DER SICHERHEITSDIENST

65 DSD 1 | 2022 VERGABERECHT Rechtsschutz imVergaberecht Wer öffentliche Aufträge will, muss die Spielregeln kennen. Von Rechtsanwalt Jonas Kollewe Die öffentliche Hand vergibt jährlich Aufträge im dreistelligen Milliardenvolumen an private Unternehmen. Gerade im Bereich der Sicherheitsbranche haben sich öffentliche Auftraggeber in den letzten Jahren zu einem der größten Nachfrager der Branche entwickelt. Dabei muss man als Anbieter verstehen, dass dieser Markt völlig eigene Spielregeln hat und die klassischen Akquisemaßnahmen zur Auftragsgewinnung hier nicht weiterhelfen. Der Markt der öffentlichen Aufträge bietet jedoch denjenigen Bietern, die diese speziellen Spielregeln kennen, einen großen Vorteil gegenüber dem normalen Markt. Er ist nämlich extrem formalisiert und die Auftraggeber sind an strenge Regeln bei der Auftragsvergabe gebunden. Zudem können Bieter auch die Rechtsschutzmöglichkeiten vor den Vergabekammern (quasi Spezialgerichte für Vergabe) nutzen und so überprüfen lassen, ob der öffentliche Auftraggeber gegebenenfalls einen Fehler gemacht hat. Wer jetzt denkt, die öffentliche Hand werde sich schon an die Vergabevorschriften halten und die Verfahren daher alle ordnungsgemäß ablaufen, der zeigt wenig Praxiserfahrung im Vergaberecht. Es ist nämlich zunehmend festzustellen, dass öffentliche Auftraggeber – bewusst oder aus Unkenntnis – teils gravierend gegen das Vergaberecht verstoßen. Dieser Umstand ist bedauerlich und aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten höchst bedenklich, bietet damit jedoch informierten und engagierten Bietern eine enorme und oftmals unterschätzte Wettbewerbschance. Dem Vergaberecht unterfallen grundsätzlich alle Leistungen, die die öffentliche Hand beschafft, also auch jede Form von Sicherheitsdienstleistungen. Dabei müssen öffentliche Auftraggeber bei jeder Beschaffung Vergabevorschriften einhalten. Besonders streng sind diese jedoch, wenn ein Auftragswert von 215.000 bzw. 750.000 Euro netto überschritten wird. Dann nämlich muss in jedem Fall ein europaweites Vergabeverfahren, welches im Amtsblatt der EU zu veröffentlichen ist (www.ted.europa.eu), durchgeführt werden. Dieser Auftragswert muss dabei alle Verlängerungsmöglichkeiten und Optionen berücksichtigen, die im Vertrag angelegt sind. Will ein Auftraggeber also einen Auftrag im Wert von ca. 80.000 Euro netto pro Jahr für einen Zeitraum von einem Jahr vergeben und sieht er vor, dass er diesen optional zweimal um jeweils ein Jahr verlängern kann, ist bereits der einschlägige Schwellenwert überschritten und der Auftrag muss europaweit vergeben werden. Diese Schwelle ist für Bieter deshalb so wichtig, da nur bei europaweiten Vergabeverfahren Rechtsschutz vor der Vergabekammer möglich ist. Der vielleicht wichtigste Hinweis für Bieter in Vergabeverfahren ist, dass es sich bei diesen um streng formalisierte Verfahren handelt. Dies mag wie eine völlige Banalität klingen, würden Bieter dies aber immer verinnerlichen, wäre die Menge der Fehler um ein Vielfaches geringer. Es ist also von entscheidender Bedeutung, dass die Verfahrensregeln immer eingehalten werden, das bedeutet beispielsweise, dass Fristen niemals überschritten werden dürfen. Auch dürfen keine Änderungen, auch keine Ergänzungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen werden. Hier gilt: Fast das Gleiche ist nun mal nicht das Gleiche. Auch ist die Benutzung der vom Auftraggeber verwendetenVergabeplattform zwingend und es darf davon nicht abgewichen werden. Dabei gelten dieser Formalismus und diese strengen Vorschriften aber nicht nur für Bieter. Vielmehr sind auch öffentlichen Auftraggeber extrem eingeschränkt in dem, was sie dürfen, aber noch vielmehr in dem, was sie nicht dürfen. Dies betrifft neben Fristen insbesondere auch die verlangten Eignungsnachweise, die sog. Zuschlagskriterien, also die Regeln, nach denen der Bieter ausgewählt wird, der den Auftrag erhalten soll, und sogar die Art und Weise, wie die Leistung beschrieben wird. Aber auch im Falle des Ausschlusses von Angeboten oder der geplanten Beauftragung von Unternehmen, die nicht geeignet sind oder zu günstig angeboten haben, ist der Auftraggeber an strenge Regeln geist Fachanwalt für Vergaberecht und Partner der Kanzlei Mösinger Bakes Kollewe in Frankfurt und Bamberg. Er vertritt und begleitet Bieter im Rahmen von Vergabeverfahren und vertritt diese vor Vergabekammern. RA Jonas Kollewe Bild: Carola Schmitt

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==