DER SICHERHEITSDIENST

69 DSD 1 | 2022 BÜCHERMARKT Staatsfeinde in Uniform – wie militante Rechte unsere Institutionen unterwandern Von Dirk Laabs, Econ Verlag Berlin, 2021, 445 Seiten, 24 Euro, ISBN 978-3-430-21032-4 Es ist naheliegend, dass Menschen, die den Erhalt der Bundesrepublik Deutschland wünschen, in diesem Sinne konservativ sind und deshalb auch verstärkt ihre berufliche Laufbahn in staatlichen Organisationen suchen. Es ist eigentlich schwer vorstellbar, dass jemand, der unseren demokratischen Staat ablehnt, ihn unter Einsatz seines Lebens und seiner Gesundheit als Soldat oder Polizist gegen äußere oder innere Feinde verteidigt. Und genau deshalb macht das großartige Buch von Dirk Laabs sprachlos. Minutiös zeigt er eine vollkommen andere Sicht auf die Welt in Deutschland und ansatzweise auch in anderen europäischen Ländern, als die meisten Leser sie kennen dürften. Es dreht sich aus Sicht einer speziellen Gruppe von Menschen in Deutschland fast alles um den „Tag X“, den Tag, an dem die bisherigen staatlichen Strukturen zusammenbrechen und dann die Macht von anderen Kräften übernommen wird. Und diese Kräfte sind heute schon da, sie bereiten sich auf diesen Tag vor, sehnen sich nach ihm und sind sogar dazu bereit, ihn aktiv herbeizuführen. Man könnte meinen, dass ein paar Spinner nicht schlimm wären und dass eine funktionierende Demokratie das aushalten muss. Diese Einschätzung ist grundsätzlich richtig. Bedenklich wird es allerdings, wenn es sich nicht um eine amorphe Masse von Impfgegnern, Wutbürgern, Querdenkern, Anhängern von Pegida, AfDlern, Hooligans, Preppern u. ä. handelt, sondern um Menschen, die sich selbst als Angehörige einer weit vorausschauenden Elite sehen und so agieren. Sie besetzen die staatlichen Institutionen wie Polizei und Bundeswehr und haben dadurch Zugang zu Gleichgesinnten und vor allem: Waffen. Es werden Parallelstrukturen aufgebaut, vernetzt und am Leben gehalten. Bei Einsätzen, vor allem in Afghanistan, werden Kampferfahrungen gesammelt. Ein Verband ehemaliger Soldaten und Polizisten wird 2016 unter dem Begriff „Uniter“ gegründet, der vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) als rechtsextremer und verfassungsfeindlicher Verdachtsfall geführt wird. Immer wieder werden Netzwerktreffen abgehalten, bei denen man sich mit Unternehmen der Rüstungsindustrie trifft, neueste Waffen und Munition ausprobiert und sich unter Fachleuten darüber austauscht, welche Munition den Feind am besten vernichtet. Es besteht bei vielen Teilnehmern kein Zweifel darüber, wer mit dem „Feind“ gemeint ist: die (politisch linken) Menschen, die schon heute in „Todeslisten“ festgehalten werden und die zuerst vernichtet werden sollen, sobald die Macht am„Tag X“ übernommen worden sein wird. Munitions- und Waffenlager werden mit illegal beiseite geschaffter Munition von Spezialkräften angelegt. Und innerhalb dieser Gruppen spielt der Gedanke der Auserwähltheit und der Bedeutung für das eigene (rein deutsche) Volk eine große Rolle. Die Coronapandemie ist für Menschen auf dem Weg zum „Tag X“ ein Geschenk, weil sich durch die daraus resultierende Unruhe und den Unmut der Bevölkerung über Einschränkungen die kritische Masse, die für einen Umsturz erforderlich ist, erhöht. All das passiert vor dem Hintergrund der Traditionspflege des „sauberen“ Soldatentums der„unbefleckten“Wehrmacht, auf die man stolz ist. Rechtsnationales Denken des dritten Reichs ist in bundesdeutschen Strukturen angekommen, wenn es überhaupt schon einmal weg war. Die roten Fäden bei Laabs sind das Kommando Spezialkräfte (KSK), die Polizei und insbesondere der Werdegang von Franco A. Franco A. war Leutnant der Bundeswehr und besuchte u. a. eine Militär-Eliteschule in Frankreich. Er wurde dadurch bekannt, dass er sich eine zweite Identität als syrischer Flüchtling zulegte. Sein Plan war es, durch ein Attentat als „Ausländer“ den„Tag X“ herbeizuführen und auszulösen. Immer wieder zeigt Laabs auch Verbindungen zum Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) auf, legt behördliche Inkompetenz offen, insbesondere in der Abstimmung der Behörden (MAD, BfV, BKA und BND) untereinander, verweist aber genauso auch auf absichtlichesWegsehen, das bewusste Vermeiden von Aufklärung und das Totschweigen von erkennbaren Sachverhalten und Straftaten. Der Leser dieses Buches muss feststellen, dass es offensichtlich in den bundesdeutschen Sicherheitsorganen eine erhebliche Duldungstoleranz gegenüber rechtem Denken gibt. Pseudoaktionismus wie das Auflösen der zweiten Kompanie des KSK unter gleichzeitiger Verteilung der Soldaten auf andere Einheiten des Kommandos sind symptomatisch für ein Versagen der Politik an dieser Stelle. Rezension von Bernd M. Schäfer, Geschäftsführender Gesellschafter der ATLAS Versicherungsmakler für Sicherheits- und Wertdienste GmbH

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