worte, all das wird im Gehirn „roh“ abgelegt, ohne Kontext oder Zeitstempel. Was unter normalen Umständen später in unserem autobiografischen Gedächtnis, gewissermaßen unserer inneren Bibliothek, einsortiert und mit Datum, Ort und Bedeutung versehen wird, bleibt nach einem traumatischen Ereignis unbearbeitet liegen. Der Zugang zu dieser„Bibliothek“ ist blockiert. Die Folge: Wenn Betroffene später einem Reiz begegnen, der irgendwie an das damalige Ereignis erinnert, etwa ein bestimmter Ort, ein Geräusch, eine Stimme, ein Geruch, kann die Amygdala sofort wieder Alarm schlagen. Der Körper reagiert, als sei die Bedrohung erneut real. Diese sogenannte„Trigger-Reaktion“ fühlt sich nicht wie eine Erinnerung an, sondern wie ein Wiedererleben: Das Herz rast, der Körper schwitzt, die Muskeln spannen sich, obwohl objektiv keine Gefahr besteht. Solche ungewollten, intensiven Reaktionen können Betroffene stark verunsichern. Viele beschreiben das Gefühl, „ausgeliefert“ zu sein oder die Kontrolle zu verlieren. Manche erleben sogenannte Flashbacks, bei denen sie sich mitten im alten Geschehen wiederfinden, mit allen Sinneseindrücken von damals. Wenn dieses neurobiologische Notfallprogramm nicht zur Ruhe kommt und das Erlebte dauerhaft ungeordnet im System „herumliegt“, spricht man, bei entsprechender Dauer und Intensität, von einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Wichtig ist: Diese Reaktionen sind keine Zeichen von Schwäche. Es sind Schutzmechanismen, die unser Gehirn und unseren Körper aktivieren, um mit einer extremen Situation umzugehen. Sie machen uns nicht krank, sie zeigen, dass unser System versucht hat, uns zu schützen. Und was passiert nach dem Ereignis? Nicht jedes belastende Erlebnis führt automatisch zu einer lang anhaltenden Störung. Viele Menschen verarbeiten solche Situationen von selbst, manchmal mit innerer Unruhe, Schlafproblemen oder Gereiztheit, die nach einigen Tagen wieder abklingen. Aber: Bei manchen bleibt etwas„haften“. Die Symptome verstärken sich oder tauchen plötzlich Wochen später wieder auf. Deshalb ist es wichtig zu verstehen, wie sich psychische Belastungen entwickeln können und woran wir erkennen, wann Unterstützung notwendig wird. Es gibt drei zentrale Stufen, die wir unterscheiden sollten: Die Stufen der Belastung (nach ICD 10 und DSM-5) 1. Akute Belastungsreaktion (innerhalb von 48 Stunden): Unmittelbar nach dem Ereignis kann es zu typischen Stresssymptomen wie Muskelanspannung, Schmerzen, Unruhe, Reizbarkeit oder Übererregung kommen. Diese Reaktionen sind erst einmal ganz normal und sollten sich innerhalb der ersten 48 Stunden wieder beruhigen. 2. Akute Belastungsstörung (ab 3 Tage bis etwa 1 Monat): Wenn die Symptome länger andauern, spricht man von einer akuten Belastungsstörung. Die Verarbeitung kommt ins Stocken. Betroffene erleben Schlafstörungen, Wiedererleben des Ereignisses oder emotionale Taubheit. Auch hier besteht eine gute Chance auf vollständige Erholung, mit der richtigen Unterstützung. 3. Posttraumatische Belastungsstörung (≥ 1 Monat): Wenn die Symptome länger als einen Monat anhalten oder sich erst mit zeitlicher Verzögerung entwickeln, spricht man von einer Posttraumatischen Belastungsstörung (kurz PTBS). Das Gehirn hat das belastende Ereignis nicht vollständig verarbeitet, die Erinnerung liegt ungeordnet und unbearbeitet „obenauf“, statt wie andere Erlebnisse sauber im Gedächtnis archiviert zu sein. Schon kleine, scheinbar harmlose Reize können die alte Alarmreaktion auslösen: Das Herz rast, der Körper steht unter Spannung, als würde die Bedrohung gerade jetzt passieren. Diese sogenannten Flashbacks fühlen sich nicht wie Erinnerungen an, sie sind ein Wiedererleben. Viele Betroffene leiden zusätzlich unter Schlafstörungen, Reizbarkeit, Konzentrationsproblemen oder sozialem Rückzug. Wichtig ist: PTBS ist keine Charakterschwäche und auch kein Zeichen persönlicher Unfähigkeit. Es handelt sich um eine normale Reaktion des Gehirns auf eine extreme, unnormale Belastung, GESUNDHEITSSCHUTZ
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