DER SICHERHEITSDIENST

11 DSD 2 | 2025 Bedrohungen für die Sicherheit des Luftverkehrs Von Holger F. Alisch LUFTSICHERHEIT Der 11. September 2001 war eine sicherheitspolitische Zäsur von erheblicher Tragweite. Aus der Sicht eines Terroristen ist„9/11“ aber nach wie vor der„Goldstandard“ für einen erfolgreichen Anschlag; noch folgenreicher als das Selbstmordattentat von Beirut vom Oktober 19831 oder der Angriff auf das Musik- und Konzertzentrum Bataclan in Paris im Jahr 2015. Nicht nur die große Zahl von Opfern in New York und Washington, sondern auch die symbolische Zielauswahl und die Strategien der multimedialen „Vermarktung“ machten aus dem bis dahin nur Eingeweihten bekannten Terrorfürsten Osama bin Laden und seiner Basisorganisation („Al-Qaida“) einen weltweit von Dschihadisten gefeierten Mann und eine gefürchtete Terrorgruppe. 1 Vgl. https://www.defense.gov/News/News-Stories/Article/article/3566652/us-remembers-service-members-killed-in-beirutbombings-40-years-ago/ (Aufruf vom 24.04.2025). 2 Was nicht bedeutet, dass der „Märtyrergedanke“ der jüdisch-christlichen Gedankenwelt vollkommen unbekannt wäre. Vgl. Frank D. Stolt, Selbstmordattentäter – Lebende Bomben. Erkennung und Prävention unter Einbeziehung der Rationalität der Akteure, SIAK Journal – Zeitschrift für Polizeiwissenschaft, Nr. 3/2013, S. 82. 3 Vgl. The New York Times, Why Airline Hijackings became relatively rare: https://www. nytimes.com/2016/03/30/world/middle east/airline-hijacking-history.html (Aufruf vom 24.04.2025). Neben dem Anknüpfen an 9/11 bieten sowohl Passagierflugzeuge als auch Flughäfen zahlreiche Gründe, um als Angriffsziele in Betracht zu kommen. Schon die gewollt gute Verkehrsanbindung von Flugplätzen und die erhebliche Zahl von Pendlern, Touristen und Angestellten sind ein starker Ansporn für Terrorgruppen, der durch die Option der Demütigung von Sicherheitskräften, die das Anschlagsziel im Erfolgsfall nicht schützen konnten, noch gesteigert wird. Die Anschläge auf den Flughafen Moskau aus dem Jahr 2011 sowie die Angriffe auf die Flughäfen von Brüssel und Istanbul aus 2016 haben besonders die Gemeinsamkeit, dass Selbstmordattentäter zum Einsatz kamen, deren Wesen der westlichen Perspektive, die das Leben des Einzelnen als schützenswert, ja als Mittelpunkt des ganzen politischen Denkens betrachtet, diametral entgegengesetzt ist.2 Rein zahlenmäßig liegt die Hochzeit von Attacken besonders auf den fliegenden Luftverkehr schon länger zurück. Die 70er- bis 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts waren, bei bedeutend niedrigeren Sicherheitsvorkehrungen, von häufigen Entführungen geprägt.3 Die Bedrohungslage durch den transnationalen Terrorismus ist jedoch weiter hoch. Aus den Gefährdereinschätzungen und vor der Generalbundesanwaltschaft laufenden Ermittlungsverfahren geht vor allem die Dominanz des islamistischen Spektrums im Hinblick auf die mögliche Begehung von Gewalttaten hervor. Auch rechts- und linksextreme Vereinigungen haben sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten als herausfordernd erwiesen. Mit großem Abstand ist aber der islamistische Terrorismus unter den politisch motivierten Bewegungen derjenige, von dem die größte Gefahr für Terrorakte im Allgemeinen und Angriffe auf den Luftverkehr im Besonderen ausgeht. Alle extremistischen Spektren sind in den letzten zehn Jahren angewachsen, was ein untrügliches Zeichen für die zunehmende Polarisierung unserer Gesellschaft darstellt. In allen Bereichen ist eine zunehmende Gewaltbereitschaft bis hin zur zumindest billigenden Inkaufnahme von Todesfällen zu beobachten. Für den festgestellten Rückgang an Angriffen auf den Luftverkehr gibt es einige Gründe: nicht nur Sicherheitsvorkehrungen an den Flughäfen in der ganzen Welt oder technische Veränderungen. Besonders die bekannten Terrornetzwerke, Al-Qaida und der sog.„Islamische Staat“ sind durch die westlichen Verbündeten massiv unter Druck geraten. Ihre dezentralisierte Funktionsweise, Organisation in einzelne unabhängige Zellen und die Vorteile aus dem Zurückweichen in den Untergrund machen aber diesen „Global War on Terror“ zu einem zweischneidigen Schwert. So hat die Zerschlagung des „Kalifates“ im Irak und Syrien auch Sympathisanten des Islamismus in alle Welt verstreut und mit der Erbitterung beabsichtigter Revanche erfüllt. Die Sicherheitsbehörden sind hier auf gleich zwei Arten herausgefordert: Zum einen besteht die Problematik, dass bei Personen die selbst keinerlei aktive Kontakte zur radikalen Szene pflegen, auch nichts im Vorfeld ausermittelt werden kann. BevorDozent für Sicherheitspolitik an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Fachbereich Bundespolizei Holger F. Alisch

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