19 DSD 2 | 2025 LUFTSICHERHEIT Luftfracht – Compliance versus Security Zwischen Regelwahn und echter Sicherheit in einer zunehmend digitalen Welt Von Marc Jobelius Die sichere Lieferkette in der Luftfracht In der Luftfahrt hat Sicherheit oberste Priorität. Zweifelsfrei. Für den Bereich der Luftfracht ist das Sicherheitskonzept der„sicheren Lieferkette“ grundlegend, um „Kontrollen“, also bspw. Röntgen oder ETD nach VO (EU) Nr. 300/2008 (technische Suche nach verbotenen Gegenständen), zu vermeiden. Die sichere Lieferkette basiert auf der Durchführung behördlich zugelassener Akteure, vom bekannten Versender (BV) über den zugelassenen Transporteur, den Reglementierten Beauftragten (RegB; Luftfrachtspediteure und Handlingsagenten am Flughafen) bis hin zur Luftfahrtgesellschaft. Jede sogenannte Stelle muss umfangreiche gesetzliche Anforderungen erfüllen, um Manipulationen an der Fracht zu verhindern. Diese Maßnahmen werden als sogenannte „Sicherheitskontrollen“ nach VO (EU) Nr. 300/2008 definiert. Also sprechen wir von der Anwendung von Sicherheitskontrollen zur Vermeidung von zeitintensiven und kostentreibenden Kontrollen, vorgegeben in der DVO (EU) 2015/1988, Anhang Ziffer 6.1.1. Dabei sollte das erklärte Ziel sein, eine Balance zwischen praktikabler Umsetzung und maximaler Sicherheit zu schaffen. Und das ist auch gut so. Doch genau an dieser Stelle beginnt das Spannungsfeld zwischen Compliance und echter Security. Compliance versus Security: wenn Vorschriften zur Hypothek werden Was als Sicherheitsmaßnahme beginnt, kann durch übermäßige Reglementierung zur Belastung werden. In der Praxis bedeutet Compliance heute für Unternehmen der sicheren Lieferkette einen hohen Aufwand: Zahlreiche Vorschriften, detaillierte Dokumentationspflichten, umfangreiche Schulungen und technische Maßnahmen sind verpflichtend umzusetzen. Diese Anforderungen erfordern massive Investitionen in Personal, Infrastruktur und Organisation. Doch die Frage stellt sich: Wird durch sture Regelkonformität wirklich ein Sicherheitsgewinn erzielt? In einigen Fällen ist die Antwort leider: Nein. Beispiel 1: ZÜP (Zuverlässigkeitsüberprüfung) des Personals nach § 7 LuftSiG. In Baden-Württemberg befindet sich auf dem Antragsformular ein Kreuz zur Angabe, ob die antragstellende Person bereits im Unternehmen beschäftigt ist. Beim Autor sind das über 20 Jahre und es wurden bereits mehrere Wiederholungsanträge im vergangenen Jahrzehnt eingereicht. Und nun sendet die Luftsicherheitsbehörde den Antrag mit Ablehnung zurück, weil plötzlich ein von der Personalabteilung unterschriebenes Dokument hinzuzufügen ist, das das Beschäftigungsverhältnis bestätigt. Man beachte, dass der Antrag vom Zeichnungsberechtigten eigenhändig unterschrieben wurde. Und das ist alles postalisch erfolgt, also Download, ausdrucken, eintragen, für den eigenen Nachweis scannen, per Post an die Behörde schicken, bei der Behörde wieder für die elektronische Akte scannen? Der tatsächliche Zugewinn an Sicherheit steht dabei in keinem Verhältnis zum Aufwand und bringt letzten Endes gar keinen Sicherheitszugewinn. Beispiel 2: Absurde Verpackungsprüfungen. Im vierten Quartal 2024 hat das Luftfahrt-Bundesamt (LBA) an vielen Flughäfen Verpackungen von Sendungen auf deren Manipulationsfreiheit hin in einer großangelegten, flächendeckenden Aktion geprüft. Die LBA-Auditoren standen dabei beim RegB an den Flughäfen. Hier wurden bestimmt Sendungen zu Recht bemängelt. Problematisch ist jedoch, dass in vielen uns bekannten Fällen die Sendungen absolut korrekt verpackt waren und das nachweislich genau so, wie das LBA mittels Bescheid dem BV genehmigt hat. Das ist schon der erste Fehler. Gravierender ist, dass die LBA-Auditoren dann dem Mitarbeiter des RegB aufgetragen haben, die Sendung abzulehnen und das dem BV mitzuteilen. Der RegB hat diese Entscheidung eigenverantwortlich zu treffen, und sofern die Behörde einen Mangel erkennt, ist dies dem Verursacher, in diesem Fall dem BV, mittels Bescheid aufzuerlegen und nicht den RegB für die stille Post zu missbrauchen. Dieses Problem haben mehrere unserer Beratungsmandanten dem LBA um den Jahreswechsel mitgeteilt, bislang ohne jegliche Antwort des LBA. Und welchen Mehrwert generieren wir jetzt aus diesem hoch personalintensiven Einsatz? Die Zeit dieses administrativen Aktes hätte der BV besser für die Weiterentwicklung der Verpackungen genutzt. Geschäftsführender Gesellschafter der Bouché Air & Sea GmbH, Vorstand in der FASAG, LBA-zugelassener Ausbilder für Sicherheitspersonal sowie Mitglied verschiedener Ausschüsse und Gremien Marc Jobelius
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