DER SICHERHEITSDIENST

WIRTSCHAFT UND POLITIK 48 DSD 3 | 2022 ausgerüstet. Seit zwei Jahren nutzen sie überwiegend feste Sprengstoffe (TNT, Semtex und TATP), die sie selbst herstellen. Die Prognose ist auch für 2022 ungünstig. Allein in NRW wurden im 1. Halbjahr 2022 mindestens hundert physische Angriffe auf GAA registriert. Innenminister Herbert Reul hat der Bekämpfung dieser hochgefährlichen Kriminalität eine hohe Priorität eingeräumt. In Hessen haben sich Innenministerium, Landespolizei und Banken zu einer „Allianz Geldautomaten“ zusammengeschlossen. In beiden Bundesländern soll das algorithmisch basierte Prognosetool „predictive policing“ zum Einsatz kommen. Raubkriminalität Raubüberfälle auf Kassen und Geschäfte sind in den letzten zehn Jahren deutlich zurückgegangen: auf 1.531 im Jahr 2021. Und dabei ist die AQ von 48,5 auf 55,4 angestiegen. Auch Raubüberfälle auf die vor allem abends und nachts besonders gefährdeten Tankstellen waren rückläufig (517 im Jahr 2021). Diese Tendenz dürfte wegen der Ausstattung der meisten Tankstellen mit leistungsfähiger Videoüberwachung auch in diesem Jahr anhalten. Besonders erfreulich ist die geringe Zahl von 30 Raubüberfällen auf Kassenboten. 2011 waren es noch 129. Diebstahlskriminalität Die Anzahl der in der PKS registrierten Diebstahlsfälle ist in allen Branchen und Angriffsbereichen seit Jahren rückläufig. Sie betrug 2021 in und aus Fabriken, Lagern und Büros 64.654, aus Geschäften 256.700, aus Kiosken 297.000, aus Gaststätten und Hotels 15.100, aus Automaten 9.000, in/aus Banken 3.790. Und zugleich ist in allen Bereichen – mit Ausnahme der Banken – die AQ in den letzten zehn Jahren gestiegen. Das ist gewiss vor allem verstärkter Prävention zu verdanken, insbesondere der sicherheitstechnischen Aufrüstung. Besonders wirksam ist die Kombination verschiedener technischer Sicherheitsvorkehrungen: so zur Abwehr von Ladendiebstahl das Zusammenspiel von Sicherungsetiketten, Videoüberwachung und Audiosystem zur Ansprache des Tatverdächtigen mit dem Hinweis, dass bereits ein Mitarbeiter unterwegs sei, um behilflich zu sein. Die Transportvereinigung TAPA hat für das Jahr 2020 1.727 Frachtverlustfälle mit einem Gesamtschaden von 12 Mio. Euro registriert. Die Diebstähle ereigneten sich zumeist auf nicht klassifizierten Parkplätzen mit der Methode des „Planenschlitzens“. Der coronabedingte Abwärtstrend dürfte sich 2022 nicht fortsetzen. Dabei ist die Zahl der dauerhaft abhanden gekommenen Lkw kontinuierlich rückläufig, und zwar seit 2017 um 50 Prozent auf 588 im Jahr 2021. Betrugsskandale Mehr als die Hälfte (65 Prozent) der Wirtschaftskriminalität wird durch Betrug begangen. Auch in der Gesamtkriminalität macht Betrug mit fast 800.000 Verdachtsfällen einen hohen Anteil aus. Coronabedingt hat 2021 vor allem der Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen drastisch zugenommen (um 544 Prozent auf 11.328 Fälle). Dieser Anstieg wird wohl 2022 nicht anhalten. Sich fortsetzen dürfte der 2021 festgestellte leichte Rückgang des Subventionsbetrugs, zumeist im Zusammenhang mit der Coronapandemie, um 4,3 Prozent auf 7.260 Fälle. Das Vertrauen in die Wirtschaft wird vor allem durch die aufsehenerregenden Betrugsskandale erschüttert, die zumeist aus den Führungsetagen von Unternehmen heraus begangenwerden. Erinnert sei an Wirecard, das im Juni 2020 Insolvenz anmeldete, nachdem bekannt geworden war, dass in der Bilanz 1,9 Mrd. Euro „fehlten“. Die BaFin erstattete Anzeige gegen vier Vorstandsmitglieder wegen des Verdachts auf Marktmanipulation. Seit acht Jahren beschäftigt die Medien, die Öffentlichkeit und die Justiz der Abgasskandal, zunächst bei der Volkswagen AG. Die Abgasaffäre weitete sich zu einer Krise in der Automobilindustrie aus. Auch der Staat ist oft Opfer von Betrugsskandalen. Das gilt etwa für die sogenannten Cum-ex- und Cum-cum-Manipulationen. Anleger lassen sich eine einmal gezahlte Kapitalertragsteuer auf Aktiendividenden mehrfach erstatten. Sie verschieben untereinander mithilfe von Banken um den Stichtag der Dividendenzahlung herum untereinander Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividendenanspruch. Banken schalten dabei durch „Leerkäufe“ auch ausländische Banken ein. Dem Staat gehen dadurch Milliardenbeträge an Steuern verloren. Allein die Warburg-Bank musste wegen Beteiligung an Cum-ex-­ Geschäften 176 Mio. Euro an die Staatskasse zahlen. Der BGH hat in einem Grundsatzurteil vom 28. Juli 2021 Cum-ex-Geschäfte als strafbare Steuerhinterziehung gewertet. Die Reputation der Banken hat unter diesen Manipulationen schweren Schaden genommen. Für manche große Investmentbank sind nach Überzeugung des Justizministers von NRW, Peter Biesenbach (im Interview mit der FAZ am 22. Februar 2022), betrügerische SteuBild: Markus Spiske / unplash.com

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