29 DSD 2 | 2025 WIRTSCHAFT UND POLITIK Sicherheitsstrategie der Bundesregierung Von Reinhard Rupprecht Im Juni 2023 hat die Bundesregierung der Ampelkoalition eine Nationale Sicherheitsstrategie veröffentlicht, eine „Dachstrategie“, die auf einem viele Lebensbedürfnisse und Politikbereiche umspannenden Sicherheitsbegriff basierte und, weil sie viele Fragen offen gelassen hat, auf herbe Kritik gestoßen ist. Der seinerzeitige Oppositionsführer Friedrich Merz bewertete sie als„inhaltlich blutleer, strategisch irrelevant, operativ folgenlos“ (nähere Analyse Reinhard Rupprecht, https://crisis-prevention.de/ sicherheit/nationale-sicherheitsstrategie-nss.html). Die Sicherheitsstrategie der neuen Bundesregierung lässt sich aus dem am 10. April 2025 veröffentlichten Koalitionsvertrag von CSU/CDU/SPD ablesen. Maßgeblich sind die Abschnitte „Innen“ und„Recht“ im Kapitel„Sicheres Zusammenleben, Migration – Integration“ (Seite 82 ff.) Grundsätze Angekündigt wird eine „Zeitenwende in der Inneren Sicherheit“ mit „gestärkten Sicherheits-, Zivil- und Katastrophenschutzbehörden, zeitgemäßen digitalen Befugnissen, neuen Fähigkeiten und ausreichend Personal“ für eine Sicherheitsoffensive, die die europa- und verfassungsrechtlichen Spielräume ausschöpft, um ein „Höchstmaß an Sicherheit“ zu gewährleisten. Dafür muss „das Spannungsverhältnis zwischen sicherheitspolitischen Erfordernissen und datenschutzrechtlichen Vorgaben“ „neu austariert werden“ (Seite 82). Deutschland und seine Bevölkerung sollen „gegen jede Form hybrider und konventioneller Bedrohung resilienter“ gemacht werden, durch Stärkung der „Fähigkeiten im Bereich der Cybersicherheit, des Zivil- und Katastrophenschutzes sowie der zivilen Verteidigung“. Zugesagt wird auch die Fortentwicklung einer Nationalen Cybersicherheitsstrategie „mit dem Ziel einer klaren Rollen- und Aufgabenverteilung“ (Seite 83). Stärkung der Sicherheitsbehörden Die Sicherheitsbehörden sollen personell, in ihren Fähigkeiten und Befugnissen, gestärkt werden. Das gilt für die Bundespolizei, das BKA, das BfV, den Zivil- und Katastrophenschutz und das BSI, das zu einer„Zentralstelle für Fragen der Informations- und Cybersicherheit“ ausgebaut werden soll, sowie das Nationale Cyber-Abwehrzentrum mit der Befugnis zur aktiven Cyberabwehr. Bei den Nachrichtendiensten wird eine stärkere gemeinsame Ausrichtung auf den Cyber- und Informationsraum angestrebt, auch durch Schaffung einer neuen spezialisierten technischen Zentralstelle unter Einbeziehung von ZITIS (Zentralstelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich). Das BBK soll als zentrale Stelle und das THW als operative Einsatzorganisation gestärkt werden. Mit einem „Pakt für den Bevölkerungsschutz“ will die neue Bundesregierung nachhaltige Investitionen in Fähigkeiten und Ausstattung tätigen und das Bewusstsein für Selbstschutz durch zeitgemäße Behördenkommunikation erhöhen (Seite 83/84). Die Kompetenzen der Sicherheitsbehörden sollen in vielfältiger Weise erweitert werden, unter anderem durch • eine dreimonatige Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen und Portnummern • die Quellen-TKÜ für die Bundespolizei zur Bekämpfung schwerer Straftaten (ohne Zugriff auf retrograd gespeicherte Daten) • die grundsätzliche Möglichkeit einer automatisierten Datenrecherche und -analyse sowie den nachträglichen biometrischen Abgleich mit öffentlich zugänglichen Internetdaten, auch mit künstlicher Intelligenz • automatisierte Kennzeichenlesesysteme im Aufzeichnungsmodus • wirksame Drohnendetektion und -abwehr • Ausweitung der Telefonüberwachungsbefugnisse gemäß §§ 100a, b StPO • „zeitgemäße“ digitale Befugnisse, insbesondere zu automatisierter KI-basierter Datenanalyse • retrograde biometrische Fernidentifizierung von Tatverdächtigen bei schweren Straftaten (Seite 83 ff.) Vizepräsident des BKA a.D., Ministerialdirektor beim BMI a.D. und heute als unabhängiger Berater in Sicherheitsfragen tätig. Reinhard Rupprecht
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