DER SICHERHEITSDIENST

DSDDER SICHERHEITSDIENST 4 | 2024 Fachmagazin für die Sicherheitswirtschaft 76. Jahrgang Postvertriebsstück – DPAG – Entgelt bezahlt | DSA GmbH · Postfach 1201 · 61282 Bad Homburg Bild: # 1862883177 / istockphoto.com Bild: # 695655884 / istockphoto.com GELD UND WERT

BARGELD Barzahlung ist Freiheit und Selbstbestimmung ohne Datenspeicherung Warum? Sie helfen, unnötige Bankgebühren zu vermeiden Sie unterstützen durch einen nachhaltigen Einsatz von Bargeld den Erhalt des Bargeldes Sie unterstützen den lokalen Einzelhandel Barzahlung funktioniert immer, insbesondere aber wenn... das Internet ausfällt es einen Stromausfall gibt das Kartenlesegerät nicht / nicht richtig funktioniert der Handy-Akku leer ist Nur Bares ist wahres, weil... es das einzige gesetzliche Zahlungsmittel ist es Kulturgut ist es unsere individuelle Freiheit gewährleistet digitales Geld abhängig und kontrollierbar macht wir es ersatzlos verlieren, wenn es nicht aktiv genutzt wird Herausgeber: BDGW Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste / Bild: # 827611638 / istockphoto.com UNVERZICHTBAR FÜR UNS ALLE!

1 DSD 4 | 2024 EDITORIAL Vorstandsvorsitzender der BDGW Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste Michael Mewes Bargeldlose Gesellschaft = hilflose Gesellschaft Sehr geehrte Leserinnen, sehr geehrter Leser, unter dieser Überschrift haben wir im öffentlichen Teil unserer Jahresmitgliederversammlung über den Stand der Bargeldnutzung und die Sicherung des Bargeldkreislaufes diskutiert. Die Nutzung von Bargeld hat in den vergangenen Jahren in Deutschland einen signifikanten Rückgang erlebt. Insbesondere durch die Coronapandemie hat diese Entwicklung an Fahrt aufgenommen. Während 2017 noch etwa 74 Prozent aller Zahlungsvorgänge mit Bargeld abgewickelt wurden, fiel dieser Wert laut der Deutschen Bundesbank bis 2023 auf fast 50 Prozent und bezogen auf den Umsatz gar auf einen Wert von 26 Prozent (siehe dazu den Beitrag auf Seite 3 in diesem Heft). Mit der rückläufigen Bargeldnutzung einher geht der Rückbau der Bargeldinfrastruktur. Bankfilialen werden geschlossen, Geldausgabeautomaten abgebaut, die Bargeldannahme wird immer häufiger abgelehnt und auch unsere Mitgliedsunternehmen passen ihre Kapazitäten der gesunkenen Nachfrage an. Für einen robusten und nachhaltig funktionierenden Bargeldkreislauf sind drei Bedingungen essenziell: der ausreichende Zugang der Bevölkerung zu Bargeld, die Akzeptanz von Bargeld und die Verfügbarkeit von Wechselgeld. Wobei sich Akzeptanz sowohl auf den Zahlungsvorgang an der Kasse als auch die Möglichkeiten für Händler bezieht, eingenommenes Bargeld in Buchgeld zu wandeln. Um diese Bedingungen nicht nur für das Alltagsgeschäft, sondern auch und ganz besonders für den Not- und Krisenfall aufrechtzuerhalten, sind klare Vorgaben und Leitplanken durch Politik und Bundesbank notwendig. In Krisensituationen, wie etwa bei Naturkatastrophen, Cyberattacken oder weitreichenden Stromausfällen, zeigt sich die Verwundbarkeit digitaler Zahlungsmittel. Wenn etwa durch einen Stromausfall die elektronische Zahlungsinfrastruktur zusammenbricht, wird Bargeld zum wichtigsten Zahlungsmittel, um die Grundversorgung aufrechtzuerhalten. Insbesondere für den Kauf von Lebensmitteln, Medikamenten oder Treibstoff ist Bargeld dann unerlässlich. Die Deutsche Bundesbank ist sich der Lage voll bewusst und hat daher ein Nationales Bargeldforum ins Leben gerufen, in dem alle Bargeldakteure gemeinsam nach Zukunftslösungen suchen. Weitere Informationen zum Nationalen Bargeldforum finden Sie im Beitrag von Herrn Burkhard Balz auf Seite 5. Hingegen ist bei den zuständigen Ministerien zwar kein Erkenntnisdefizit, wohl aber ein deutliches Handlungsdefizit zu beklagen. Insbesondere ist im neuen KRITIS-Dachgesetz die Chance vertan worden, durch Zuweisung von Sonderrechten an KRITIS-Akteure wie die Geld- und Wertdienstleister einen Beitrag zur Sicherstellung des Bargeldkreislaufes auch in Not- und Krisenzeiten zu leisten. Begrüßenswert sind die Bemühungen auf EUEbene, im Rahmen der Gesetzgebung „Legal Tender“ eine Annahmeverpflichtung für Bargeld einheitlich im ganzen Gebiet der Europäischen Union zu schaffen (siehe dazu den Beitrag von Herrn Andreas Goralczyk auf Seite 16 in diesem Heft). Die BDGW wird sich weiterhin auf allen Ebenen in die Diskussion einbringen und darum kämpfen, dass unser Bargeld und die Bargeldinfrastruktur erhalten bleiben. Unsere Betriebe und die Beschäftigten unserer Geld- und Wertdiensteindustrie sollen auch weiterhin eine sichere und langfristige Perspektive haben. An dieser Stelle danke ich alle Mitarbeitenden unserer Mitgliedsunternehmen für ihr großartiges Engagement. Ihr Einsatz trägt wesentlich dazu bei, dass Wertdienstleistungen sicher und effizient erbracht werden. Ich wünsche Ihnen eine schöne Weihnachtszeit und einen guten Start in das Jahr 2025. Bleiben Sie gesund! Ihr Michael Mewes

2 DSD 4 | 2024 Editorial 1 • Michael Mewes: Bargeldlose Gesellschaft = hilflose Gesellschaft 1 Geld und Wert 3 • Zahlungsverhalten in Deutschland 2023 3 • Burkhard Balz: Eine starke Stimme für das Bargeld: das Nationale Bargeldforum 5 • Michael Mewes: Die Zukunft des Bargelds 7 • Hasan Celebi: Bargeld im Wandel: Warum Kunden- orientierung jetzt über Erfolg und Misserfolg entscheidet 8 • Ingo Hartmann: 2024 – weitere Herausforderungen für die Geld- und Wertdienstleister aus Sicht des Vorstandes 9 • Dr. Markus Lehnert: Hat Bargeld Zukunft? 10 • Uwe Wendorf: Glosse: Streiken für die eigene Abschaffung 12 • Bargeldlose Gesellschaft = hilflose Gesellschaft – Resilienz der Gesellschaft in Zeiten des digitalen Wandels 14 • Andreas Goralczyk: Bargeld zwischen Bestandsschutz und Verdrängung 16 • Wolfgang Kneilmann: Trays für mehr Effizienz in der Bargeldlogistik 20 • Bundeslagebild Angriffe auf Geldautomaten 2023 22 • Prof. Dr. Raphael Röttinger: Steigende Bedrohung durch Überfälle und Automatensprengungen 23 Who is Who der Geld- und Wertdienstleister 26 Wirtschaft und Politik 31 • BDSW-Stellungnahme zum geplanten Tariftreuegesetz 31 • Reinhard Rupprecht: Sicherheitslage 2024 32 • Prof. Dr. Stefan Goertz: Die Öffentliche Sicherheit Deutschland in Gefahr? 36 • Neue Lünendonk-Studie: Nachfrage nach qualitäts- orientierten Sicherheitsdienstleistungen steigt 38 Luftsicherheit 39 • Frank Haindl: Die Tarifrunde 2025 wirft ihre Schatten voraus 39 Aus- und Weiterbildung 40 • Im Gespräch mit Bernd Jürgens und Gunnar Dachrodt: Investitionen in die Bildung sind Investitionen in die Zukunft 40 Inhalt • Im Gespräch mit Susanne Lange: Personalentwicklung am Beispiel Digital Expert Zollverein 43 • Neues Projekt zur Integration und Qualifizierung im Bewachungsgewerbe startet 2025 45 IT- und Cybersicherheit 46 • G DATA Index zeigt: Deutsche unterschätzen Cyberrisiko trotz rasant wachsender Angriffszahlen 46 Wirtschaftsschutz 48 • Holger Köster: Die Lieferkette sicherer machen! 48 • Peter Niggl:„… Lieferketten ins Fadenkreuz!“ 49 • RA Dr. Berthold Stoppelkamp: Analysen und Hilfestellungen zum Wirtschaftsschutz 51 Bericht aus Berlin 52 • RA Dr. Berthold Stoppelkamp: Deutschland – resilient und kriegstüchtig? 52 Recht 56 • RAin Cornelia Okpara: Arbeitsrecht in Kürze 56 • RA Cornelius Matutis: Datenschutzbeauftragte – wer muss und wer nicht? 58 Vergaberecht 60 • RA Alexander Nette: Ausschluss vom Vergabeverfahren wegen mangelhafter Leistung bei früheren Aufträgen? 60 Europa 62 • Alexander Frank: Künstliche Intelligenz (KI) und ihre Auswirkungen auf die Sicherheitswirtschaft 62 Büchermarkt 64 INTERN 65 Impressum 66 Sicherheit von A bis Z 67 Das Letzte Wort 72 • RAin Cornelia Okpara: Deutschland kann das 72 Anmerkung der Redaktion: Zur leichteren Lesbarkeit wurde auf zusätzliche Bezeichnungen in weiblicher Form verzichtet und nur die männliche Form verwendet. Angesprochen sind natürlich alle Geschlechter. 32 14

3 DSD 4 | 2024 GELD UND WERT Zahlungsverhalten in Deutschland 2023 Bargeld bleibt an der Ladenkasse meistgenutztes Zahlungsmittel; Karte und mobiles Bezahlen gewinnen hinzu. Die Menschen in Deutschland haben im Jahr 2023 die Hälfte aller Transaktionen mit Banknoten und Münzen gezahlt. Gleichzeitig ist die Verbreitung von bargeldlosen Bezahlverfahren immer weiter gestiegen. Das geht aus der aktuellen Studie der Deutschen Bundesbank zum Zahlungsverhalten in Deutschland im Jahr 2023 hervor. Der Trend zur abnehmenden Bargeldnutzung hat sich fortgesetzt. Gegenüber der Erhebung aus dem Jahr 2021 sank der Anteil der Barzahlungen von 58 Prozent auf 51 Prozent. Dieser Rückgang ist zwar nicht mehr so ausgeprägt wie während der Coronapandemie. Dennoch sinkt der Barzahlungsanteil schneller als in den Jahren davor, sagte Bundesbankvorstand Burkhard Balz. Die Debitkarte wurde laut aktueller Studie bei 27 Prozent der Bezahlvorgänge genutzt. Sie war das am zweithäufigsten genutzte Zahlungsmittel und ihre Nutzung verzeichnet eine deutliche Steigerung von 5 Prozentpunkten gegenüber 2021. Stark gewachsen ist zudem das mobile Bezahlen, wenn auch von einem niedrigen Niveau ausgehend. Der Anteil des mobilen Bezahlens an den Transaktionen hat sich auf 6 Prozent verdreifacht. Wir stellen fest, dass die Bürgerinnen und Bürger nur zum Teil zu ihren früheren Zahlungsgewohnheiten zurückgekehrt sind, führte Balz weiter aus. Gemessen am Umsatz lag die Debitkarte mit einem Anteil von 32 Prozent der Gesamtausgaben klar auf dem ersten Platz; Bargeld folgte mit 26 Prozent an zweiter Stelle vor Überweisungen und Internetbezahlverfahren wie PayPal, Klarna oder giropay. Verbraucherinnen und Verbraucher beglichen vor allem größere Beträge am liebsten mit der Debitkarte. Aber auch kleinere Beträge wurden nun häufiger mit unbaren Zahlungsmitteln bezahlt, erklärte Balz. Bargeldlose Zahlungsmittel werden beliebter Der steigende Anteil bargeldloser Zahlungsmittel an Transaktionen und Umsatz spiegelte sich in der Verschiebung der persönlichen Vorlieben zugunsten unbarer Zahlungsmittel. Bei freier Wahl des Zahlungsmittels würden 44 Prozent der Befragten am liebsten unbar zahlen. Das waren 3 Prozentpunkte mehr als zwei Jahre zuvor. Nur 28 Prozent der Befragten nannten Bargeld als bevorzugte Zahlungsmethode – ähnlich viele wie im Jahr 2021. Weitere 28 Prozent hatten keine Präferenz. Im Vergleich zu 2021 sahen mehr Befragte den Schutz der Privatsphäre als Vorteil von Bargeld. Karten und andere bargeldlose Zahlungsmittel punkteten hingegen mit der Einfachheit und Schnelligkeit des Bezahlens. Dazu dürfte auch beigetragen haben, dass die Akzeptanz bargeldloser Zahlungsmittel im Vergleich zum Jahr 2021 weiter gestiegen ist. Bei 80 Prozent aller Zahlungen vor Ort wäre eine Bezahlung per Karte oder mit dem Smartphone möglich gewesen. Das entsprach 20 Prozentpunkten mehr als im Jahr 2021. Allerdings zeigt die Studie auch, dass die Akzeptanz unbarer Zahlungsmittel ausbaufähig ist. Fast ein Fünftel der Befragten gab an, dass eine Zahlung mit einer Karte oder einem mobilen Zahlverfahren in einem Geschäft nicht möglich gewesen sei, sagte Balz. Zugang zu Bargeld schwieriger Die Akzeptanz von Bargeld ist gegenüber 2021 leicht gesunken, aber weiterhin auf sehr hohem Niveau: Der Anteil der Transaktionen an der Ladenkasse, bei denen eine Barzahlung laut Befragten möglich gewesen wäre, lag bei 94 Prozent. Im Jahr Auf der Internsetseite der Deutschen Bundesbank finden Sie die Studie„Zahlungsverhalten in Deutschland 2023“.

4 DSD 4 | 2024 2021 waren es noch knapp 97 Prozent. Vor allem im Einzelhandel für den täglichen Bedarf ist Barzahlung weiterhin fast flächendeckend möglich (98 Prozent). Im Einzelhandel für längerfristige Anschaffungen, in der Gastronomie und an den Tankstellen hingegen ist die Akzeptanz mittlerweile nicht mehr vollumfänglich gegeben. Die Menschen empfinden auch den Zugang zu Bargeld als zunehmend schwieriger. Der Anteil der Befragten, die es als ziemlich schwierig oder sehr schwierig erachteten, zu einem Geldautomaten oder Bankschalter zu gelangen, stieg gegenüber 2021 von 6 Prozent auf 15 Prozent. Dies war sowohl in der Stadt als auch auf dem Land feststellbar. Mehrheit der Befragten möchte Bargeld auch in Zukunft nutzen Der Studie zufolge wünscht sich eine Mehrheit der Befragten, Bargeld auch zukünftig nutzen zu können. Gleichzeitig gehen viele Menschen davon aus, dass die Bargeldnutzung langfristig stark sinken wird. Rund zwei Drittel der Befragten möchten Bargeld in 15 Jahren wie bisher nutzen. Fast die Hälfte der Befragten erwarteten aber, dass Bargeld dann aus dem Alltag nahezu verschwunden sein wird. Sieben Prozent gingen davon aus, dass Bargeld in 15 Jahren abgeschafft sein wird. Die Bundesbank und die anderen Zentralbanken des Eurosystems arbeiten intensiv daran, Bargeld auch in Zukunft als kostengünstiges und effizientes Zahlungsmittel verfügbar zu halten, versicherte Balz. Bargeld ist und bleibt unser physisches Kernprodukt. Hintergrund der Erhebung Die Bundesbank führt seit dem Jahr 2008 regelmäßig detaillierte Studien zur Verwendung von Zahlungsmitteln durch. Für die aktuelle Studie befragte das Marktforschungsinstitut Forsa im Auftrag der Bundesbank von Anfang September bis Ende November 2023 rund 5.700 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger ab 18 Jahren per Telefon. Die Befragten führten zudem ein dreitägiges Tagebuch, in dem sie ihr Zahlungsverhalten dokumentierten. Darin enthalten sind aktiv veranlasste einmalige Zahlungen wie die Barzahlung beim Einkauf im Supermarkt oder die Kreditkartenzahlung in einem Restaurant. Wiederkehrende Zahlungen wie Mieten, Versicherungsbeiträge oder Strom- und Gasrechnungen sind nicht enthalten, weil diese meist dauerhaft per Lastschrift beglichen werden. Insgesamt wurden rund 5.700 Fragebögen und mehr als 4.000 Zahlungstagebücher ausgewertet. In den Zahlungstagebüchern wurden mehr als 15.000 Transaktionen mit einem Umsatz von mehr als 660.000 Euro aufgezeichnet. GELD UND WERT

5 DSD 4 | 2024 Eine starke Stimme für das Bargeld: das Nationale Bargeldforum Von Burkhard Balz Auf Initiative der Deutschen Bundesbank wurde im Februar dieses Jahres das Nationale Bargeldforum gegründet. Das Forum bringt alle relevanten Akteure des Bargeldkreislaufs an einen Tisch und erarbeitet gemeinsam Lösungsideen zu aktuellen Bargeldfragen. Bundesbankvorstand Burkhard Balz stellt die Arbeit und die Ziele des Forums näher vor. 1 Vgl. Deutsche Bundesbank (2024), Zahlungsverhalten in Deutschland 2023, S. 51. 2 Vgl. Ehrenberg-Silies, S., M. Bovenschulte, K. Goluchowicz, M. Nerger, J. Czerniak-Wilmes, T. Gensheimer und S. Borgstedt (2024), Bargeld der Zukunft, Deutsche Bundesbank. Alle zwei Jahre untersucht die Deutsche Bundesbank das Zahlungsverhalten der deutschen Bevölkerung. Im Juli haben wir zuletzt die aktuellen Zahlen für das Jahr 2023 veröffentlicht. Ein Ergebnis dieser repräsentativen Studie ließ mich diesmal besonders aufhorchen: Gefragt nach den Wünschen und Erwartungen an den zukünftigen Umgang mit Bargeld, gaben fast drei Viertel (73 Prozent) der Befragten an, sie wünschten sich, dass Bargeld auch in 15 Jahren noch genauso wie heute oder sogar wieder häufiger genutzt würde. Gleichzeitig erwartet aber auch mehr als die Hälfte der Befragten (55 Prozent), dass Bargeld dann ganz aus dem Alltag verschwunden oder sogar abgeschafft worden sein wird.1 Wunsch und Erwartung klaffen also deutlich auseinander. Auch wenn eine Abschaffung des Bargeldes ganz sicher nicht zur Debatte steht, ist in Deutschland seit Längerem ein schleichender und zuletzt beschleunigter Rückgang der Bargeldnutzung zu beobachten. Im Jahr 2017 wurden hierzulande noch rund 74 Prozent aller Zahlungen an der Ladenkasse mit Bargeld abgewickelt; 2023 lag diese Zahl noch bei rund 51 Prozent. Die überall zunehmende Digitalisierung hat also auch beim Bezahlen klar erkennbare Spuren hinterlassen. Angesichts dieser Zahlen stellt sich für die Bundesbank als größter deutscher Akteur im baren Zahlungsverkehr die Frage, wie wir mit dem Wandel im Zahlungsverhalten umgehen. Einerseits sind wir marktneutral und wollen niemandem vorschreiben, mit welchem Zahlungsmittel er oder sie zu bezahlen hat. Auf der anderen Seite sehen wir mittelfristig den Zugang und die Akzeptanz des Bargeldes durch seine stetig abnehmende Nutzung gefährdet. Das zeigt auch eine aktuelle Zukunftsstudie, die im Auftrag der Bundesbank erstellt wurde.2 Bürgerinnen und Bürger, die Bargeld wegen seiner Qualitäten wie Einfachheit oder Anonymität schätzen und – wie oben gezeigt – auch weiterhin nutzen wollen, würden dann in der freien Wahl ihres Zahlungsmittels eingeschränkt. Es besteht also Handlungsbedarf. Auf Initiative der Deutschen Bundesbank wurde daher im Februar dieses Jahres das Nationale Bargeldforum gegründet. Das Hauptziel des Forums ist es, alle Akteure des baren Zahlungsverkehrs an einen Tisch zu bringen und gemeinsam dazu beizutragen, Bargeld als kostengünstiges und weitverbreitetes Zahlungsmittel in einer sich wandelnden Zahlungslandschaft zu erhalten. Die zwölf im Bargeldforum vertretenen Verbände und Institutionen kommen nicht nur aus der Kreditwirtschaft, dem Einzelhandel oder der Bargeldlogistik, sondern beispielsweise auch aus dem Verbraucherschutz oder der Katastrophenhilfe. Diese bewusst breite Aufstellung unterstreicht die gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Bargeldes und spiegelt die Tatsache wider, dass der Bargeldkreislauf komplex ist und eine Vielzahl von Akteuren betrifft. Diese Komplexität und der damit verbundene Kooperations- und Koordinationsbedarf machen einen regelmäßigen und strukturierten Dialog sinnvoll. Das Forum bietet die Möglichkeit, die unterschiedlichen Perspektiven, Interessen und Kompetenzen im Bargeldbereich zu bündeln und die Weiterentwicklung des baren Zahlungsverkehrs in Deutschland aktiv mitzugestalten und kostengünstig zu halten. Etwaige Konflikte können Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank Burkhard Balz GELD UND WERT

6 DSD 4 | 2024 hier beigelegt und Innovationen im baren Zahlungsverkehr schneller verbreitet werden. Zu den behandelten Themen gehören neben der Akzeptanz und dem Zugang zu Bargeld auch Sicherheit, Nachhaltigkeit und Digitalisierung sowie Fragen der Krisenprävention und der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Das Forum tagt bis zu zweimal jährlich unter dem Vorsitz der Bundesbank in Berlin. Die eigentliche fachliche Arbeit, etwa die Erarbeitung von gemeinsamen Positionen oder die Formulierung von Handlungsempfehlungen, findet in Arbeitsgruppen statt, in denen alle Mitglieder mit Expertinnen und Experten vertreten sind. Diese werden von einem bei der Bundesbank angesiedelten Sekretariat unterstützt. Die Arbeit des Forums ist inzwischen gut angelaufen. So hat eine Arbeitsgruppe zum Thema Münzen eine gemeinsame Position zu einer möglichen Rundungsregel bei der Verwendung von Ein- und Zwei-Centmünzen erarbeitet. Auf Basis der Arbeit einer weiteren Arbeitsgruppe haben wir kürzlich eine Website (www. nationales-bargeldforum.de) gestartet, auf der eine Vielzahl relevanter Informationen zum Thema Bargeld gebündelt und aufbereitet ist. Damit trägt das Forum auch dazu bei, die Sichtbarkeit des Bargeldes in der Öffentlichkeit und bei politischen Entscheidungsträgern zu erhöhen und ihm eine starke Stimme zu verleihen. Wenn wir also auch in Zukunft oft und gerne mit Scheinen und Münzen bezahlen wollen, dann kann das Nationale Bargeldforum ein wichtiger Baustein sein, um dieser Zukunft ein Stück näherzukommen. Die Mitglieder des Nationalen Bargeldforums bei der Auftaktveranstaltung am 16. Februar 2024 in Berlin. GELD UND WERT

7 DSD 4 | 2024 Die Zukunft des Bargelds Technologische Lösungen für eine effiziente Bargeldlogistik Von Michael Mewes In den letzten Jahren hat die Nutzung von Bargeld in Deutschland einen signifikanten Rückgang erlebt. Laut der Deutschen Bundesbank fiel der Anteil bargeldbasierter Zahlungsvorgänge von 74 Prozent im Jahr 2017 auf fast 50 Prozent – und bezogen auf den Umsatz gar auf einen Wert von 26 Prozent – im Jahr 2023. Besonders die Coronapandemie hat diesen Trend beschleunigt. Trotz dieser Entwicklung bleibt Bargeld ein unverzichtbarer Bestandteil des globalen Finanzsystems und wird täglich für Millionen von Transaktionen verwendet. Was ist also zu tun, um es auch in Zukunft verfügbar zu halten? Herausforderung: Druck auf die Bargeldinfrastruktur Der Rückgang der Bargeldnutzung setzt die bestehende Bargeldinfrastruktur unter Druck und führt zu einem Rückbau dieser wichtigen Infrastruktur. Für einen robusten und nachhaltig funktionierenden Bargeldkreislauf sind aber drei Bedingungen essenziell: der ausreichende Zugang der Bevölkerung zu Bargeld über Banken bzw. Geldausgabeautomaten, die Akzeptanz von Bargeld in Bezahlprozessen im Handel sowie die Verfügbarkeit von Wechselgeld. Diese Aspekte betreffen sowohl den Zahlungsprozess an der Kasse als auch die Möglichkeiten für Händler, eingenommenes Bargeld in Buchgeld umzuwandeln. Lösungsideen: innovative Techno- logien zur Effizienzsteigerung Um den Herausforderungen der zurückgehenden Bargeldmengen zu begegnen, sind neue technische Lösungen erforderlich, mit denen man den gesamten Prozess effizienter, sicherer und kostengünstiger gestalten kann. Die Geld- und Wertdienstleister spielen hierbei eine zentrale Rolle. Bereits heute werden innovative IBNSgeschützte Transportfahrzeuge eingesetzt, notwendige Mannschaftsstärken reduziert und automatisierte Systeme am Point of Sale (POS) sowie in der Geldbearbeitung entwickelt. Die Cash Logistik Security AG hat in den letzten Jahren erfolgreich Einzahlgeräte bei ihren Kunden eingeführt, um eine sichere und effiziente Einzahlung sowie die Wandlung von Bargeld zu Buchgeld in den Räumen des Kunden zu ermöglichen. Zudem unterstützen moderne Cash Forecast Systeme die Kunden bei ihrer täglichen Disposition. Diese Maßnahmen sind jedoch nur der Anfang; gemeinsam mit Partnern wird an einer durchgängigen Automatisierung der gesamten Wertschöpfungskette gearbeitet – vom Kassenbereich bis zum Konto. Umsetzung: gemeinsam den Wandel gestalten Die Integration neuer Technologien im Bereich des Bargeldtransports und der -bearbeitung wird entscheidend dazu beitragen, diese wertvolle Ressource ‚Bargeld‘ effizient und sicher zu managen und gleichzeitig unserer ökologischen Verantwortung gerecht zu werden. Innovative Lösungen wie IBNS-Fahrzeuge, smarte Bargeldmanagement-Systeme und fortschrittliche Zähl- und Sicherheitsmechanismen optimieren den gesamten Bargeldprozess, erhöhen die Effizienz, verbessern die Sicherheit und senken Kosten. Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit aller Akteure – einschließlich des Sozialpartners ver.di – ist unerlässlich, um den Wandel aktiv zu gestalten. Nur so kann unter Ausrichtung aller Kräfte auf das gemeinsame Ziel sichergestellt werden, dass unser Bargeld auch in Zukunft eine wichtige Rolle im globalen Finanzsystem behält und unsere Finanzinfrastruktur den Bedürfnissen wirklich aller Teile der Gesellschaft weiterhin gerecht wird. Vorstandsmitglied der Cash Logistik Security AG und Vorstandsvorsitzender der BDGW Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste www.cls.ag Michael Mewes GELD UND WERT

8 DSD 4 | 2024 GELD UND WERT Bargeld im Wandel: Warum Kundenorientierung jetzt über Erfolg und Misserfolg entscheidet Von Hasan Celebi Keine Überraschung mehr: Der Rückgang der Bargeldnutzung ist keineswegs nur ein Thema im fernen Skandinavien. Auch in der Bargeldbastion Deutschland ist Cash gemessen an der Kaufsumme nicht mehr Zahlungsmittel Nummer eins. Diesen Wandel halten wir nicht auf. Aber lassen Sie ihn uns als Chance sehen. Customer Centricity, die konsequente Ausrichtung aller Unternehmensaktivitäten auf den Kunden, ist in Zeiten des Wandels wichtiger denn je. Dabei gilt es, sich immer wieder bewusst zu machen, dass Bargeld für unsere Kunden – selbst für Banken! – nicht Kerngeschäft ist. Das Inhouse-Cash-Management muss reibungslos, nahezu nebenbei funktionieren, während es sich immer wieder aufs Neue den Erwartungen der Endverbraucher anpasst. Als einer von zahlreichen Akteuren rund um das Produkt Bargeld ist es auch die Aufgabe von uns Transporteuren, dieses so attraktiv wie möglich zu gestalten. Heutzutage ist es gang und gäbe, sich Bargeld beim Einkaufen auszahlen zu lassen. Diese Beträge fehlen in unseren Cash Centern. Warum schaffen wir nicht gemeinsam mit unseren Kunden mehr Lösungen für ihren eigenen Bargeldkreislauf? Sie werden echte Mehrwerte für den Alltag stets honorieren – auch monetär. Wie gelingt uns als Geld- und Wertdienstleister Customer Centricity • Zielgruppenspezifische Lösungen bieten: Unsere Zielgruppen sind diverser als „Bank vs. Handel“. Wir müssen uns intensiver mit den individuellen Bedürfnissen jeder Zielgruppe beschäftigen und Produkte pro Segment standardisieren. • Digitalisierung vorantreiben: Auch im so physischen Bargeldsektor darf die Digitalisierung nicht vernachlässigt werden. Prosegur treibt diese vor allem durch seine Einzahllösungen Cash Today voran. Kunden sichern ihr Bargeld in smarten Geräten nicht nur, sie sehen es auch online ein und arbeiten mit den erzeugten Daten. Ebenso wie Prosegur. Bei unserer Payment-Lösung für den Point of Sale muss das Verkaufspersonal gar nicht mehr mit Bargeld in Berührung kommen. • Omnichannel- und 360°-Ansätze verfolgen: Kunden erwarten, dass sie, ähnlich wie sie es von DHL, Amazon und Co. kennen, über den Status einer bevorstehenden Anfahrt informiert werden. Konsistente Informationen müssen jederzeit auf dem bevorzugten Kanal verfügbar sein. Nehmen wir unseren Kunden, etwa Banken, doch alle bargeldbezogenen Tätigkeiten ab und liefern Monitoring & Forecasting, Technischen Service, Kassettenmanagement aus einer Hand. • Partnerschaften und Kooperationen stärken: Um den Wandel im Bargeldsektor erfolgreich zu meistern, können wir Dienstleister von strategischen Partnerschaften profitieren. Gemeinsam entwickeln wir innovative und kundenorientierte Lösungen, die den veränderten Marktanforderungen gerecht werden. Fazit: Kundenfokus als Schlüssel zum Erfolg In einem schrumpfenden Bargeldmarkt ist Customer Centricity der entscheidende Faktor, um weiterhin erfolgreich zu bleiben. Dienstleister, die ihre Angebote auf die sich wandelnden Bedürfnisse ihrer Kunden ausrichten und gleichzeitig innovative, digitale Lösungen integrieren, können sich einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil verschaffen. Die Zukunft für uns Geldtransporteure liegt in der Fähigkeit, unsere Prozesse so flexibel zu gestalten, dass wir uns jederzeit sehr schnell den Veränderungen und neuen Anforderungen des Marktes anpassen können. COO von Prosegur und stellv. Vorstandsmitglied der BDGW Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste www.prosegur.de Hasan Celebi

9 DSD 4 | 2024 GELD UND WERT 2024 – weitere Herausforderungen für die Geld- und Wertdienstleister aus Sicht des Vorstandes Von Ingo Hartmann Die Hoffnungen für 2024 waren für die meisten unserer Mitgliedsunternehmen auf wirtschaftliche Konsolidierung und Wachstum ausgerichtet. Mit Elan und Schwung sollten die „liegengebliebenen“ Aufgaben aus den Pandemiejahren nun endlich aufgearbeitet werden. Leider belehrte uns die Realität eines Besseren. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie sowie die aktuellen geopolitischen Krisen spüren unsere Mitglieder weiterhin enorm und bereiten uns Kopfzerbrechen. Von der Bundespolitik erwarteten wir eine angemessene Unterstützung unserer spezifischen Branche. Leider gingen wieder alle wirtschaftlichen Hilfspakete an unseren Unternehmen vorbei bzw. wurde unsere Branche obendrein mit der Einführung der Mautpflicht für unsere Fahrzeuge ab 3,5 t weiter ökonomisch straff belastet. Das Parken in der zweiten Reihe wurde uns ebenfalls versagt. Unterm Strich alles gesetzliche Entscheidungen, die unseren Mitarbeitenden die Freude an ihrer Arbeit nicht„versüßen“. Auch mit Hinblick auf die längst überfällige Überarbeitung unserer Unfallverhütungsvorschriften, die uns bereits seit zwei Jahrzehnten umtreibt, kommen wir nicht wirklich effektiv und zum Nutzen aller Interessenvertreter zügig voran. Die Konzeption, die Umsetzung und Verwirklichung von Sicherheit liegen in den Händen der jeweiligen, einzelnen Unternehmensakteure, denen es zunehmend schwieriger gelingen dürfte, alle Rahmenbedingungen und besonderen Interessen der Kunden und Beschäftigten unter„einen Hut“ zu bekommen. Unsere Tarifpolitik stellt uns vor neue Herausforderungen in der Kommunikation und in der Zusammenarbeit mit unseren Beschäftigten. Unverständlicherweise gehen hier gerade die gewerkschaftlichen Forderungen mit den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Unternehmen weit auseinander. Die Digitalisierung in den Zahlungssystemen setzt sich weiter fort und ist verbunden mit dem verstärkten Einsatz elektronischer Zahlungsmittel. So komfortabel und schnell elektronische Zahlungsmittel sein können, so akut sind diese an die sichere Funktionalität und Betriebsbereitschaft modernster Netzinfrastrukturen gebunden. Einen flächendeckenden Ausfall von Datenleitungen/ Internet, Stromausfälle, den Verlust der EC- bzw. Kreditkarte oder das einfache Nichtfunktionieren hat vielleicht jeder schon einmal erlebt. Wir appellieren hier an die Politik und die weiteren Wirtschaftsbeteiligten wie die Europäischen Zentralbank, die Deutsche Bundesbank, Sparkassen, Banken, die Versicherungsunternehmen, den Handel und öffentliche Auftraggeber, über die Jahre gewachsene Strukturen in der Kreditwirtschaft und im Handel sowie in der Wertdienstleister-Branche nicht vorschnell aufzugeben und den Unternehmen der Branche die notwendige Zeit zum erforderlichen Strukturwandel einzuräumen. Es kommt wieder auf unser Durchhaltevermögen und unsere Innovationskraft an. Geschäftsführer der DWSI Geld- und Wert-Logistik GmbH & Co. und stellv. Vorstandsmitglied der BDGW Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste www.dwsi.de Ingo Hartmann

10 DSD 4 | 2024 GELD UND WERT Hat Bargeld Zukunft? Von Dr. Markus Lehnert „Bye-bye, Bargeld.“ Mit diesem Werbeslogan läutete ein Kreditkartenunternehmen vor einiger Zeit in einer Plakatanzeige das vermeintliche Ende des Bargelds ein. Die LP titelte jüngst „Bargeld nervt“. In einigen wenigen (kleinen) Einzelhandelsunternehmen sind Schilder mit der Aufschrift„No Cash“ zu sehen. Am PoS sieht man vermehrt (junge) Menschen, die mit ihrer Uhr oder dem Smartphone zahlen. Sind das Momentaufnahmen? Einzelbeispiele? Oder schlicht und einfach medial gepushte Kampagnen und Informationen, die nicht repräsentativ sind? Klar ist, dass unbare Zahlungsverfahren immer wichtiger werden. Sie sind heute nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken, und vor allem jüngere Menschen zahlen vermehrt unbar, zumeist digital mit dem Handy. So zumindest die propagierte mediale Wahrnehmung in der perfekt funktionierenden Welt der durch Werbekampagnen der Zahlungsdienstleister dargestellten Theorie. Und in der (wirklichen) Praxis? Im echten Leben? Im Jahr 2023 zahlten die Verbraucher in Deutschland die Hälfte der Waren und Dienstleistungen mit Münzen und Banknoten, insbesondere bei kleineren Beträgen sowie bei Einkäufen des täglichen Bedarfs. Laut einer Studie der Deutschen Bundesbank möchten in 15 Jahren circa zwei Drittel der Befragten Bargeld im gleichen Umfang nutzen wie bisher. Die Antwort, ob Bargeld Zukunft hat bzw. zukunftsfähig ist, hängt von mehreren Faktoren ab. Einer der wichtigsten Faktoren ist die Verfügbarkeit des Bargelds. Die Sprengung von Geldautomaten, der Rückzug der Kreditinstitute aus der Fläche, insbesondere im ländlichen Raum, und der damit verbundene Abbau von Geldautomaten, die z. T. zu sehende Annahmeverweigerung von Bargeld etc. sind alles Faktoren, welche die Verfügbarkeit von Bargeld erschweren. Auch die Gebührenstruktur beim CashbackVerfahren ist hierzu zu beachten. Wer möchte heute schon Weg und Zeit in Kauf nehmen, um sich mit Bargeld zu versorgen, wenn die Debit- oder Kreditkarte stets verfügbar ist? Im Ergebnis heben die Menschen an den Automaten in der Tendenz eher höhere Bargeldbeträge ab, um sich einzudecken und den Weg nicht mehrmals in Kauf nehmen zu müssen. Das aber nur im günstigsten Fall. Der bequemere Weg ist es meist, unbar zu zahlen. Oder gleich im Internet bequem von der Couch aus zu shoppen. Dies leitet zu einem zweiten wichtigen Faktor in Bezug auf die Zukunftsfähigkeit des Bargeldes über: „Akzeptanz“. Zum einen die bereits thematisierte Bargeldakzeptanz am PoS, die heute fast durchgängig gegeben ist. Self-Checkout, Vending-Stores, Automatenland-Shops etc. sind gegenwärtige Entwicklungen, die sich zumeist unbar vollziehen und einem jüngeren Adressatenkreis unbare Zahlungsmittel promoten. Im „klassischen“ Einzelhandel ist die Bargeldakzeptanz hingegen grundsätzlich gegeben, denn in Deutschland hat jeder das Recht, mit Bargeld zu zahlen. Euro-Banknoten sind das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel. Bei Münzen hingegen muss niemand mehr als 50 Münzen annehmen. Für das Zahlungssystem ist es unerlässlich, dass Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel überall akzeptiert wird. So kann jeder frei wählen, wie er bezahlen will, und Menschen ohne Zugang zu elektronischen Zahlungssystemen werden nicht benachteiligt. Bargeld ist somit ein wichtiges Instrument bei der Ausübung der Grundrechte. Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Diskussion rund um den „digitalen Euro“ sollte dies in Zukunft auch so bleiben. Akzeptanz heißt aber auch, dass wir als Gesellschaft Bargeld akzeptieren und dessen Vorteile auch wertschätzen, indem wir Bargeld als ZahlungsGeschäftsführer der BS Beck Sicherheitsdienst GmbH & Co. KG und stv. Vorstandsmitglied der BDGW Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste www.ugl-sicherheit.de Dr. Markus Lehnert Bild: # 827611638 / istockphoto.com

11 DSD 4 | 2024 GELD UND WERT mittel nutzen, es so auch zukunftssicher zu machen. Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Punkt ist die Verfügbarkeit von Wechselgeld. Während es im europäischen Ausland teilweise Usus ist, dass Cent-Beträge gerundet werden, ist dies in Deutschland nicht der Fall. Eine entsprechende regulatorische Umsetzung als „Zwang“ würde in der Konsequenz dazu führen, dass mehr Menschen unbare Zahlungsmethoden nutzen würden, weil diese nicht auf das Wechselgeld verzichten möchten. Gerade in einem Land wie Deutschland, dem Erfinder der „Geiz ist Geil“-Mentalität, ist die Verfügbarkeit und Wirtschaftlichkeit von Wechselgeld wichtig. Dies gilt nicht nur für Münzen, sondern auch für kleinere Scheine im Rahmen des Cashback-Verfahrens. Last, but not least, muss Bargeld auch öffentlichkeitswirksam und medial positiv belegt werden. Dies fällt generell schwer im Kampf zu den Werbebudgets der unbaren Zahlungsanbieter, muss jedoch jetzt, wo Bargeld noch eine wichtige Rolle im Zahlungsverkehr spielt, initiiert und verstärkt werden, bevor Zustände herrschen wie in Australien oder Schweden. Dazu gehört, bspw. gegen Vorurteile vorzugehen. Beliebt ist es, Bargeld und Kriminalität in Zusammenhang zu bringen. Die Obergrenze von 10.000 Euro bei Zahlungen mit Bargeld ab 2027 ist beschlossen. Ob sie Wirksamkeit zeigt? Die Übergangsphase nutzen Kriminelle, indem sie andere, nicht regulierte Instrumente wie bspw. Kryptowährungen nutzen. Seit dem 1. April 2023 ist die Barzahlung beim Erwerb von Immobilien verboten. Gleichwohl kauft die Organisierte Kriminalität weiterhin munter Immobilien in Deutschland auf. Das Paracelsus-Prinzip ist überholt und wird auch durch Wiederholung nicht richtig. Dem Bargeld fehlt in Deutschland, aber auch in vielen anderen Ländern, eine Lobby, die die positiven Eigenschaften des Bargelds promotet. • Bargeld ist gelebte Freiheit. Es bedeutet Privatsphäre, Datenschutz und die eigene Hoheit, welche Daten man zulassen möchte. • Bargeldzahlungen sind sicher. Geld, das bar aufbewahrt und verwendet wird, ist bspw. vor Cyberangriffen geschützt. • Bargeld ist verfügbar. Auch ohne technische oder administrative Infrastruktur wie Vertrag, Konto, Strom oder Internet. • Bargeld ist uns allen. Bargeld ist das gesetzliche Zahlungsmittel und steht uns allen als inklusives Zahlungsmittel zur Verfügung. Ob Bargeld letztendlich eine Zukunft hat, entscheidet ein jeder von uns. Bei jedem einzelnen Zahlvorgang. Solange es Menschen gibt, die Bargeld nachfragen und damit zahlen, hat auch das Bargeld eine Zukunft. Es obliegt uns allen, sich für eine offene, solidarische Gesellschaft einzusetzen, die Bargeld als inklusives Zahlungsmittel im Mix der Mittel nutzt. Da hilft ausnahmsweise auch mal der Blick nach Schweden. Die schwedische Gesellschaft, häufig auf dem Weg zur „cashless society“ propagiert, hat den Wert von Bargeld entdeckt. Die Nutzbarkeit von Bargeld muss für die Zukunft ausreichend sichergestellt werden, fordert die Riksbank, die schwedische Zentralbank. In ihrem Jahresbericht bezeichnet sie den digitalen Zahlungsverkehr als kritisches Sicherheitsdefizit u. a. bei Stromausfällen und Cyberattacken. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Diskussion über die Zukunft des Bargelds nicht schwarzweiß, wie häufig praktiziert, mit „Ja zu digitalen Zahlungsmitteln“ und „Nein zu Bargeld“ geführt werden sollte. Vielmehr ist ein „Sowohl-als-auch“-Gedanke zu favorisieren. Und das allein sollte in unserem aller Interesse sein. Denn kein Zahlungsmittel hat alle Vorzüge auf seiner Seite. Und genau deshalb brauchen wir alle auch Bargeld. Heute und auch in der Zukunft. Anzeige

12 DSD 4 | 2024 GELD UND WERT Glosse: Streiken für die eigene Abschaffung Von Uwe Wendorf ver.di hat sich mal wieder in Stellung gebracht, dieses Mal für die Geld- und Wertdienstleister. Man könnte fast meinen, die Gewerkschaft hätte sich in ihrer jüngsten Streikfreude ein neues Ziel gesetzt: die eigene Branche abzuschaffen. Denn wer sich die aktuellen Forderungen ansieht, wird sich fragen, ob ver.di hier nicht versehentlich das Bargeld selbst zu Grabe trägt. ver.di fordert im Geld- und Wertdienstleistungssektor stetige Lohnerhöhungen, die mittlerweile beeindruckende Höhen erreicht haben. Man bedenke: In den letzten zehn Jahren wurden die Löhne in der Branche um mehr als 50 Prozent gesteigert. Das klingt nach einer ordentlichen Gehaltserhöhung, doch ver.di will noch mehr. Tatsächlich liegt der Brutto-Stundengrundlohn für eine ungelernte Tätigkeit inzwischen um und bei 20 Euro – eine Zahl, die sich gewaschen hat. Nun, was tut eine Gewerkschaft, wenn sie merkt, dass ihre Forderungen nicht direkt erfüllt werden? Genau, sie streikt. Und wie reagiert der Handel? Er lacht und freut sich insgeheim über die Werbung für das kontaktlose Bezahlen. Mit jedem Streiktag, an dem die Bargeldversorgung stockt, gewöhnen sich die Verbraucher mehr und mehr an das bargeldlose Zahlen mit Karte oder Smartphone. Die COVID-19-Pandemie, die den Konsum von Bargeld ohnehin schon drastisch reduziert hat, gibt dem noch den nötigen Schwung. Da fragt man sich doch: Wem nützt das alles? ver.di streitet für höhere Löhne, aber währenddessen sinkt die Nachfrage nach Bargeld rapide. Banken und Händler, die zunehmend auf elektronische Zahlungsmethoden setzen, denken bereits darüber nach, ob es den aufwendigen und teuren Bargeldtransport überhaupt noch braucht. Und ver.di? Die läuft Gefahr, den Ast abzusägen, auf dem sie sitzt. Die Arbeitgeber haben sich sogar für maßvolle Tariferhöhungen offen gezeigt. Aber ver.di will mehr. Nicht genug damit, dass die Kosten für Bargeldtransporte in den letzten Jahren ohnehin gestiegen sind. Durch die aktuellen Forderungen der Gewerkschaft wird der Bargeldtransport zu einem Luxusgut. Doch während ver.di für mehr Lohn kämpft, blockiert sie gleichzeitig technologische Innovationen, die helfen könnten, die Kosten zu senken. So wird beispielsweise Geschäftsführer der ExSiRo GmbH Rostock und stellv. Vorstandsmitglied der BDGW Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste www.exsiro.de Uwe Wendorf Bild: # 8347436 / istockphoto.com

13 DSD 4 | 2024 GELD UND WERT die „Ein-Mann-Logistik“, bei der weniger Personal eingesetzt werden könnte, vehement abgelehnt. Wozu effizienter arbeiten, wenn man einfach mehr Lohn fordern kann? Eine interessante Ironie zeigt sich dabei: Während ver.di öffentlich für die Erhaltung von Arbeitsplätzen kämpft, könnte ihre Streikpolitik letztlich dazu führen, dass diese Arbeitsplätze überflüssig werden. Das Bargeld, für dessen Transport und Bearbeitung die Mitarbeiter der Branche verantwortlich sind, könnte zunehmend durch digitale Zahlungsmethoden ersetzt werden. Wenn Banken und der Einzelhandel erst einmal auf den Geschmack kommen, auf Bargeld zu verzichten, wird es schwer, den Zahn der Zeit zurückzudrehen. Aber es ist nicht nur die Digitalisierung, die ver.di das Leben schwer macht. Die Arbeitgeber haben klare Forderungen, wie die Branche effizienter gestaltet werden könnte. Die „Ein-Mann-Logistik“ ist nur eine von vielen Maßnahmen, mit denen die Unternehmen versuchen, Kosten zu sparen, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben. Doch ver.di blockiert diese Modernisierungsschritte, was die Branche zusätzlich belastet. Dabei sind die Lohnsteigerungen der letzten Jahre bereits beachtlich. Seit 2010 hat sich die Vergütung im Geld- und Wertdienstleistungssektor kontinuierlich nach oben bewegt. Die Frage, die sich hier aufdrängt, lautet: Wohin soll das führen? Während ver.di weiter streikt und Forderungen aufstellt, die für manche Arbeitgeber nicht mehr tragbar sind, geht das Bargeldgeschäft allmählich den Bach runter. Die Banken, die sich ohnehin zunehmend auf digitale Alternativen fokussieren, könnten sich bald endgültig vom Bargeld verabschieden. Und dann? Dann gibt es weder Arbeit noch Lohn zu verteilen. Die Entwicklung erinnert an einen Schachzug, bei dem man zwar kurzfristig gewinnt, langfristig aber das Spiel verliert. ver.di mag in den aktuellen Verhandlungen den Arbeitgebern vielleicht Zugeständnisse abringen, aber auf lange Sicht könnte die Gewerkschaft sich selbst ins Aus manövrieren. Die Geld- und Wertdienstleistung wird so teuer, dass sich Händler und Banken fragen, ob sie nicht besser ganz auf Bargeld verzichten. Und das wiederum könnte das Ende für viele Arbeitsplätze in der Branche bedeuten. Doch wer weiß? Vielleicht wird ver.di irgendwann einsehen, dass es sinnvoller ist, die Branche mit klugen, zukunftsorientierten Forderungen zu unterstützen, statt immer nur höhere Löhne zu verlangen. Denn eines ist sicher: Wenn das Bargeld irgendwann aus der Mode kommt, wird es auch keinen Bedarf mehr an Geld- und Wertdienstleistern geben. Dann bleiben von all den Streiks nur noch ein paar schöne Erinnerungen – und ein paar leere Geldtransporter. Wenn Banken und der Einzelhandel erst einmal auf den Geschmack kommen, auf Bargeld zu verzichten, wird es schwer, den Zahn der Zeit zurückzudrehen.

14 DSD 4 | 2024 Bargeldlose Gesellschaft = hilflose Gesellschaft – Resilienz der Gesellschaft in Zeiten des digitalen Wandels „Bargeldlose Gesellschaft = hilflose Gesellschaft“ war das Thema der öffentlichen Veranstaltung im Vorfeld der Jahresmitgliederversammlung der BDGW am 13. November 2024 in Berlin. Es trafen sich Vertreter der Geld- und Wertdienste mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, um die Auswirkungen des leider stetig schwindenden Bargeldgebrauchs auf die Resilienz der Gesellschaft und des Bargeldkreislaufs zu diskutieren. In seiner Begrüßungsansprache betonte der Vorstandsvorsitzende der BDGW, Michael Mewes, die Bedeutung einer ausgewogenen Lösung im Umgang mit Bargeld und digitalen Zahlungsmethoden, um die gesellschaftliche Resilienz zu wahren.„Die fortschreitende Digitalisierung des Zahlungsverkehrs stellt uns vor neue Herausforderungen. Es gilt, die Menschen in ihrer Vielfalt nicht abzuhängen“, so Mewes. Florian Graf, Staatssekretär und Chef der Senatskanzlei des Landes Berlin, richtete ein Grußwort an die Teilnehmer. In seiner Rede unterstrich er die Notwendigkeit, auch in Zeiten zunehmender Digitalisierung die Bargeldnutzung als Grundpfeiler der sozialen Teilhabe zu bewahren. Im Rahmen der Veranstaltung wurden spannende Impulsvorträge gehalten. Esther Uleer, Staatssekretärin für Zentrales und Verbraucherschutz sowie Amtschefin der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz in Berlin, betonte, dass der Verlust von Bargeldnutzung besonders vulnerable gesellschaftliche Gruppen benachteilige. Sie wies auf die Notwendigkeit hin, den Zugang zu Bargeld für alle zu gewährleisten, um soziale Isolation zu verhindern. Stefan Hardt, Leiter des Zentralbereichs Bargeld der Deutschen Bundesbank, beleuchtete die Perspektive der Finanzinstitution. Er erläuterte, wie die Deutsche Bundesbank auf die zunehmende Digitalisierung des Zahlungsverkehrs reagiert und wie wichtig es sei, Maßnahmen zu ergreifen, um Bargeld als zentralen Bestandteil der Wirtschaftsordnung zu sichern. Der freie Journalist und Lektor Hakon von Holst kritisierte die Tendenz, Bargeld zunehmend zu verdrängen, und warnte vor den möglichen gesellschaftlichen Folgen einer rein bargeldlosen Gesellschaft. Er stellte die Entwicklung des Umgangs mit dem Thema Bargeld auf europäischer Ebene vor und stellte einen kleinen anschaulichen Vergleich zum digitalen Euro dar. Im Anschluss an die Impulsvorträge fand eine Podiumsdiskussion statt. Diskutiert wurde die Frage, wie die Gesellschaft angesichts des digitalen Wandels widerstandsfähig bleiben kann und welche Rolle Bargeld in diesem Prozess spielt bzw. spielen muss. Teilnehmer der Diskussion waren Stefan Hardt, Leiter des Zentralbereichs Bargeld der Deutschen Bundesbank, Michaela Schröder, Mitglied der GeBilder: Thomas Beutel Fotografie Hakon von Holst, Freier Journalist und Lektor (v.l.) Moderator Oliver Arning, Michaela Schröder, Kolja Gabriel, Frank Hakelberg, Stefan Hardt und Dr. Friedemann Berg GELD UND WERT

DSD 4 | 2024 schäftsleitung der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V., die die Perspektive der Verbraucher und ihre Sorgen im Hinblick auf den bargeldlosen Zahlungsverkehr darlegte. Kolja Gabriel, Mitglied der Geschäftsleitung des Bundesverbands Deutscher Banken e. V., der die Sicht der Banken auf die Rolle des Bargeldes in einer zunehmend digitalisierten Welt vertrat, Dr. Friedemann Berg, Vorstand des Bundesverbands Bargeld zählt! e. V. und Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks e. V., der die Perspektive des Mittelstandes und der kleineren Wirtschaftsakteure einbrachte, sowie Rechtsanwalt Frank Hakelberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Schaustellerbundes. V., der die gesellschaftlichen und kulturellen Implikationen des bargeldlosen Wandels beispielhaft thematisierte. Die Diskussionsrunde verdeutlichte, dass die Frage nach der Zukunft des Bargeldes weit über die Finanzwirtschaft hinausgeht. Vielmehr geht es um die soziale und kulturelle Dimension, die mit dem Verlust von Bargeld verbunden ist. Die Veranstaltung endete mit dem Appell, eine Gesellschaft zu schaffen, die nicht nur digital, sondern auch inklusiv ist. Es wurde betont, dass der Zugang zu und die Nutzung von Bargeld ein grundlegendes Recht bleiben muss, um soziale Gerechtigkeit und Teilhabe sowie die funktionale gesellschaftliche Resilienz zu bewahren. Michael Mewes, Vorstandsvorsitzender der BDGW Florian Graf, Staatssekretär und Chef der Senatskanzlei des Landes Berlin Dr. Friedemann Berg, Vorstand des Bundesverbands Bargeld zählt! e. V.i.G. Esther Uleer, Staatssekretärin für Zentrales und Verbraucherschutz, Amtschefin der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz, Berlin Stefan Hardt, Leiter des Zentralbereichs Bargeld der Deutschen Bundesbank 15 (v.r.) Michael Mewes, Florian Graf, Esther Uleer, Stefan Hardt und Hakon von Holst Michaela Schröder, Mitglied der Geschäftsleitung der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. Kolja Gabriel, Mitglied der Geschäftsleitung des Bundesverbands deutscher Banken e. V. Frank Hakelberg, Hauptgeschäftsführer des DSB Deutscher Schaustellerbund e. V.

16 DSD 4 | 2024 Bargeld zwischen Bestandsschutz und Verdrängung Von Andreas Goralczyk GELD UND WERT Dass das Thema Bargeld (die Nutzung von Bargeld als Zahlungsmittel im Alltag und das Bargeldmanagement) mehr und mehr zu einem Thema mit europäischen Dimensionen geworden ist, ist seit vielen Jahren bekannt. Das liegt zum einen an der gemeinsamen Währung des europäischen Binnenmarktes, dem Euro, aber zunehmend auch an den politischen Bemühungen der europäischen und der internationalen Finanzbehörden und globalen Thinktanks, aber auch an den Banken und den internationalen Kartenorganisationen, das Bargeld insgesamt aus der Nutzung zu verdrängen und durch digitale, unbare Zahlungsmittel zu ersetzen. Die Banken haben kein Interesse am Bargeld und sie würden es begrüßen, es schnellstmöglich loszuwerden. Bargeld als Zahlungsmittel gilt, insbesondere nach dem Verständnis der Befürworter der„cashless society“, als„zu teuer“,„altmodisch“,„unpraktisch“ und„anrüchig“, da es der Geldwäsche, der Terrorismusfinanzierung und dem Schwarzgeld Vorschub leiste. Darüber hinaus wird das Bargeld von den Banken und Sparkassen, aber auch vom Handel, insbesondere seit der Coronapandemie, als„Virenschleuder“ und„Keimfalle“ verunglimpft. 1 https://www.focus.de/finanzen/news/gegen-geldwaesche-eu-beschliesst-obergrenze-fuer-bargeld-was-das-heisst-welchestrafen-drohen_id_259993623.html 2 https://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20240419IPR20586/neue-eu-vorschriften-zur-bekampfung-der-geldwasche-verabschiedet Die EU-weite Bargeldobergrenze wird kommen Es gibt kaum noch ein Land weltweit, in dem das Bargeld uneingeschränkt eingesetzt werden kann. Auch in vielen Ländern der EU bestehen zum Teil drastische Obergrenzen beim Bezahlen mit Bargeld. So gilt z. B. in Griechenland eine Bargeldobergrenze von 500 Euro, in Frankreich liegt diese bei 1.000 Euro. In Deutschland gab es bisher keine Obergrenze. Der jüngste Beschluss des Europäischen Parlaments zur Einführung einer europaweit einheitlichen Obergrenze von 10.000 Euro bei Barzahlungen mit Euroscheinen und Münzen trägt hier zur weiteren Beschränkung der Bargeldnutzung bei.1 Im Mai 2024 hat auch der europäische Ministerrat diese Regelung gebilligt. Zwar wird diese Regelung erst drei Jahre nach Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft treten, also ab 2027, aber sie ist auch nur eine Maßnahme von vielen, das Bargeld weiter ins Abseits zu drängen. Die Einführung einer Bargeldobergrenze ist eine erhebliche Einschränkung der finanziellen Selbstbestimmung und somit der Freiheitsrechte der Bürger. Darüber hinaus sollen zukünftig anonyme Bargeldgeschäfte nur in einer Höhe von bis zu 3.000 Euro möglich sein. Um es klar auszudrücken: ab 2027 sind Bargeschäfte ab einer Höhe von 10.001 illegal und strafbewehrt. Auch soll es eine neue europäische Behörde zur Überwachung dieser neuen Regelungen geben: die Anti Money Laundering Authority (AMLA). Ihren Sitz wird diese Behörde in Frankfurt bekommen. Bemerkenswert ist, dass all diese die Freiheit der Bürger beschränkenden Maßnahmen mit dem Argument der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusbekämpfung gerechtfertigt werden (siehe die neuen EU-Vorschriften zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismus2), obwohl doch seit Langem bekannt ist, dass es keinen unmittelbaren Zusammenhang gibt zwischen Bargeld und dem weltweiten Terrorismus gibt. Das Bargeld insbesondere für Terrorismus und dessen Finanzierung verantwortlich zu machen, ist nicht gerechtfertigt. Terrorismus, Steuerhinterziehung und Korruption haben sich längst Alternativen zum Bargeld erschlossen. Und Bargeldobergrenzen haben erwiesenermaßen nirBerater der BDGW Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste Andreas Goralczyk

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